22. Juni 2025
Finale der Deutschen Frauen-Mannschaftsmeisterschaft des DSB am heutigen Sonntag – das bedeutete nochmal Spannung pur. Am Ende hatte Württemberg trotz des Fehlstarts – der Niederlage in Unterzahl gegen Bayern in Runde eins - doch noch die Chance auf den Titelgewinn. Und nutzte sie gegen Nordrhein-Westfalen. Der bisher unbesiegte Tabellenführer zeigte im direkten Duell um den Turniersieg plötzlich Nerven, unterlag mit 3:5 - und fiel noch auf Rang drei zurück, hinter Bayern. Am Ende musste die Feinwertung den Ausschlag geben zwischen den drei Teams mit jeweils acht Mannschaftspunkten – und es war hauchzart. „Wir wussten, dass wir schon vor der letzten Runde in der Buchholzwertung einen Punkt vorne lagen“, sagte Württembergs Teamkapitänin Angelika Valkova: „So war uns klar, dass wir voll auf Sieg spielen würden. Wir sind jetzt natürlich überglücklich.“ Am Ende waren die drei Partien an den ersten Brettern ausschlaggebend, die allesamt an Württemberg gingen. Da nutzte es NRW auch nichts mehr, dass WCM Lilian Schirmbeck früh für NRW die Führung erspielt hatte. „So eine aufregende Konstellation hatten wir seit einigen Jahren nicht mehr“, sagte Turnierorganisator Sebastian Swoboda von den Schachfreunden Braunfels.
Bitter für NRW, dass letztlich nicht die Brettpunkte zur Wertung herangezogen wurden – sonst hätte es locker gereicht. Aber dieser Punkt wurde in der Turnierordnung schon vor einigen Jahren geändert, weil es (mit Blick auf mögliche Nichtantritte und 8:0-Siege) als fairer erachtet wurde, die Buchholzwertung heranzuziehen. Einerseits ist das korrekt. Andererseits fielen so starke Einzelleistungen in diesem Jahr nicht ins Gewicht wie es sonst der Fall gewesen wäre. Lilian Schirmbeck zum Beispiel, Geburtsjahr 2013 und WFM Helena Neumann, Jahrgang 2008, performten deutlich über ihren Elozahlen – und holten jeweils fünf Punkte für NRW. Die beiden Talente - Sinnbild für dieses Turnier. „Die Jugend wird immer mehr eingebunden bei der DFMM-LV“, sagte Sebastian Swoboda. Das Team NRW – ein Musterbeispiel. Gleich vier der acht Spielerinnen, betonte Teamchef Andreas Jagodzinsky, seien noch im Jugendbereich spielberechtigt: „Wir haben hier eine Mannschaft mit hervorragender Perspektive, alles sind sehr leistungsbereit.“ Angeführt durch WGM Carmen Voicu-Jagodzinsky, die als Landestrainerin des Schachbundes Nordrhein-Westfalen viele ihrer jungen Teamkolleginnen trainiert oder trainiert hat. Ganz Vorbild, holte auch sie vier Punkte. Zum Schluss konnte sie aufgrund ihrer Niederlage gegen WGM Hanna Marie Klek zwar auch das Abrutschen nicht verhindern, zeigte sich am Ende „sehr zufrieden mit der Leistung der ganzen Mannschaft“.
NRW agierte mit einem Teamgeist, der sich sehen lassen kann: Die Mannschaft unternahm viel gemeinsam. „Der Freizeiteffekt ist auch wichtig“, sagte Andreas Jagodzinsky. Man ging spazieren und gemeinsam Essen, man half sich bei der Vorbereitung. Aber auch Württemberg zeigte eine tolle Moral und Mannschaftsgeist. Diesen Fehlstart noch wettzumachen – dazu gehört schon was. Man könnte auch sagen: Am Ende siegte doch die Prise mehr Routine gegen den Sturm und Drang der Jugend – Württemberg, vornehmlich mit Akteurinnen Mitte, Ende Zwanzig. Angelika Vakova fand zwar aufgrund des unglücklichen Beginns den Erfolg „letztlich sehr überraschend“, betonte aber auch freudestrahlend: „Es fühlt sich sehr gut an, nach sechs Jahren mal wieder Deutscher Meister zu sein.“
Wenngleich Turnierdirektorin WFM Nadja Jussupow am Ende von der „tollen Mischung aus Jung und Alt“, vielen Talenten und vielen noch ehrgeizigen älteren Akteurinnen schwärmte, so ist der Trend zum Jugendstil aber doch deutlich sichtbar – und das schon seit einigen Jahren. Und natürlich passt auch das Team Württemberg mit seiner Altersstruktur noch in das Raster. „Vielen Gästen, die nicht Schach spielen ist dies vor Ort auch aufgefallen, dass so viele junge Frauen hier mitspielen“, sagte Swoboda. Das ist nicht erst seit diesem Jahr so, wird aber immer auffallender. Wann das begann, dass die Landesverbände den Mut hatten, mehr auf die Jugend zu setzen bei ihren Auswahlteams? Swoboda verwies auf Bayern: Die Mannschaft wurde zur Meisterschaft 2017 als Bayern II neu gemeldet - und holte damals, angeführt von Hanna Marie Klek, die Silbermedaille - als eine reine bayrische Jugendmannschaft. Seitdem wissen viele: Das funktioniert. WFM Diana Skibbe, von 2005 bis 2025 Präsidentin des Thüringer Schachbundes, berichtete, dass es von 2018 bis 2020 in Thüringen große Probleme gab, überhaupt eine Mannschaft zu stellen und man dreimal in Folge nicht teilnehmen konnte - doch auch dann fanden sich ausnahmslose junge Spielerinnen, die mit Diana Skibbe wieder nach Braunfels gekommen sind. Und auch das aktuelle Bayern-Team auf dem zweiten Rang hatte starke junge Spielerinnen in ihren Reihen: WFM Marharyta Khrapko holte viereinhalb Punkte - sie ist erst 26 Jahre alt. Elisabeth Reich, 16 Jahre, holte vier Zähler. Valentina Neumeier mit 15 und Laura Sophie Bauer (14 Jahre) sind sogar noch jünger. Aylin Albayrak war denn auch als Teamchefin begeistert von ihrem Ensemble: "Die haben das wirklich prima gemacht. Schade, dass es ganz knapp nicht für den ganz großen Wurf gereicht hat."
Und in diesem Jahr wimmelte es nur so vor jungen Gesichtern – was dazu beitrug, dass 14 reine Landesverbands-Teams (Ausnahme Saarland, die mit Gastspielerinnen auffüllten) am Start waren. Keine zweiten Mannschaften von den mitgliedsstärksten Verbänden, sondern echte Landesteams. „Das hat mich besonders gefreut“, sagte auch Jussupow. „Das erhöht den sportlichen Stellenwert“, betonte Jagodzinsky. Kurzum: „Diese Meisterschaft lebt und wächst mit diesem Zulauf junger Spielerinnen“, sagte Swoboda, der selbst knapp die Hälfte aller 31 Turniere in Braunfels als Organisationschef erlebt hat.
Auch diesmal war er wieder mit 16 Helferinnen und Helfern der Schachfreunde Braunfels (von denen die Hälfte quasi durcharbeitete) ein Garant für einen reibungslosen Ablauf. Braunfels-Vereinschef Swobobda, der übrigens am Abschlusstag seinen 44. Geburtstag feierte – wohlgemerkt, nachdem am frühen Abend das Turnier zu Ende ging und alles aufgeräumt war. „Das ist keine Bürde für mich“, sagte er noch, „ich mache es gerne.“ Erst ab 18 Uhr ließ er sich zurecht hochleben.
Für ein Turnier, das Andreas Jagodzinsky als „DFB-Pokal des Frauenschachs“ bezeichnete: „Das ist Tradition pur und Top-Organisation dank der Schachfreunde Braunfels. Der perfekte Ort“. Spricht Swoboda immer vom größten Frauenturnier hierzulande, nennt der Vizepräsident Leistungs- und Breitensport im geschäftsführenden Präsidium des Schachbund NRW es sogar „die wahrscheinlich beste Frauenschach-Veranstaltung Deutschlands“. So ganz ohne schmückendes Beiwerk, wie er betont. Jagodzinsky, das ist kein Geheimnis, würde auch gerne die Frauen-Bundesliga in einer alleinigen Endrunde ohne offene Bundesliga ausrichten. „In Braunfels steht nur das reine Frauenschach im Fokus“, sagt er, „das finde ich gut – ich würde mir nur mehr mediale Aufmerksamkeit wünschen.“ Auch noch mehr Livebilder. Das, betonte auch Swoboda, sehe er als einzigen Wermutstropfen: Es müsse wieder höhere Zuschüsse vom DSB geben, um mehr Bretter live übertragen zu können. „Da alles teurer wird, der Zuschuss aber noch nicht ausgestockt wurde seit die Sparmaßnahmen gegriffen haben, gab es hier leider einen Rückschritt – während ansonsten das Turnier in vielen Bereichen weiterentwickelt wurde.“ Der entsprechende Antrag von Jussupow liegt gerade beim Präsidium.
Nach dem Showdown ist übrigens vor Braunfels. Viele Spielerinnen buchten gleich wieder ihr Hotelzimmer für das kommende Jahr. Es ist halt wie beim DFB-Pokal: Man weiß frühzeitig, wann es stattfindet – ein Pluspunkt. „Es war wieder schön, man hat viele bekannte Gesichter gesehen und viele gute Gespräche geführt“, sagte Swoboda. Auf ein Wiedersehen am Fronleichnams-Wochenende 2026. (mw)
Hier noch ein kleiner Videotipp von Inna Valkova, die in Braunfelds nicht nur fotografiert, sondern auch gefilmt hat:
Pl. | Mannschaft | MP | Buch | BC | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Württemberg | 8 | 29 | 93,0 | 2s3½ | 7w4½ | 10s5½ | 8w5 | 3s5 |
2 | Bayern | 8 | 28 | 105,0 | 1w4½ | 8s3½ | 9w4½ | 6w5½ | 5w5½ |
3 | Nordrhein-Westfalen | 8 | 24 | 141,5 | 13w7 | 11s6½ | 8w8 | 5s6½ | 1w3 |
4 | Sachsen | 7 | 17 | 113,5 | 7s4 | 6w3 | 14s7 | 13w5 | 8s6½ |
5 | Hessen | 6 | 28 | 94,0 | 12w4½ | 9s5½ | 11w5 | 3w1½ | 2s2½ |
6 | Schleswig-Holstein | 6 | 25 | 83,0 | 9w2½ | 4s5 | 13w5 | 2s2½ | 11w5 |
7 | Baden | 5 | 23 | 107,0 | 4w4 | 1s3½ | 12w3 | 14s6 | 10s5½ |
8 | Berlin | 4 | 35 | 70,5 | 10s4½ | 2w4½ | 3s0 | 1s3 | 4w1½ |
9 | Thüringen | 4 | 26 | 91,0 | 6s5½ | 5w2½ | 2s3½ | 10w1½ | 13s6 |
10 | Niedersachsen | 4 | 25 | 91,0 | 8w3½ | 12s4½ | 1w2½ | 9s6½ | 7w2½ |
11 | Sachsen-Anhalt | 4 | 24 | 90,5 | 14s8 | 3w1½ | 5s3 | 12w5½ | 6s3 |
12 | Hamburg | 4 | 19 | 86,5 | 5s3½ | 10w3½ | 7s5 | 11s2½ | 14w6½ |
13 | Rheinland-Pfalz | 2 | 25 | 77,5 | 3s1 | 14w7 | 6s3 | 4s3 | 9w2 |
14 | Saarland und Freunde | 0 | 22 | 16,0 | 11w0 | 13s1 | 4w1 | 7w2 | 12s1½ |
BC = 3. Wertung Brettpunkte (BC)
Br. | Titel | Name | Elo | DWZ | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | Pkt. | Elo-Ø |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | WGM | Hanna Marie Klek | 2344 | 2354 | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | 4/5 | 2068 | |
2 | WFM | Zhuoling Li | 2169 | 2212 | 1 | 1 | 2/2 | 1980 | ||||
3 | WCM | Kelsie Josefine Finke | 2011 | 1975 | 1 | ½ | ½ | 1 | 1 | 4/5 | 1997 | |
4 | WIM | Galina Timofeeva | 2003 | 1994 | 0 | 0 | ½ | ½ | 0 | 1/5 | 1948 | |
5 | Angelika Valkova | 1985 | 2056 | ½ | ½ | 1 | 1 | ½ | 3½/5 | 1926 | ||
6 | Simona Gheng | 1981 | 2009 | 1 | ½ | 1 | 0 | ½ | 3/5 | 1904 | ||
7 | WFM | Diana Mirza | 1965 | 1958 | 1 | 1 | 2/2 | 2017 | ||||
9 | Leia Lederer | 1823 | 1791 | 0 | 1 | ½ | 0 | 1½/4 | 1816 | |||
10 | Stela Moldovan | 1711 | 1751 | ½ | 1 | 1 | 0 | 2½/4 | 1759 |
Br. | Titel | Name | Elo | DWZ | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | Pkt. | Elo-Ø |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | WFM | Marharyta Khrapko | 2152 | 2128 | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | 4½/5 | 2091 | |
2 | WFM | Olga Birkholz | 1967 | 1955 | 0 | ½ | ½ | 0 | 1/4 | 1984 | ||
3 | Berrak Albayrak | 1881 | 1929 | 1 | 0 | ½ | 1 | 1 | 3½/5 | 1981 | ||
4 | Laura Sophie Bauer | 1979 | 1935 | ½ | 0 | ½ | 0 | ½ | 1½/5 | 1967 | ||
5 | Nese Pinar Albayrak | 1835 | 1812 | 0 | ½ | 0 | ½ | 1 | 2/5 | 1931 | ||
6 | Elisabeth Reich | 1830 | 1879 | 1 | ½ | ½ | 1 | 1 | 4/5 | 1866 | ||
7 | Valentina Neumeier | 1775 | 1763 | ½ | 1 | ½ | 1 | ½ | 3½/5 | 1805 | ||
8 | Emily Alferova | 1767 | 1735 | + | 0 | 1 | 1 | ½ | 3½/5 | 1784 | ||
9 | Aylin Albayrak | 1722 | 1644 | 0 | 0/1 | 1657 |
Br. | Titel | Name | Elo | DWZ | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | Pkt. | Elo-Ø |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | WGM | Carmen Voicu-Jagodzinsky | 2217 | 2222 | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 4/5 | 2083 | |
2 | WIM | Alessia-Mihaela Ciolacu | 2031 | 2073 | 1 | ½ | 1 | ½ | 0 | 3/5 | 2018 | |
3 | WFM | Michelle Trunz | 2061 | 2062 | 1 | 1 | 1 | 1 | 0 | 4/5 | 1967 | |
4 | WFM | Helena Neumann | 2017 | 2011 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 5/5 | 1953 | |
5 | Tamila Trunz | 2053 | 2006 | 1 | 0 | 1 | 1 | ½ | 3½/5 | 1948 | ||
6 | WIM | Olena Hess | 2054 | 2065 | ½ | 1 | 1 | ½ | ½ | 3½/5 | 1843 | |
7 | WFM | Dr. Elena Trunz | 2104 | 2061 | ½ | 1 | 1 | ½ | 0 | 3/5 | 1874 | |
8 | WCM | Lilian Schirmbeck | 1712 | 1907 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 5/5 | 1682 |
// Archiv: DSB-Nachrichten - Frauenschach // ID 11614