6. Januar 2025
Auf der Bühne standen drei große, silberne Zahlen aus Pappe. Eine Sieben und zwei Mal die Null. 700! Ein Symbolbild. Die magische Schallmauer ist durchbrochen. „Schon wieder ein neuer Rekord!“ rief Sandra Schmidt – und blickte nach dem traditionellen Auftakt mit „One Night in Bangkok“ selbst beeindruckt in den Saal des Kongresshotels in Potsdam, bevor die DSAM-Organisationschefin das Qualifikationsturnier zur Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft eröffnete: „Willkommen in der Hauptstadt Brandenburgs - und an diesem Wochenende wohl auch der Schach-Hauptstadt Deutschlands.“ 743 Spielerinnen und Spieler – so viele wie noch nie, waren in Potsdam am Start.
„Ich bin richtig baff“ betonte auch GM Robert Rabiega, „ich war vor drei Jahren hier, da war es hier schon voll – jetzt aber ist es ja richtig voll“, sagte der Berliner Gast-Großmeister, der selbst bei den vielen Analysen-Wünschen den großen Andrang zu spüren bekam. Bis zu 50 Partien analysierte er pro Tag – die Warteschlange war zeitweise lang. Rabiega löste das auf seine Art: mit Geduld – und klarer Ansprache. Zehn Minuten nahm er sich im Schnitt Zeit pro Partie, manchmal war das allerdings nicht zu schaffen. „Fast alle, die ich hier erlebe, spielen nach der zweiten oder dritten Runde schlechter“, erklärt er und fügte hinzu: „Jugendliche sind fast immer unterbewertet.“ Tatsächlich siegten viele Talente mit niedriger Elo-Zahl gegen vermeintlich Stärkere, die aber schlicht nur schon mehr Jahre Zeit hatten, ordentlich Elopunkte zu sammeln. Rabiega mischte seine oftmals schonungslosen Analysen („Also den Zug darf man so gar nicht machen“) mit spannenden Anekdoten und historischen Einblicken in die Welt des Schachs.
Zurück zum Turnier: Die DSAM schreibt eine Rekord- und Erfolgsgeschichte nach der anderen. Die Zahlen - ein großer Erfolg „für ein fantastisches Team“, wie Sandra Schmidt betonte. Zum Team gehört auch nach wie vor, in den Gedanken aller, der leider viel zu früh verstorbene Gregor Johann – an den ein großes Bild im Organisationsraum der DSAM erinnert. Das betonte auch Michael Fuhr, der zu einer kurzen Gedenkminute für Gregor Johann aufrief. Fuhr, Präsident des Landesschachverbandes Brandenburg, spielte selbst mit – und stellte wieder sehr viele Helfer in Potsdam.
Apropos Helferinnen und Helfer: Es war ein Turnier, das trotz der vielen Teilnehmer wie am Schnürchen lief. Die regionale Märkische Allgemeine Zeitung nannte das Mammut-Turnier, für das bereits Mitte Dezember ein Anmeldestopp ausgerufen werden musste, „einen positiven Wirtschaftsfaktor“ für die Region und fand auch insgesamt eine sehr schöne Beschreibung für das, was an den Brettern am Templiner See stattfand: „Die Duelle in der Stille sind ein angenehm antiquierter Gegenentwurf zur digitalen Spielewelt. Gegen die grellbunten, lauten Computer-Games wirkt die Veranstaltung wie Schwarz-Weiß-Fernsehen, bei dem die Handlung entscheidend ist und nicht die Spezialeffekte. Die einzigen Special-Effects sind hin und wieder ein klappernder Schuh-Absatz und eine Traube blau-weißer Luftballons oben auf der Bühne – dort stehen außerdem mehrere Kartons mit Gratis-Äpfeln für die Teilnehmenden. Diese Mischung zieht offenbar wie ein Magnet die Spieler an.“
Sehr zur Freude auch von Katrin Wesarg, Director Operations des Kongresshotels: „Mir geht das Herz auf, wenn ich in den großen Kongresssaal schaue – ein Wahnsinn, wie voll es hier ist“, sagte sie, „das ist eine unserer größten Veranstaltungen.“ Viele Gäste würden gleich fünf Tage übernachten – und nutzen natürlich auch die vielen Freizeitangebote in der Region. In Potsdam, wo die DSAM zum sechsten Mal ihre Zelte aufschlug, waren es neben dem harten Kern, der einfach immer dabei ist, auch viele Akteure der regionalen Vereine aus Brandenburg, Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Für alle gab es zum Jahresstart Glückskekse – und viele gute Gespräche. „Du kommst hierher und triffst gleich Freunde – das gibt Dir eine ganz besondere Energie fürs Schachspiel“, sagte zum Beispiel Frank Stolzenwald. Unglaublich, aber wahr: Der 55-Jährige spielte in Potsdam sein 119. DSAM-Qualifikationsturnier.
Potsdam, so formulierte es der DSB-Vizepräsident Sport, der auch als Schiedsrichter bei dem Turnier agierte, sei ein Beweis dafür, „welch hochwertiges Produkt die DSAM geworden ist“, so Professor Jürgen Klüners: „Natürlich profitieren wir im Gegensatz zu anderen guten Turnieren davon, dass wir hier deutsche Meistertitel vergeben können – aber vor allem entscheidend ist die tolle Atmosphäre.“ Viele Spieler würden sich auch darüber freuen, dass die DSAM ausschließlich in sehr schönen Hotels stattfinde. So wurde es wieder ein buntes, diverses Turnier – mit Martin Trifonov und Polly Dobberstein (beide sechs Jahre alt) als jüngste Teilnehmer – und Egon Raitza (90 Jahre alt) als Veteran im Teilnehmerfeld. Auch das, in gewisser Weise: Rekordzahlen. Die übrigens auf der nächsten Station keinesfalls getoppt werden: Eine eher seltene Meldung von der DSAM: In Ingolstadt, wo die Serie vom 17. bis 19. Januar zum ersten Mal gastiert, gibt es tatsächlich noch: freie Plätze. (mw)
Die Endplatzierungen in Potsdam:
Gruppe A:
Gruppe B:
Gruppe C:
Gruppe D:
Gruppe E:
Gruppe F:
Gruppe G:
// Archiv: DSB-Nachrichten - Breitenschach // ID 36255