29. Oktober 2011
Anfang - Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt!
An diesen weisen Ausspruch musste ich bei meinem Resümee der 1. Weltspiele für behinderte Schachspieler denken, die am Sonnabend in Dresden mit der festlichen Siegerehrung zu Ende gingen.
Von den ursprünglich gemeldeten 65 Aktiven aus 12 Ländern nahmen in Dresden bei der Premiere dieser zukunftsweisenden Veranstaltung nur 35 Blinde und Sehgeschädigte, Gehörlose und körperlich Behinderte aus sechs Staaten teil. Der ausrichtende Verein ZMDI Schachfestival Dresden um ihren "Spiritus rector" Dr. Dirk Jordan waren jedoch alles andere als enttäuscht und führte das Projekt, das unter dem Patronat der FIDE stand, nicht zuletzt durch ihr unglaubliches persönliches Engagement zu einem bemerkenswerten Erfolg. Und der hätte meiner Meinung nach durchaus mehr öffentliche Beachtung verdient als nur in der Region Sachsen.
Beispielsweise braucht so ein spezielles Turnier aktive Helfer, die schon einmal in die Partie eingreifen müssen. So übernehmen sie bei einer Partie mit blinden Schachspielern die Aufgabe, die Züge vom Blindenbrett auf das Spielbrett zu übertragen und sagen die Züge des Gegners an, wenn dieser sie ausgeführt hat. Die sechs "Begleitpersonen" im Hintergrund während des siebenrundigen Wettbewerbs seien deshalb an dieser Stelle namentlich genannt: Maria Banda, Claus Förster, Helga Jäsche, Orland Krug, Heiner Orlovius, Hartmut Schöne und Paul Schuberth gilt ein besonderes Dankeschön für ihre ausgezeichnete Arbeit.
Zu loben ist auch, dass jeweils vier Partien mit den besten acht Spielern live im Internet zu verfolgen waren, die dann auch im Spielsaal sehen waren.
Doch nun zum sportlichen Verlauf dieser "I. World Chess Games für Disabled", die im RAMADA-Hotel Dresden in der Wilhelm-Franke-Straße beste Bedingungen vorfanden.
Ermittelt wurden der "Champion of Word Chess Games for Disabled" in den drei erwähnten Behindertenkategorien. Außerdem wurde ein Mannschaftswettbewerb für Vierer-Teams ausgetragen, wobei die Teilnehmer zwei Tage Zeit hatten sich zu einem Quartett zu finden. Diese Mannschaftswertung scheint mir allerdings für die zweite Auflage, die 2013 wie dann auch die dritte 2015 wiederum in Dresden stattfinden wird, in dieser Form doch noch nicht optimal zu sein. Hier sollten Aktive mit den drei unterschiedlichen Behinderungen aus einem Land ein Team bilden.
Bei der Premiere jedenfalls waren der Erfurter Thomas Luther, sowie die Russen Andrej Obodschuk, Viktor Strekalowskij und Sergej Denisow zu übermächtig, und so ging es neben der quasi "kampflos" vergebenen Goldmedaille nur noch um Silber und Bronze in dieser Wertung.
Dem deutschen Großmeister, der in der kommenden Woche (4. November) seinen 42. Geburtstag feiert, wird das egal gewesen sein. Luther, dessen größter sportlicher Erfolg der Gewinn der Silbermedaille bei der Schacholympiade 2000 in Istanbul war, gelang mit 7/7 ein lupenreiner Start-Ziel-Sieg. Und der kam natürlich für den "FIDE Adviser Chess for the Disabled" alles andere als unerwartet. Seine Konkurrenten gaben sich zwar redliche Mühe, aber der Spielstärkenunterschied – der Setzranglistenzweite IM Andrej Obodschuk lag mit seiner Elo-Zahl von 2384 deutlich hinter der von Luther (2518) – war einfach zu offensichtlich. Ein Beispiel aus Runde 5 soll das illustrieren:.
Weiß: Artur Keworkow (Deutscher Gehörlosen Sportverband)
Schwarz: Thomas Luther (ZMDI Schachfestival)
Französische Verteidigung/Tarrasch-System [C07]
1. e4 e6 2. d4 d5 3. Sd2 c5 4. exd5 Dxd5 5. Sgf3 cxd4 6. Lc4 Dd7 7. 0–0 Sc6 8. Sb3 Sf6 9. Sbxd4 Lc5 10. Sxc6 Dxc6 11. De2 0–0 12. Se5 De4 13. Te1 Dxe2 14. Txe2 b6 15. Lg5 h6 16. Lh4 Td8 17. c3 Lb7 18. b4 Ld6
19. Sxf7? (ein Rechenfehler, wie der folgende Partieverlauf zeigen wird.) 19. ... Kxf7 20. Txe6 Sd5! (genau diesen "Stopfspringer" hat Weiß übersehen. Der Rest ist Sache der Technik und für den Großmeister selbstverständlich kein Problem...) 21. Tae1 Te8 22. Txe8 Txe8 23. Td1 g5 24. f3 gxh4 25. Lxd5+ Lxd5 26. Txd5 Le5 27. c4 Ke6 28. Td1 Lc3 29. a3 Tc8 und Weiß gab auf! [0-1]
Mit zwei Goldmedaillen war Thomas Luther zugleich der erfolgreichste Spieler der "1st Word Chess Games for Disabled", die künftig im Abstand von zwei Jahren stattfinden sollen.
"Insgesamt war das Turnier von gegenseitigem Respekt und Kameradschaft unter den Spielern geprägt. Und natürlich erlangte die Veranstaltung durch die Anwesenheit der drei Präsidenten der Weltverbände für Behinderte Michele Visco, Präsident des ICSC (International Committee of Silent Chess), Ludwig Beutelhoff, Präsident des IBCA (International Braille Chess Association) und Zbigniew Pilimon, Präsident des IPCA (International Physically-Disabled Association) besondere Bedeutung", so die positive Einschätzung von Dr. Dirk Jordan.
Dresden 2011 hat jedenfalls überzeugend gezeigt, dass neue Ideen im Schach vor allem auch verlässliche Partner brauchen, die bereit sind, ein solches Projekt über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Und genau das haben die ehrgeizigen Veranstalter vom ZMDI Schachfestival e.V. nicht zuletzt dank der gelungenen Premiere für die Jahre 2013 und 2015 erreicht!
Berichte und die abschließenden Ergebnisse finden Sie im Internet unter www.wcgd.org.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 8462