16. Juli 2025
Auch als Ehepaar muss man ja nicht immer einer Meinung sein. „Früher“, sagt also Thomas, 71 Jahre alt, „war alles ein bisschen familiärer.“ Die Masse der Spieler bringe viele neue Gesichter mit sich, das störe ihn ein wenig. Seine Gattin Marina, 65 Jahre alt, sagt hingegen: „Ach, ich gehe ein bisschen mehr auf die Menschen zu als Thomas, liegt bestimmt an meinem Beruf, lerne auch gerne neue Leute kennen – ich finde es immer noch sehr familiär.“ Gestattet, die Bertrams aus Bad Lausick in Sachsen! Die ehemalige Masseurin und der ehemalige Elektriker. Marina Bertram & Thomas Bertram - bei der DSAM immer leicht daran zu erkennen, dass sie im Partner-Look antreten. Mal in orange, mal in Grün, mal in Blau – und hinten auf dem Shirt mit ihrem aufgedruckten Namen. Den beiden ist es gelungen, alle sieben Vorrunden-Turniere der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft zu spielen – bei der das große Finale von Donnerstag bis Samstag in Bad Wildungen stattfindet.
In einem sind sich die zwei fleißigen Turnierfahrer (mit rund 15 Teilnahmen pro Jahr) einig: „Das Schönste unter allen Turnieren ist die DSAM.“ Und warum das so ist, weiß Thomas Bertram auch: „Man spielt nicht gegen ganz starke und nicht gegen ganz schwache Gegner - sondern nur gegen gleichstarke. Der Jojo-Effekt anderer Turniere, mit sehr großen Stärkedifferenzen, existiert nicht. Das ist der entscheidende Vorteil dieses Formates.“ Ein Erfolgsformat, das jetzt auf die Zielgeraden geht.
Keine Partie zu lang, kein Gegner zu schwer, kein Weg zu weit. „In unserem Alter“, sagt Thomas Bertram, „ist Schach unser liebster Lebensinhalt.“ Es geht nicht mehr vornehmlich ums Gewinnen, sondern „am Brett alles zu geben und schöne Partien zu erleben“. Die beiden reisen tatsächlich immer mit einer besonderen Prämisse an: locker bleiben. „Ich bleibe in der Partie immer ganz ruhig“, sagt Thomas Bertram, „und kann mich nur wundern über die Leute, die nach einer halben Stunde an meinem Brett vorbeilaufen und über ihre Fehler schimpfen, weil sie gerade gefühlt acht Elo-Punkte eingebüßt haben.“ Er selbst habe auch keine Lust auf Betonmischer-Stellungen, „wenn man mühsam versucht, das Loch in der Stellung zu finden“, so Bertram: „Ich opfere auch gerne mal die Dame gegen zwei Springer und freue mich, wenn der Plan aufgeht und ich trotzdem gewinne.“ Und wenn nicht? „Dann ist es halt so. Hauptsache, Spaß gehabt.“
Marina Bertram geht noch einen Schritt weiter, vor allem, wenn sie gegen Kinder antritt. Wenn sie feststelle, dass bei der DSAM ein Kind von einem ehrgeizigen Elternteil begleitet werde, habe sie die Antennen auf Empfang: „Dann frage ich auch mal: Was brauchst Du, damit Dein Papa zufrieden ist? Ein Remis? Okay, machen wir.“ Sie habe auch schon öfters absichtlich verloren. „Wenn sich so eine kleine Spielerin oder ein kleiner Spieler über das Erfolgserlebnis freut, gibt mir das oft mehr als ein eigener Sieg. Dann freut mich das. Ich bin eben die gute Schach-Oma – meine DWZ ist mir egal.“ Thomas sagt: "Das hat sie bei unserem Kleinsten Zuhause am Anfang auch gemacht. Ich würde das nicht tun - aber sie ist halt so herzensgut."
Dem vollen Ehrgeiz frönen, das können sie ja immer noch bei Seniorenmeisterschaften – oder wenn es im Verein um die Wurst geht. Nachdem ihr eigener Verein in Bad Lausick, bei dem sie auch im Vorstand aktiv waren, den Mitgliederschwund leider nicht überlebt hat, spielen sie mittlerweile beim SV 1919 Grimma.
Ein Paar sind sie jetzt seit 47 Jahren. 2028 wird die Goldene Hochzeit gefeiert. Den Goldenen Springer der DSAM für mehr als 50 Teilnahmen haben sie schon. Zwei Menschen, die die DSAM zu dem machen, was sie ist: eine ganz besondere Meisterschaft. (mw)
// Archiv: DSB-Nachrichten - Breitenschach // ID 36727