18. Juni 2025
Nun also zum 31. Mal Braunfels. WFM Nadja Jussupow, Turnierdirektorin und Hauptschiedsrichterin (unterstützt von Dan-Peter Poetke) der Deutschen Frauen-Mannschaftsmeisterschaft der Landesverbände (DFMM-LV) ist so viel Routine fast schon zu viel - sie sieht halt gerne mal was Neues. „Aber meine Meinung ist hier nicht wichtig“, sagt Jussupow, „die hohe Beteiligung spricht für sich. Die Frauen wollen alle hierher, die lieben diesen Ort – und das ist doch schön.“
Ab dem morgigen Donnerstag küren Frauenmannschaften aus allen Bundesländern die Deutschen Meisterinnen aus dem besten Landesverband – und alle fühlen sich wohl im romantischen Luftkurort, im mittelhessischen Lahn-Dill-Kreis. 11.000 Einwohner, ein hübscher Fachwerk-Altstadtkern - und natürlich das Schloss, das seit dem 13. Jahrhundert Sitz der Grafen von Solms ist. Dort, wo im vergangenen Jahr der Film „Max und die wilde 7 – die Geisteroma“ gedreht wurde. Mit Uschi Glas. Die Schauspielerin hat sich auch schon für die Münchner Schachstiftung engagiert. Aber das ist ein anderes Thema.
Braunfels – das ist in jedem Jahr eine Art Familientreffen. Deutschlands größtes Frauenschach-Turnier. „Jung, Alt, sogar stillende Mütter haben hier letztes Jahr gespielt“, sagt Jussupow begeistert. Die Frauenschach-Referentin des DSB setzte sich heute voller Vorfreude ins Auto, um gen Hessen zu fahren. „Das ist nicht nur ein Turnier, das ist die Kontaktbörse für schachspielende Frauen“, sagt sie. 143 Spielerinnen sind dabei, 14 vollzählige Teams – nur Bremen und Mecklenburg-Vorpommern hätten kein Interesse gezeigt, so Jussupow. Das sei schade, denn: Selbst, wenn es an genügend Spielerinnen fehle, gäbe es Lösungsmöglichkeiten. Jussupow nennt das Beispiel Saarland, das mit Gastspielerinnen aus anderen Ländern anreist.
"Wer nicht dabei ist, der verpasst was", sagt Jussupow. Die Schachfreunde Braunfels und ihr langjähriger Vorsitzender Sebastian Swoboda als Förderer dieses Turniers seien einfach prima Gastgeber für den traditionellen Austausch an den Brettern im Europasaal (Haus des Gastes) – und daneben. Zeit für den Plausch bleibt genug, der Terminplan ist mit nur einer Doppelrunde nicht stressig. Manche schnallen die Wanderstiefel unter, andere genießen die vorzögliche örtliche Gastronomie und Hotellerie, die sich auch auf das Traditionsturnier eingestellt hat. Am Samstag sorgt ein gemeinsamer Abend mit Blitzturnier für Abwechslung.
Es werden fünf Runden Schweizer System bei einer Bedenkzeit von 90 Minuten für 40 Züge und 30 Minuten für den Rest der Partie sowie einem Inkrement von 30 Sekunden pro Zug ab dem ersten Zug gespielt. Württemberg, mit Nationalspielerin WGM Hanna Marie Klek ist die laut Elo-Zahlen (2344) stärkste Spielerin und sitzt für Württemberg an Brett eins. Im letzten Jahr ging sie noch für Turniersieger Bayern an den Start. "Braunfels - da muss man einfach dabei sein", sagt Klek: "Das macht Spaß." So ist Württemberg mit einem Eloschnitt von 2050 an Nummer eins gesetzt, vor NRW (2031, mit WGM Carmen Voicu-Jagodzinsky) und Schleswig-Holstein (2011, mit WFM Lisa Sickmann und WFM Katerina Bräutigam).
Es wird am Donnerstag (15 Uhr), Samstag (10.30 Uhr) und Sonntag (9.30 Uhr) täglich eine Partie geben, am Freitag (9.30 und 16 Uhr) eine Doppelrunde. Genug Zeit also für all das, was auch noch wichtig ist am Rande eines solchen Turniers, in erster Linie: Networking. Schon in Willingen, bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften, habe sie über ihre beliebte Mütterschach-Veranstaltungen eine neue Mailgruppe erzählt, so Jussupow: „Ich höre immer wieder, dass der Informationsfluss im Frauenschach an manchen Orten gar nicht funktioniert. Die Frauen sind überfordert, wo sie wann konkreter Unterstützung bekommen oder einfach nur Turniere spielen können.“ In Braunfels treffen sich auch die Frauenschach-Referenten und -Referentinnen der Landesverbände zum Austausch. Kernthema: „Was können wir besser machen, damit mehr Mädchen und Frauen Schach spielen?“
Jussupow ist nicht Teil des gemeinsamen Projektes von DSB und DSJ zur Förderung des Mädchen- und Frauenschach. ist aber grundsätzlich mit dabei, das große Ganze zu fördern. „Also werden auch wir versuchen, Projekte anzustoßen“, sagt Jussupow: „Die Entwicklung des Frauenschachs ist ja schließlich die satzungemäße Aufgabe der Referate.“ Erste Vorstellungen dazu formulierte sie im Rahmen des Bundeskongresses – und Teil eins, „Mütter ans Schachbrett“ startete ja bereits. Weitere Projekte sind nun: „Mütter in den Schachverein“, da es besonders schwierig sei, Frauen neu für den Schachsport zu gewinnen. Außerdem die Ausschreibung eines jährlichen Wettbewerbs „Frauenverein des Jahres“ und „Onlinetraining für Mädchen“ mit Nationalspielerinnen. „Ich habe noch viele weitere Ideen“, sagt Jussupow, sie wolle Frauen in Altersheimen oder auch Behinderteneinrichtungen fürs Schachspiel begeistern. „Wir werden gemeinsam ausloten, was machbar ist. Diese Gespräche zur Entwicklung des Frauenschachs sind für manch einen in Braunfels noch wichtiger als gewonnen Partien oder der Titel am Ende.“ (mw)
Nr. | Mannschaft | Elo-Ø | Kapitän | Top-Spielerinnen |
---|---|---|---|---|
1 | Württemberg | 2050 | Angelika Valkova | WGM Hanna Marie Klek (2344, Deutsche Meisterin 2013), WFM Zhuoling Li (2169) |
2 | Nordrhein-Westfalen | 2031 | - | WGM Carmen Voicu-Jagodzinsky (2217, Deutsche Meisterin 2020), WFM Elena Trunz (2104) |
3 | Schleswig-Holstein | 2011 | Wolfgang Krüger | WFM Lisa Sickmann (1974, DFEM-Meisterklasse 2025 Platz 10) WIM Luba Kopylov (1999, Deutsche Meisterin 2007) |
4 | Sachsen | 1995 | Dr. Anita Just | WIM Anne Czäczine (2204) |
5 | Berlin | 1985 | Sibylle Guder | WIM Magdalena Kozak (2176), CM Alina Rath (2019, Deutsche Blitzmeisterin 2010) |
6 | Hessen | 1967 | Franziska Blaschke | |
7 | Sachsen-Anhalt | 1920 | Heike Goldmund | |
8 | Baden | 1920 | Lena Kühnel | WCM Marharyta Novikova (1974, Deutsche Blitzmeisterin 2024) |
9 | Bayern | 1898 | - | WFM Marharyta Khrapko (2152) |
10 | Rheinland-Pfalz | 1869 | Dr. Sanja Perovic-Ottstadt | |
11 | Niedersachsen | 1868 | Germaine Kickert | |
12 | Hamburg | 1866 | Jay Kneipp | |
13 | Thüringen | 1844 | Mareike Dietrich | |
14 | Saarland und Freunde | 1786 | Elke Zimmer | WFM Heike Vogel (2097, Deutsche Blitzmeisterin 2009, Deutsche Schnellschachmeisterin 2003) |
// Archiv: DSB-Nachrichten - Frauenschach // ID 11610