Schachlehrer lebenslänglich - Ernst Bönsch zum 80.

Ernst Bönsch im November 2010 beim Berliner Politikerturnier

Als ich darüber nachdachte, wie denn Ernst Bönsch dem Ereignis entsprechend angemessen zu würdigen sei, fiel mir ein, was einst Harry Valérien sagte. "Es hat im Leben alles seinen Sinn", so der Grandseigneur der Sportreportage und Mitbegründer des "Aktuellen Sportstudios" des ZDF.

Schaut man genauer auf den Lebensweg unseres Jubilars, so wird einem klar, dass dieser eigentlich vorgezeichnet war, obwohl der Zufall immer wieder für den gebürtigen Sudetendeutschen (19. Juni 1931) eine wichtige Rolle spielte. Was wäre gewesen, wenn Ernst beispielsweise nicht zunächst im örtlichen Verein und dann in der Stadt Halle das Jugendtraining übernommen hätte? Hat der damals 18jährige aber. Und so wurde er als überhaupt erster Schachspieler an die Leipziger Hochschule für Körperkultur und Sport delegiert und dort als diplomierter Schachtrainer ausgebildet. Und der Erfolg war eigentlich schon vorprogrammiert, weil ihn bis zum heutigen Tag eine wichtige Charaktereigenschaft auszeichnet, die nicht zu erlernen ist: Begeisterung für eine Sache, die es gilt, weiter zu geben! Bei Ernst Bönsch ist es die unbändige Liebe zum Schach, was nicht zuletzt sein Sohn Uwe aus erster Hand bestätigen kann, der Großmeister wurde und heute Bundestrainer des Deutschen Schachbundes ist.

Mein Vorschlag, diesen Beitrag mit "Schachlehrer lebenslänglich" zu überschreiben, fand Ernst recht treffend. Auf meine Nachfrage, wieso denn das so sei, bemerkte er: "Zunächst würde ich, ohne lange nachdenken zu müssen, sagen, dass ich diesen Weg jederzeit nochmals gehen würde. Schach als Spiel und auch als Wettbewerb übte auf mich von Anfang an, eine ungewöhnliche Faszination aus. Diese Begeisterung spürte ich nicht nur als Kind, sondern auch noch im gereiften Alter.

Leistungsschwerpunkt Halle

Wenn man dann noch das Glück hat, das Spiel als Schachlehrer oder Trainer berufsmäßig ausüben zu können, so verbinden sich damit vielfältige erlebnisreiche Stunden. Das trifft sowohl auf das Mitfreuen beim Erfolg seiner Schützlinge zu, als auch das Kennenlernen fremder Länder und Städte. Unvergessen bleibt deshalb für mich das Erlebnis als Trainer der DDR-Frauenmannschaft mit dem dreimaligen Gewinn der Bronzemedaille bei den Schach-Olympiaden Emmen 1957, Split 1963 und Oberhausen 1966."

Zu seiner Lebensleistung gehört aber ebenso, dass er sich in den Zeiten des Umbruchs nicht zurück zog, wohl wissend, auch auf entschiedene Ablehnung dieses Weges zu stoßen. Es waren eben bis Mitte der 1990er Jahre interessante Projekte in den USA, sondern es folgen danach auch die Mühen der Ebene als Honorartrainer am Leistungsstützpunkt im Flächenland Brandenburg, wo es keine großen leistungssportlichen Traditionen im Schach gab. "Es reizte mich einfach, den Versuch zu unternehmen, diesen Zustand zu verändern. Mit den beiden A-Trainerkollegen Holger Borchers und Jörg Pachow waren wir eine erfahrene Trainerriege. Erfolge gab es auf nationaler Ebene, aber international hingen die Trauben zu hoch.
Als Lehrwart, Lehrgangsleiter und Lektor führte ich über 20 C-Trainer-Aus- und Weiterbildungen durch. Diese Aktivitäten trugen beim Wettbewerb der DSB-Ausbildungs-Offensive dazu bei, dass der Landesverband Brandenburg in jenen Jahren zweimal den Vergleich gewann.
"

FIDE-Trainerakademie 2005 in Berlin: Bernd Rosen, Ernst Bönsch und Jörg Pachow

"Erfolg ist die Summe richtiger Entscheidungen!", so der bekanntestes Werbeslogan einer großen deutschen Bank. Für Ernst Bönsch war es ganz fraglos in jenen Jahren diese Basisarbeit, die ihm tiefe Genugtuung gegeben hat und ihn doch nach neuen Herausforderungen suchen ließ, wie das Projekt FIDE-Trainerakademie. Da war er immerhin schon fast 70.

"Schon als junger an der Sporthochschule diplomierter Schachtrainer hatte ich die Vision, für die Sportart Schach eine Einrichtung zu schaffen, die für die Aus- und Weiterbildung von Schachtrainern effektiv genutzt werden kann. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts konnte ich diesen Traum verwirklichen. Einem Vorschlag des damaligen Ausbildungsreferenten des DSB, Prof. Dr. Hochgräfe, zufolge, vergab der Weltschachbund bei seinem Kongress 2000 in Istanbul an den Deutschen Schachbund die Option, eine internationale Trainer Academy in Berlin ins Leben zu rufen. Zu diesem Zeitpunkt (und vermutlich bis heute) gab es in keiner Sportart eine länderübergreifende sportartspezifische Aus- und Weiterbildung. DSB-Geschäftsführer Horst Metzing fragte mich, ob ich in einer kleinen ehrenamtlichen 'Arbeitsgruppe Aufbau FIDE Trainer Academy' mitarbeiten und später die Koordination übernehmen würde. Ich sagte zu, zumal ich die nötige Freizeit hatte, in Berlin lebte und auf dem Ausbildungsgebiet über 50 Jahre Erfahrung besaß", erinnert sich Ernst Bönsch.

A-Trainerweiterbildung 2001 in Hannover

Dass eine solche von hohem persönlichem Engagement geprägte Tätigkeit über fast ein Jahrzehnt verdient Anerkennung mit der Goldenen Ehrennadel des DSB fand, dürfte ihn gefreut haben, war und ist die FIDE-Trainerakademie doch für Ernst Bönsch eine Herzensangelegenheit. "Die Aus- und Fortbildung, die für ihn bereits auf nationaler Ebene zentrales Anliegen darstellt, fand in der FIDE-Trainerakademie eine internationale Plattform. Hier hat er die Möglichkeit eröffnet bekommen, Methodik und Didaktik des Schachspiels weltweit interessierten Schachtrainern zu vermitteln.
Sein permanentes Eintreten für den dauerhaften Erhalt der Trainerakademie in Berlin sowie sein damit verbundenes Engagement für die Ausweitung des Lehrprogramms sind ein Beleg für seine tief verwurzelte Liebe zum Schachsport
", so Joachim Gries, DSB-Referent für Ausbildung, in seinem Ehrungsantrag im März 2010.

Ich lehre, also lebe ich, wäre sicherlich ein passendes Lebensmotto für Ernst Bönsch. In einem großen Interview, dass anlässlich seines 75. Geburtstages bei ChessBase erschien betonte er: "Mit Schach möchte ich mich noch viele Jahre in einer sinnvollen Form beschäftigen, zumal im gereiften Alter eine Menge Lebenserfahrung und Kompetenz eingebracht werden kann. Es ist ja das Schöne bei diesem Spiel, dass man im Unterschied zu anderen Sportarten lebenslang aktiv bleiben kann, und zwar nicht nur am Brett wie es der gleichaltrige Viktor Kortschnoi vorlebt, sondern auch hinter dem Brett als Trainer, Schachlehrer, Schiedsrichter oder Organisator."

Kein Wunder also, dass unser Jubilar sich überhaupt nicht zur Ruhe setzen will und kann. "Natürlich bin ich gern bereit, auch zukünftig in der Lehrkommission des Deutschen Schachbundes meine Erfahrungen einzubringen. An entwicklungsgerechten Lehrmaterialien für die Jüngsten, beginnend mit dem Schach im Kindergarten- bzw. Vorschulalter, arbeite ich langfristig.
Weiterhin will ich an der neugegründeten 'Deutschen Schachstiftung' (Gründer: Matthias Dräger, St. Goar) mitwirken. Sie verfolgt das Ziel, Schach in deutschen (Schwerpunkt Lübeck), russischen (Schulschach-Großraumstudie in Satka), georgischen und südamerikanischen Elementarschulen einzuführen.
"

Langjährige Freunde: GM Dr. Burkhard Malich, Ernst Bönsch und IM Heinz Liebert

Und selbstverständlich ist da auch die unverzichtbare Neugier eines besessenen Öffentlichkeitsarbeiters für das Schach. "Wenn sich ein Wunsch erfüllen ließe, würde ich gern einmal ins Reich der Mitte fahren, um zu erkennen, wo die Geheimnisse des rasanten Leistungsaufstiegs der jungen Chinesinnen liegen. Vermutlich dürften Fleiß und Disziplin eine große Rolle spielen. Sicher werden die Grundlagen bereits im Kindergartenalter gelegt."

Dass es mit Hilfe des Schachspiels durchaus gelingen kann, sein eigenes Leben sinnerfüllt zu führen und sich klüger zu behaupten, lebt uns der Schachlehrer Bönsch vor.

Ganz in diesem Sinne deshalb Salut nach vorn zum 80., lieber Ernst!

Raymund Stolze

Stationen vom 75. zum 80. Geburtstag

  • Ab 2007 schachpädagogische Mitarbeit beim Projekt "Schach im Kindergarten" in Nordrhein-Westfalen, für das im Jahre 2011 der "Deutsche Schachpreis" des DSB verliehen wurde. Erarbeitung von kindgerechten methodischen Materialien "Schach für Kids" (mit Ralf Schreiber) für den Elementar- und Primarbereich.
  • Ab 2008 Mitwirken an der neugegründeten "Deutschen Schachstiftung" (Gründer: Matthias Dräger, St. Goar) mit dem Ziel, Schach in deutschen (Schwerpunkt Lübeck), russischen (Schulschach-Großraumstudie in Satka) und südamerikanischen Elementarschulen einzuführen.
  • 2010 Auszeichnung mit der Ehrennadel des Deutschen Schachbundes in Gold anlässlich der Festveranstaltung zum 20jährigen Bestehen des Landesschachverbandes Sachsen-Anhalt am 2. Oktober 2010 in Halle-Neustadt.