17. September 2025
Die Frauen-Bundesliga startet am kommenden Wochenende. Mit einem Großaufgebot an Top-Spielerinnen. Die OSG Baden-Baden hat das Verpassen des Titels im vergangenen Jahr offenbar so gewurmt, dass sie gleich mit vier Großmeisterinnen antritt. Auch der Schachklub Schwäbisch Hall, alles andere als zufrieden mit Rang drei in der letzten Saison (schlechteste Platzierung seit 2014) hat wieder ein Top-Ensemble beisammen - wenngleich man deutsche Spitzenspielerinnen hier vergeblich sucht. Es gibt erneut ein georgisches Spielerinnen-Gerüst. Und natürlich ist da auch noch der Titelverteidiger SC Bad Königshofen, immer für eine Überraschung gut. Aber im Schatten dieser prominent besetzten Teams ist diese neue Frauen-Bundesliga trotz des Abstieges des SZ Seeblick Dippoldiswalde mit Familie Peglau auch - eine Familie-Liga. Das Team Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Schach-Bundes hat sich drei familiäre Konstellationen genauer angesehen. Wir legen los mit einer Story über den Chemnitzer SC Aufbau 95. Der absolute Außenseiter. Nimmt man die besten acht gemeldeten Spielerinnen, ergibt sich ein Elo-Schnitt von 1958 – nominell letzter Platz. Zum Vergleich: Baden-Baden kommt auf 2449 Elo, Schwäbisch Hall auf 2408. Wie heißt es oft so schön phrasenhaft im Sport: Chemnitz hat keine Chance – und genau die wollen sie nutzen.
Wer die Webseite des CSC Aufbau besucht, der stellt schnell fest: Dieser Verein hat richtig Puls. Der lebt, liebt und leidet Schach. Unter den vielen aktuellen Meldungen findet sich auch eine aus dem August: Die fast durchweg junge Frauenmannschaft feierte noch einmal den Aufstieg in die Bundesliga, mit neuem Outfit – und am Tisch beim Grillfest saß auch GM Elisabeth Pähtz, die erfolgreichste deutsche Spielerin. Sie hat es sich nicht nehmen lassen, am Tag vor einer Simultanveranstaltung mehrere Stunden bei den Chemnitzerinnen zu verbringen. „Es war richtig schön mit Elisabeth“, sagt WIM Dr. Anne Czäczine, die Mannschaftsführerin, im Gespräch mit Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit. „sie hat sich richtig viel Zeit für uns genommen.“ Am nächsten Tag gab es auch noch ein Simultan mit Pähtz. Anne Czäczine startet in der kommenden Saison mit ihren beiden Töchtern Paula Czäczine und Laura Czäczine in der Bundesliga. Die beiden Talente sind auch schon voller Vorfreude: „Bald schon ist es nicht mehr nur ein Grillfest oder ein Simultanduell - dann spielen wir gegen Elisabeth Pähtz und andere Top-Spielerinnen in einer gemeinsamen Liga. Das wird ein Highlight.“ Und weil Elisabeth Pähtz sich auch sehr wohl gefühlt hat in Sachsen, sagt sie: „Natürlich drücke ich den Mädels aus Chemnitz die Daumen, dass sie den Klassenerhalt schaffen.“
Das wird nicht leicht, so viel ist klar für den CSC Aufbau, dessen weibliches U16-Team in diesem Jahr deutscher Vereinsmeister wurde. Von der Stadt Chemnitz wurde dieser Tage der "Sports United Award" verliehen - um die Leistung des Vereins zu würdigen. Noch eine kleine Motivationsspritze für die Bundesliga, in der die Chemnitzerinnen natürlich krasser Außenseiter sind. „Aber“, betont auch Bundesnachwuchstrainer IM Bernd Vökler, „ich sehe in Chemnitz eine super engagierte Mutter und hochtalentierte Töchter. Da ist viel Potenzial.“ Und vor allem auch: Vorfreude, die Berge versetzen kann. Zum Start geht es gegen die Rodewischer Schachmiezen (Samstag) und gegen den amtierenden Meister SC Bad Königshofen (Sonntag). Die Devise, laut Dr. Anne Czäczine, die gemeinsam mit ihrer Mutter Anett eine Arztpraxis betreibt: „Wir wollen richtig gute Partien zeigen – und vielleicht dem ein oder anderen großen Namen ein Bein stellen.“
Nein, es gehe nicht darum, mit aller Gewalt die Klasse zu halten, sondern dem ganzen Verein eine große Freude zu machen. „Was wir hier haben“, sagt Anne Czäczine im Gespräch mit Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit, „bei uns ist ja im Grunde alles aus dem eigenen Nachwuchs gewachsen. Und deshalb würde es auch gar nicht zu uns passen, wenn wir teure Stars einkaufen würden. Das sollen gerne die machen, die finanzstärker sind und alles professioneller aufziehen.“ Zur Not werde es eben nur ein schönes, lehrreiches Jahr. „Damit muss man ja realistisch rechnen“, sagte Anne Czäczine, die das erste Brett besetzen wird, „es geht darum gutes Schach zu spielen, sich gut zu verkaufen, Spaß haben. Ich denke, die Mädchen werden dadurch noch mehr zu einer Gruppe zusammenwachsen.“ Klingt simpel und entspannt als Erfolgsrezept für die Truppe aus Freundinnen, die alle aus der Region kommen.
Vier Familien schmeißen im Grunde den Laden mit 83 Mitgliedern, darunter einem für den DSB-Bereich hohen Frauen- und Mädchenanteil von über 20 Prozent. Aber auch der männliche Nachwuchs wächst und gedeiht. Mehr als die Hälfte der Mitglieder sind Jugendliche – mit angeschlossener Elternschaft. Entsprechend familiär geht es zu, wobei sich der Verein immer wieder an große Turniere wagt – in diesem Jahr ist Chemnitz Europas Kulturhauptstadt, im Nachklapp ist da für 2026 noch ein internationales Frauenturnier geplant. In diesem Jahr war es schlicht zu kurzfristig – aber das Turnier soll einmal mehr ein Gemeinschaftswerk werden. „Es ist schön, dass hier im Verein alles auf mehrere Schultern verteilt ist“, sagt Anne Czäczine. Das gilt auch für die Bundesliga. Die rund 6000 bis 7000 Euro, die voraussichtlich für Reise- und Übernachtungskosten für die Bundesliga anfallen – nach Ansicht aller Klubmitglieder gut investiert
Die Bundesliga wird ein Abenteuer für das Team mit einem Altersdurchschnitt von etwa 25 Jahren. Der Vater der 14jährigen Paula Czäczine und der 17jährigen Laura Czäczine, FM Norman Thielsch, ein 2300-Elo-Spieler, ist der Trainer der Mannschaft. Paula ist übrigens auch dreifache deutsche Jugendmeisterin. „Die Kleine wurde immer ein bisschen mitgezogen“, sagt Anne Czäczine, die zwei Mal pro Woche im Verein auch das Jugendtraining leitet, „aber auch sie hat früh eigenen Ehrgeiz entwickelt.“ Bald schon, mutmaßt Mama Anne (2130 Elo) werde eine ihrer Töchter sie in der Elo-Wertung überholen. Aktuell steuern beide auf die 2000er-Elo-Grenze zu. „Natürlich wünscht man sich, dass beide einmal besser werden als ich“, sagt die 40-Jährige und lacht, „und ich baue ja auch schon langsam ab.“ Aber aktuell ist die Mama noch die Nummer eins – und hat auch als einzige Bundesliga-Erfahrung im Kader. Sie spielte einst für den SK Großlehna in Liga eins.
Die Medizinerin holte in der Aufstiegssaison sechs Punkte aus sieben Partien, Paula sogar stolze 6,5 Punkte und Laura auch stolze vier Zähler aus vier Partien. "Unsere Aufstiegsgarantinnen", sagte die stolze Mutti Anne, „ohne die Mädchen hätten wir es nicht geschafft. Und jetzt ernten sie den Lohn.“ An den letzten beiden Spieltagen gab es Siege gegen SG Leipzig und SC Leipzig-Lindenau - und plötzlich war man in der Bundesliga. Dabei habe man nach dem Aufstieg vergangenes Jahr in diesem Jahr eigentlich nur die zweite Liga halten wollen. „Jetzt sind wir aber erstklassig - und wollen auch was draus machen“, sagt Anne Czäczine: „Die Bundesliga wird die Mädchen noch stärker machen.“ (mw)
Und morgen, Teil zwei unserer dreiteiligen Serie: Eine Oma, eine Mama und zwei ehrgeizige Töchter
| Br. | Titel | Spielerin | Land | Elo | DWZ |
|---|---|---|---|---|---|
| 1 | WIM | Anne Czäczine | 2130 | 2119 | |
| 2 | Elina Heutling (G) | 1993 | 1995 | ||
| 3 | Margarethe Wagner (G) | 1981 | 2003 | ||
| 4 | Paula Czäczine | 1906 | 1905 | ||
| 5 | WIM | Kerstin Kunze (G) | 1998 | 1984 | |
| 6 | Laura Czäczine | 1840 | 1793 | ||
| 7 | Kathrin Brand | 1891 | 1776 | ||
| 8 | Romy Kaden | 1928 | 1746 | ||
| 9 | Becky Brewig | 1703 | 1721 | ||
| 10 | Marie Ottlik (G) | 1693 | 1649 | ||
| 11 | Susann Krentz | 1834 | 1693 | ||
| 12 | Bea Josephine Brewig | 1599 | 1580 | ||
| 13 | Annabel Ziegler | 1609 | 1370 |
(G) = Gastspielerin
// Archiv: DSB-Nachrichten - Frauenschach // ID 36785