70. Deutsche Einzelmeisterschaft 1998 - Berichte vom Veranstalter

1. Runde: Auftakt mit kleinen Überraschungen

Ganz stark gegen etwas weniger stark - so lautet das traditionelle Motto der Turniere nach Schweizer System - und dies bestimmte auch die Paarungen der 1. Runde der 70. Deutschen Einzelmeisterschaften.

Daß dabei die Remisquote keine Rekordhöhen erreichen würde, war nicht schwer zu prophezeihen - 25 % sind erfreulich wenig.

Die ganz großen Sensationen blieben aus, wenn es auch einige unerwartete Ergebnisse gab: So gab Titelverteidiger Matthias Wahls gegen Frank Zeller ebenso einen halben Punkt ab wie Dr. Robert Hübner gegen die einzige Dame im Feld, die neuerdings für Werder Bremen spielende Ketino Kachiani-Gersinska.

Wie bei jeder richtigen Premiere ging auch gestern einiges schief. So fiel die geplante high-tech-Präsentation der Spitzenpaarungen im Zuschauerraum deswegen aus, weil die einzelnen Elemente des Netzwerks sich nicht zu einem solchen vereinigen wollten.

Die Tagungen (bei Nacht!) des Mini-Schiedsgerichts Klaus Darga und Claus Dieter Meyer, um den geeigneten Kandidaten für den Schönheitspreis zu ermitteln, scheinen sich schon nach dem ersten Treffen zu analytischen Tiefbohrungen auszuweiten - wie immer man ihre Entscheidung beurteilen mag, sie ist Ergebnis ernsthafter Debatten.

And the winner is: Rainer Knaak

Knaak,R (2555) - Jugelt,T (2350) [D97]
DEM Bremen (1), 06.11.1998

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.Sf3 Lg7 5.Db3 dxc4 6.Dxc4 0-0 7.e4 c6 8.Le2 Lg4 9.Le3 Da5 10.0-0 Sbd7 11.b4 Dc7 12.Tac1 Tac8 13.Dd3 Tfd8 14.Db1 Db8 15.Sg5 Lxe2 16.Sxe2 e5 [16...h6] 17.f4! exd4 18.Lxd4 h6?

DIAGRAMM

[18...Te8] 19.Sxf7! Kxf7 20.e5 Te8 [20...Sd5 21.e6+; 20...Se8 21.e6+ Kxe6 22.Lxg7] 21.exf6 Lxf6 [21...Sxf6 22.Le5 (22.f5 g5 23.Db3+ Sd5 24.f6) ] 22.f5 Txe2 [22...g5 23.Db3+ Kg7 24.Lxf6+ Sxf6 25.Sd4] 23.fxg6+ Kg7 24.Txf6! Sxf6 25.Lxf6+ Kxf6 26.Tf1++- Ke5 [26...Kg7 27.Tf7+ Kg8 28.Db3! Te1+ (28...De5 29.Tf8+) 29.Tf1+] 27.Df5+ 1-0

2. Runde: Noch sechs Spieler mit weißer Weste

Sehr zur Freude der über 100 Zuschauer (und des Veranstalters) blieb auch am 2. Spieltag die Remisquote klein - nur fünf der 24 Begegnungen endeten Unentschieden, darunter keine aus der Kategorie Null Bock alias Großmeisterremis. An der Spitze landete Artur Jussupow einen ungefährdeten Sieg gegen seinen einstigen, aus der Aera ante Beckenbauer stammenden Vereinskollegen Stefan Kindermann, während Mitfavorit Rustem Dautov Eric Lobron unterlag, wobei die Uhr letztendlich entschied.

Glänzend gestartet sind die beiden Hamburger Karsten Müller und Thies Heinemann. Mit Siegen über die GMs Lutger Keitlinghaus bzw. Rainer Knaak - der Werderaner erlitt seine erste Französischniederlage seit Menschengedenken - stehen beide noch mit weißer Weste da und werden sich morgen ein sicherlich heißes HSK-Duell liefern.

Ganz eng war es auch wieder im Schiedsgericht Darga/Meyer. Das Rennen machte schließlich Peter Enders:

Hertneck,G (2555) - Enders,P (2485) [E15]
DEM Bremen (2), 07.11.1998

1.d4 Sf6 2.Sf3 e6 3.c4 b6 4.g3 La6 5.b3 Lb4+ 6.Ld2 Le7 7.Lg2 d5 8.cxd5 exd5 9.0-0 0-0 10.Te1 Lb7 11.Lf4 Sa6 12.a3 c5 13.Ta2 Sc7 14.dxc5 bxc5 15.e3 Se6 16.Le5 Db6 17.Sh4 g6 18.Lxf6 Lxf6 19.Lxd5 Lxd5 20.Dxd5 Tad8 21.Dc4 Db7 22.Sd2 Sg5

DIAGRAMM

23.e4 Td4 24.Dxc5 Tc8 25.Da5 Se6 26.b4 Lxh4 27.gxh4 Tcd8 28.b5 Sf4 29.Sf1 Sh3+ 30.Kg2

DIAGRAMM

30...Txe4 31.Kg3 Tg4+ 0-1

Quelle: http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd2.html

3. Runde: Peter Enders mit Glanzpartie an die Spitze

Zuerst den Schönheitspreis kassiert, dann eine weitere Glanzpartie abgeliefert und alleiniger Spitzenreiter - Peter Enders war der Mann des Tages in der dritten Runde. Damit blieb der Erfurter der letzte der 100%-Mohikaner.

Über 100 Zuschauer wurden Zeuge zahlreicher spannender Duelle, auch wenn es diesmal nicht gerade der Tag der Entscheidungen war - 14 der 24 Partien endeten remis, davon die meisten allerdings unfreiwillig. So lieferten sich im Verfolgerduell die beiden Hamburger Karsten Müller und Thies Heinemann eine Kampfpartie voller Dramatik, bevor sie die Punkte teilten.

Auch in der dritten Runde blieben die absoluten Sensationen aus, doch stellen sowohl die Siege von Bangiev gegen Knaak und Glienke gegen Keitlinghaus als auch die Punkteteilung zwischen Kindermann und Jugelt eine Überraschung dar.

Keine Überraschung allerdings ist mittlerweile mehr der Gewinner des Schönheitspreises: Peter Enders!

Enders,P (2485) - Lobron,E (2540) [B33]
DEM Bremen (3), 08.11.1998

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 Sc6 6.Sdb5 d6 7.Lf4 e5 8.Lg5 a6 9.Sa3 b5 10.Lxf6 gxf6 11.Sd5 Lg7 12.Ld3 Se7 13.Sxe7 Dxe7 14.c3 f5 15.Sc2 Lb7 16.exf5 h5 17.a4 b4 18.Sxb4 Dh4 [18...d5 19.a5; 18...Dg5 19.Tg1 (19.Lc4 Dxg2 20.Ld5 e4 21.Tf1) ; 18...e4 19.Lc4 e3 20.0-0] 19.De2 Lxg2 20.Tg1 Dxh2 21.0-0-0 Df4+ [21...h4 22.Dg4 (22.Kb1 h3 23.Le4 Lxe4+ 24.Dxe4 0-0 25.f6) 22...Lh6+ 23.Kb1 h3 24.Le4] 22.Dd2 [22.De3 Lh6 23.Txg2 (23.Kb1) 23...Dh4 (23...Df3) 24.Dxh6 Txh6 25.Tg8+ Kd7 26.Txa8; 22.Kb1 Lf3 23.Dc2 Lxd1 24.Dxd1] 22...Lh6 [22...Df3 23.Kb1] 23.Txg2 Df3 [23...Dh4 24.Dxh6 Txh6 25.Tg8+ Kd7 26.Txa8; 23...Dxd2+ 24.Txd2 h4 (24...Kd7 25.Sd5) 25.Sd5 Lxd2+ 26.Kxd2] 24.Tg5 f6

DIAGRAMM

25.Le2 Db7 [25...Dh3 26.f4 fxg5 27.fxg5 (27.Dxd6) 27...Lf8 28.Dd5] 26.Tg8+ [26.Lxh5+ Kf8 27.Dxd6+ De7] 26...Ke7 [26...Txg8 27.Dxh6; 26...Kf7 27.Lc4+ d5 28.Txh8 Lxd2+ 29.Txd2 dxc4 30.Th7+; 26...Kd7 27.Tg7+ Kc8 28.Dxh6 Txh6 29.Txb7 Kxb7 30.Lf3+] 27.Dxh6 [27.Tg7+! Lxg7 28.Dxd6+ Ke8 29.Sxa6+-] 27...Taxg8 28.Dd2 Td8 29.Lxa6 Dg2 30.Lb5 Kf8 31.Sc6 1-0

http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd3.html

4. Runde: Kämpferischer Sieger - faule Verfolger

Gegen Artur Jussupow zu gewinnen, ist keinem Großmeister bei der Schacholympiade gelungen. Um so höher ist die Leistung von Peter Enders zu werten, der mit den schwarzen Steinen Deutschlands Nr. 1 nicht nur "einfach" besiegte, sondern dabei auch noch eine solch eindrucksvolle Partie produzierte, daß das sorgfältig arbeitende Preisgericht nicht sehr lange brauchte, um zum dritten Mal

Peter Enders

zum Sieger dieses besonderen Wettbewerbs zu krönen.

Das lag natürlich auch daran, daß an den ersten zehn Tischen nicht weniger als acht Kurzremisen geschoben wurden. Es kann ja sein, daß mancher keine Lust zum Spielen hat - nur warum meldet man sich dann für eine Deutsche Meisterschaft an, bei der es zudem nicht unerhebliche Beträge zu verdienen gibt?!

Aber wir hoffen darauf, daß gestern nur die ganz normale Halbzeitpause genommen wurde und heute wieder die - erwarteten - Kämpferqualitäten zum Vorschein kommen.

Jussupow,A (2640) - Enders,P (2485) [E41]
DEM Bremen (4), 09.11.1998
[Darga/Meyer]

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 c5 5.Ld3 Sc6 6.Sf3 cxd4 7.exd4 d5 8.0-0 dxc4 9.Lxc4 h6 10.Te1 0-0 11.a3 Lxc3 12.bxc3 b6 13.Dd3 Lb7 14.La2 Dd6 15.Lb1 Tfd8 16.Ta2 Tac8 17.Tae2 Sb8 18.Te3 Sbd7 19.Sh4 Sf8 20.Th3

DIAGRAMM

20...Le4!! 21.Txe4 [21.Db5 a6 22.Db3 Lxb1 23.Dxb1 Sd5 mit klarem schwarzen Vorteil] 21...Sxe4 22.Dxe4 Dxd4! 23.Dxd4 [23.De1 Dd1 24.Kf1 (24.Te3 Txc3) 24...Da4-+] 23...Txd4

DIAGRAMM

24.Lc2

DIAGRAMM

24...Txh4! 25.Txh4 Txc3 26.Le3 Txc2 27.Td4 Ta2 28.h4 Txa3 29.Td8 f6 30.Ta8 Ta5 31.Ld2 Ta1+ 32.Kh2 Kf7 33.Tc8 h5 34.Tc7+ Kg6 35.Lb4 Sh7 36.g3 a5 37.Le7 b5 38.Ta7 a4 39.Ta5 Tb1 40.f3 Tb3 41.Kg2 e5 42.Ta7 f5 43.Ld6 e4 44.fxe4 fxe4 45.Lc5 Td3 46.Tb7 Td5 47.Lb4 Sf6 48.Kf2 Sd7 49.Ke2 Kf5 50.Ta7 g6 51.Ta8 Td3 52.Td8 a3 53.Ta8 Txg3 54.Lxa3 Tg2+ 55.Ke3 Ta2 56.Kd4 e3 57.Kxe3 b4 58.Ta5+ Se5 0-1

http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd4.html

5. Runde: Peter Enders bleibt vorne

Auch wenn Spitzenreiter Peter Enders aus Erfurt, gestern zum drittenmal für die beste Partie der Runde ausgezeichnet, gegen den Thies Heinemann nicht über ein Remis hinauskam, behielt er doch seinen Vorsprung von einem ganzen Zähler, denn seine unmittelbaren Verfolgern teilten sich ebenfalls die Punkte.

Zu dieser Gruppe hat auch Titelverteidiger Matthias Wahls wieder aufgeschlossen, da er von einer kuriosen Fehleinschätzung seines Gegners Raj Tischbierek profitierte: Im Glauben, einen groben Fehler gemacht zu haben, gab der die Partie auf - wie sich rasch herausstellte, in einer klaren Remisstellung.

Eigentlich sind die Leser des Bulletins gewohnt, an dieser Stelle den Namen Peter Enders als Gewinner des Schönheitspreises zu finden. Doch jede Serie geht einmal zuende - immerhin hat er - zusammen mit Rainer Knaak am ersten Tag - die Maßstäbe so hoch gesetzt, daß diesmal keine Partie für würdig befunden wurde, ausgezeichnet zu werden. Immerhin wurden die Zuschauer heute wieder mit einem vollen Programm ohne Kurzremisen bedacht.

http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd5.html

6. Runde: Spitze rückt zusammen - Titelrennen wieder offen

Beinahe hätte Spitzenreiter Peter Enders wieder mit einer Glanzpartie einen Verfolger abgeschüttelt - doch diesmal spielte die Uhr nicht mit: Knapp drei Minuten blieben dem Erfurter für 13 Züge in einer hochkomplizierten Stellung, in der er den König seines Gegners Thomas Luther zu umzingeln drohte. Enders zog die Notbremse und bot Remis an, das Luther, der nur etwas mehr Zeit hatte, sofort akzeptierte. Mit nunmehr 5 Punkten aus sechs Partien bleibt Enders zwar an der Spitze, doch ist ihm Titelverteidiger Matthias Wahls aus Hamburg nach einem Sieg gegen seinen Vereinskollegen Karsten Müller mit nunmher 4,5 Zählern sehr nahe gekommen.

Im Kaisensaal des Congress Centrums sahen die Zuschauer wieder dramatische Auseinandersetzungen. Im Bremer Lokalderby zwischen Ketino Kachiani-Gersinska und dem diesjährigen Meister von Bremen, Gerlef Meins, blieb die gebürtige Georgierin siegreich und hat nunmehr 3 Punkte.

Der ausgesetzte Schönheitspreis der sechsten Runde ging diesmal an Christian Gabriel.

Heinemann,T (2495) - Gabriel,C (2555) [B06]\n DEM Bremen (6), 11.11.1998

1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.Le3 c6 5.Dd2 Sd7 6.f3 b5 7.Sh3 a6 8.a4 b4 9.Sd1 Tb8 10.a5 e5 11.dxe5 Sxe5 12.Sf4 Sf6 13.La7 Ta8 14.Lb6 De7 15.Dxb4 c5 16.Da3 Lh6 17.Sd3 Sed7 18.Le2 Tb8 19.b4 c4 20.S3b2 Sxb6 21.axb6 d5 22.Da4+ Ld7 23.Dxa6 0-0 24.Da5

DIAGRAMM

24...Sxe4 25.Dxd5 Ld2+ 26.Kf1

DIAGRAMM

26...Dh4 27.g3 Sxg3+ 0-1

Quelle: http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd6.html

Interview mit Claus Dieter Meyer, Cheftrainer des SV Werder Bremen

L. Milde: Herr Meyer, sechs Runden sind bei der diesjährigen Deutschen Meisterschaft gespielt, was meinen Sie, wie die Meisterschaften bis jetzt gefallen haben?

CD Meyer: Aufgrund des höchst attraktiven Teilnehmerfeldes und der exquisiten Rahmenbedingungen scheinen Spieler und Zuschauer einhellig begeistert zu sein. Die beinharte Konkurrenz und beträchtlichen Geldpreise bringen die Profis offenbar schwer ins Schwitzen, und wir haben schon so manche faustdicke Überraschung erlebt.

L. Milde: Zusammen mit Ihrem Trainerkollegen Klaus Darga kommentieren Sie täglich an der elektronischen Bildschirmleinwand ab 15 Uhr aktuelle Spitzenpartien. Wie ist die Resonanz bei den Zuschauern?

CD Meyer: Befriedigend bis gut – besonders im Vergleich zu den früheren Deutschen Meisterschaften, die zumeist in Kurorten stattfanden und wenig bis gar keine Zuschauer hatten.

L. Milde: Was für Probleme sind aufgetreten und sind diese mittlerweile behoben?

CD Meyer: Leider hat die geplante high-tech-Präsentation von gleichzeitig vier Spitzenpaarungen im Zuschauerraum nicht geklappt, so daß wir bislang mit Provisorien zurecht kommen mußten. Großen Dank an Ingolf Stein, ohne dessen Einsatz gar nichts gelaufen wäre!

L. Milde: Abends nach Spielschluß analysieren Sie sämtliche Partien mit Klaus Darga, um den ausgeschriebenen Schönheitspreis zu vergeben. Wie ist die Qualität der bisher gespielten Partien und welche Partie hat Sie bisher am meisten beeindruckt?

CD Meyer: Dazu gibt es wohl nichts besonderes zu vermelden, außer vielleicht der Tatsache, daß sich viele Akteure schon lange kennen und hier der Psychologie ein großer Stellenwert zukommt. Die für mich beeindruckendste Partie war die aus der vierten Runde zwischen A. Jussupow und P. Enders, die der Erfurter wirklich glänzend gewann.

L. Milde.: Was glauben Sie, wer am Ende die Meisterschaft gewinnen wird und warum?

CD Meyer: Die Begegnung der siebten Runde von den führenden Peter Enders und dem nahen Verfolger Matthias Wahls könnte schon eine Vorentscheidung sein. Falls Wahls gewinnt, wäre er für mich der Favorit.

L. Milde: Ich danke Ihnen für dieses Interview!

Quelle: http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/intseife.html

Interview mit Klaus Darga, dem ehemaligen Bundestrainer

L. Milde: Heute sind Sie hier als Kommentator der Meisterschaften, was machen Sie nach Ihrer Karriere als ehemaliger und Nationaltrainer heute?

K. Darga: Auch nach meinem Ausscheiden aus dem Berufsleben und dem Amt des Bundestrainers wird das Leben nicht langweilig. Ich spiele jetzt wieder mehr selber Schach, treffe mit Freunden zusammen und trainiere einige junge Schachtalente. Auch in der Trainerausbildung bin ich noch tätig, zur Zeit führt der Deutsche Schachbund Lehrgänge zur Erlangung der A-Trainer-Lizenz durch. Diese Lehrgänge werden von mir geleitet.

L. Milde: Herr Darga, vier Runden sind bei der diesjährigen Deutschen Meisterschaft gespielt, wie gefallen Ihnen die Meisterschaften bis jetzt?

K. Darga: Ich bin begeistert von diesem Turnier. Sicherlich hat es nie zuvor eine stärker besetzte Deutsche Meisterschaft gegeben. Und auch die Spielbedingungen sind hervorragend.

L. Milde: Zusammen mit Ihrem Trainerkollegen Claus Dieter Meyer kommentieren Sie täglich an der elektronischen Bildschirmleinwand ab 14 Uhr eine aktuelle Spitzenpartie. Wie ist die Resonanz bei den Zuschauern?

K. Darga: Wir kommentieren jeweils zwei der Spitzenpaarungen aus der laufenden Runde und füllen auftretende Pausen mit der Demonstration einer besonders interessanten Partie aus der Runde zuvor. Das Zuschauerinteresse könnte noch etwas besser sein. Am Wochenende waren die vorhandenen Plätze besetzt.

L. Milde: Was für Probleme sind aufgetreten und sind diese mittlerweile behoben?

K. Darga: Es gibt Probleme mit dem Übertragungssystem, das die gespielten Züge direkt von den Brettern im Turniersaal auf die Leinwand im Nebensaal übertragen sollte. Inzwischen haben wir gelernt damit umzugehen. Die Züge werden laufend von einem Helfer aus dem Turniersaal abgeholt.

L. Milde: Abends nach Spielschluß analysieren Sie sämtliche Partien mit Claus Dieter Meyer, um den ausgeschriebenen Schönheitspreis zu vergeben. Wie ist die Qualität der bisher gespielten Partien und welche Partie hat Sie bisher am meisten beeindruckt?

K. Darga: Wir haben schon viele gute Partien gesehen. Am meisten beeindruckte in den ersten vier Runden das Spiel von Peter Enders, der eigentlich nicht zu den Top-Favoriten gezählt wurde. Enders hat nicht nur alle vier Partien gewonnen, sondern auch schon dreimal den Preis für die schönste Partie des Tages erhalten. Seine Gewinnpartie gegen A. Jussupow hat mir besonders gefallen.

L. Milde.: Was glauben Sie, wer am Ende die Meisterschaft gewinnen wird und warum?

K. Darga: Wenn Peter Enders so weiterspielt, wie er das in den ersten Runden gezeigt hat, dann traue ich ihm auch den Turniersieg zu.

L. Milde: Ich danke Ihnen für dieses Interview!

Quelle: http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/intdarga.html

7. Runde: Spitzenreiter Peter Enders gestürzt

"Ich habe einfach Glück gehabt." Das war der Kommentar von Titelverteidiger Matthias Wahls nach seinem Sieg im Spitzenduell der Deutschen Schachmeisterschaften gegen den bisher führenden Peter Enders. Damit liegt der Hamburger nunmehr auf Platz 1 und hat beste Chancen, 1998 zum drittenmal hintereinander Deutscher Meister zu werden.

Seine Partie mit Enders enthielt alles, was Schachfans begehren: Beide kämpften konsequent um den Sieg, Opfer und Gegenopfer lösten einander ab, bis schließlich selbst die Kommentatoren mit dem ehemaligen Bundestrainer und Großmeister Klaus Darga an der Spitze nicht mehr durchblickten.

Auch an den weiteren Spitzenbrettern gab es keine faulen Kompromisse. So fiel die Entscheidung über den Schönheitspreis der siebten Runde nicht leicht. Die schönste Partie spielte diesmal: Jörg Hickl

Hickl,J (2540) - Jussupow,A (2640) [A12]\n DEM Bremen (7), 12.11.1998

1.c4 c6 2.Sf3 d5 3.e3 Sf6 4.b3 Lg4 5.Lb2 e6 6.Le2 Sbd7 7.Sc3 Ld6 8.Sd4 Lxe2 9.Dxe2 0-0 10.cxd5 exd5 11.Sf5 Lc5 12.Sa4 Lb4

DIAGRAMM

13.Sxg7! b5 14.Sf5 bxa4

DIAGRAMM

15.Dh5! Kh8 16.Dg4 Lxd2+ 17.Kxd2 Tg8 18.Dxa4 Txg2 19.Ke2 Dg8 20.Sg3 Dg6 21.Tac1 Te8 22.Df4 c5 23.Kf1 Txg3 24.Lxf6+ Sxf6 25.hxg3 Se4 26.Th6 Dg7 27.Td1 Te5 28.Kg2 Sg5 29.Tc6 h6 30.Txh6+ 1-0

Quelle: http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd7.html

8. Runde: Matthias Wahls vor Titel-Hattrick?

Durch Remisen an den ersten fünf Tischen - alle allerdings ausgekämpft - blieb Matthias Wahl mit einem halben Zähler Vorsprung auf Platz 1. Gewinnt er heute gegen Christian Gabriel, ist ihm der dritte Titel in Folge nicht mehr zu nehmen.

Nun ist natürlich Kampfgeist angesagt - was bei einer Differenz von 10.000 Mark zwischen dem ersten und zweiten Preis nicht schwer fallen dürfte. Sollten aber kollektive Rechnungen angestellt worden sein, wie man sich kurzremisig zu den Preistöpfen schaukeln kann, dürfte dies keine Empfehlung für kommende Turniere ähnlicher Art darstellen.

Aber warten wir ab und erfreuen uns zwischenzeitlich an der Schönheitspartie der 8. Runde, gestaltet von

Bischoff,K (2550) - Heinemann,T (2495) [E62]\n DEM Bremen (8), 13.11.1998

1.c4 e5 2.Sc3 Sc6 3.Sf3 g6 4.g3 Lg7 5.Lg2 d6 6.0-0 Sf6 7.d4 0-0 8.d5 Se7 9.c5 h6 10.cxd6 cxd6 11.a4 Se8 12.Sd2 f5 13.Sc4 g5 14.Db3 b6 15.Ld2 g4 16.Sb5 Tf6 17.a5 bxa5 18.Lxa5 Dd7

DIAGRAMM

19.Sxe5 Db7 20.Sc6 a6 21.Lc3 Tf8 22.Db4 Lxc3 23.bxc3 Sg6 24.Sbd4 Dh7 25.c4 h5 26.c5 h4 27.cxd6 Tf6 28.Se6 Dd7 29.e4 fxe4 30.Dxe4 Dxd6 31.Dxg4 Sg7 32.Dg5 Lxe6 33.Dxf6 1-0

Quelle: http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd8.html

9. Runde: Jörg Hickl neuer Deutscher Meister

In einem wahren Herzschlag-Finale sicherte sich der Hofheimer Jörg Hickl den Titel des Deutschen Schachmeisters 1998. Im Congress Centrum Bremen fiel die Entscheidung vor über 250 Zuschauern nach rund fünf Stunden.

Zunächst unterlag der führende Matthias Wahls in einer rassigen Kampfpartie dem für den Deutschen Mannschaftsmeister Solingen spielenden Studenten Christian Gabriel. Dabei brachte sich der Titelverteidiger aus Hamburg in solche Zeitnot, daß er bei seinem letzten Zug vor der Kontrolle zalhreiche Figuren umwarf und damit den Computer, der die Partie übertrug, außer Gefecht setzte.

Dann ereilte den Spitzenreiter der ersten Turnierhälfte, Peter Enders aus Erfurt, das Schicksal. Er hatte nach knapp einer Stunde ein Remisangebot von Hickl abgelehnt und mußte nach großem Kampf aufgeben. "In der Stellung war zuviel drin, da mußte ich einfach weiterspielen", meinte Enders nach der Partie. Tragisch nur, daß ihn diese vorbildliche Haltung rund 8.000 DM an entgangenem Preisgeld kostete. Allerdings wurde der Erfurter mit einem Sonderpreis für vorbildliche Einstellung ausgezeichnet.

Der dritte Akteur, der wie Gabriel und Hickl 6,5 Punkte erzielte, war Nationalspieler Christopher Lutz. In der langwierigsten Auseinandersetzung der letzten Runde besiegte er nach knapp sieben Stunden Thomas Luther. Da Hickl insgesamt die schwersten Gegner hatte, siegte er nach Wertung vor Lutz und Gabriel.

Den Schönheitspreis der letzten Runde gewann Uwe Bönsch.

Mueller,K (2550) - Boensch,U (2530) [B42]\n DEM Bremen (9), 14.11.1998

1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Ld3 Db6 6.Sb3 Dc7 7.0-0 d6 8.c4 Sf6 9.Le3 Sbd7 10.Sc3 b6 11.Tc1 Lb7 12.Sd2 g6 13.f4 Lg7 14.b4 Tc8 15.De2 Db8 16.Sa4 0-0 17.a3 La8 18.h3 Sh5 19.Tfe1 e5 20.f5 Sf4 21.Df1

DIAGRAMM

21...gxf5 22.Lxf4 exf4 23.Dxf4 Se5 24.Lf1 fxe4 25.Sxe4 f5 26.Sg3 Sg6 27.Dg5 Lf6 28.Dd2 Le5 29.Df2 b5 30.cxb5 Txc1 31.Txc1 f4 32.Sh5

DIAGRAMM

32...f3 33.g4

DIAGRAMM

33...Sf4 34.bxa6

DIAGRAMM

34...Se2+ 35.Lxe2 fxe2 36.De3 Db5 37.Dg5+ Kh8 38.Df5 e1D+ 39.Txe1 Txf5 40.gxf5 Dd5 0-1

Quelle: http://web.archive.org/web/20010311095006/http://chat.wol.de/werder-schach/dem/aktuelles/berichte/rnd9.html

Zurück