16. Januar 2025
119 aus 139 – das wäre für jeden Schachspieler eine Bilanz, die sie sehen lassen kann. Im Fall von Frank Stolzenwald geht es hier nicht um Partien, sondern um Turnierteilnahmen. Umso beeindruckender: 119 von 139 Qualifikationsturnieren der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft hat er mitgespielt. Der 55-Jährige aus Ahrensburg bei Hamburg ist damit der Rekordhalter der DSAM. Einer mit einer dieser ganz besonderen Geschichten, die nur die DSAM schreibt.
Da sitzt er nun, beim Gespräch mit Matthias Wolf und Levian Raschke vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit, in seiner FC-Bayern-Jacke. Bayern? Fußballfan? „Nee, Fußball ist nicht so mein Ding. Die Jacke trage ich nur, weil ich sie geschenkt bekommen haben – und ich schmeiße nix weg.“ Und da sind wir schon beim Thema. Frank Stolzenwald hat nicht viel Geld. Er lebt von seiner Erwerbsminderungsrente und Grundsicherung. Mit 16 ging er von der Schule ab, arbeitete fortan bei McDonald`s. Die DSAM-Teilnahmegebühren spart er sich regelrecht vom Munde ab. „Aber hier dabei zu sein ist mir wichtig“, sagt er, „wenn ich zu Turnierbeginn gleich bekannte Gesichter sehe und ins Gespräch komme, dann bekomme ich sofort die Energie für das Turnier.“ Überhaupt liebe er an der DSAM, „dass einen keiner komisch anguckt. Man spielt einfach mit, wie alle anderen auch“. Und abends sieht man ihn auch oft im Kreise anderer Spieler, bei netten Gesprächen.
Ansonsten, und das sagt er in einem Nebensatz, „wissen hier ja viele, dass ich Sammler bin. Ich sitze ja auch oft am Bahnhof“. Was er damit meint: Er sammelt Flaschenpfand. Und bei der DSAM trägt er viel von seinem Hab und Gut in mehreren Tüten mit sich herum. „Ein Hotel kann ich mir nicht immer leisten“, sagt er. Dann wird draußen übernachtet, oftmals ungeachtet der Kälte – auch das nimmt er auf sich, um bei der DSAM dabei zu sein. „Irgendwo finde ich auch immer eine Dusche.“ Eine feste Bleibe hat er in Hamburg. „Aber nur kaltes Wasser.“ Er hat sich arrangiert mit einem spartanischen Leben, in dem er nicht viel braucht um zufrieden zu sein. „Ich habe mich angepasst. Es ist halt nicht mehr möglich mit wenig Geld.“ Mit dem Deutschlandticket kommt er überall hin. „Wenn ich so hochrechne, bin ich ein Vierteljahr auf Achse.“
Der Minimalismus passt zu seinem Hobby. Der Vater Karl-Heinz brachte ihm einst Schach bei. Fragt man ihn heute, warum er dieses Spiel so liebt, sagt Frank Stolzenwald: „Es braucht wenig Mittel, um Schach zu spielen. Ein Brett, eine Uhr, ein Spiellokal“, dann lächelt er: „Und am besten eine freundschaftliche Atmosphäre wie hier bei der DSAM.“ Er liebe diese Turnierserie, weil die Gruppen nach Elo-Zahl eingeteilt werden – und man damit Duelle auf Augenhöhe erlebe. Mit seinen 1603 Elopunkten landet er meist in der Gruppe E oder F. Einmal, erzählt er stolz, habe er achtmal hintereinander einen Pokal gewonnen. Wer die Bildergalerie der DSAM von Ingrid Schulz nach ihm durchsucht, der sieht ihn oft im bunten Outfit, gerne auch mit Hut. Manchmal flippig, immer gut gelaunt. Solche Typen braucht die DSAM, dieses so herrlich bunte und inklusive Turnier.
An eine DSAM-Anekdote erinnert er sich besonders gerne, mit einem „wohligem Gefühl“, wie Frank Stolzenwald sagt: Bei der DSAM 2014/15 in Aalen, gewann er die erste und zweite Runde am Freitag und traf dann abends vor einer Musikbar einen netten Menschen, der ihn zu zwei Übernachtungen einlud. Das DSAM-Hotel war aber ausgebucht. „Wir fanden das nächste Hotel im Ort, Fußweg zum Event-Hotel eine Stunde“, so Frank Stolzenwald, „am nächsten Morgen wache ich exakt zum Spielbeginn um 9 Uhr auf – zu spät, um das noch zu schaffen, weshalb ich erstmal kräftig frühstücken ging. Am Nachmittag erfuhr ich dann, dass das Orga-Team den Beginn der dritten Runde sogar extra für mich verzögert hatte, weil ich am ersten Brett gespielt hätte.“ So verlor er aber kampflos – und wurde letztlich nur Vierter statt Turnier-Sieger. Aber auch dieser Vorgang, so Stolzenwald, zeige die menschliche Seite der DSAM. Und das gleich doppelt.
Schach, das ist sein Leben. „Zeitweise sei er in vier Vereinen gleichzeitig Mitglied gewesen – das sicherte viele Spielabende und Mannschaftskämpfe. Insgesamt, erzählt Frank Stolzenwald von den Schachfreunden Hamburg, habe er bereits 475 Turniere gespielt, „aber die schönsten sind die bei der DSAM“. Am kommenden Wochenende (17. bis 19. Januar) spielt er natürlich auch in Ingolstadt mit. Es wird ein besonderes Turnier, weil der 80-Jährige Karl-Heinz Stolzenwald ebenfalls dabei ist. Seinen Papa besuchte Frank Stolzenwald bereits einige Tage vorher in Bad Wörrishofen – und dann spendierte der Vater auch ein Hotelzimmer in Ingolstadt. (mw)
Der Link zum DSAM-Turnier in Ingolstadt
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