26. Mai 2025
Schach und seine besonderen Geschichten – bei der Deutschen Amateurmeisterschaft. Der älteste Teilnehmer war der 90-jährige Egon Raitza, die jüngste Spielerin Thea Jöhnke mit sechs Jahren. Aber dahinter steckt noch eine ganz ander Geschichte in Travemünde - von einem späten Liebesglück.
Der Reihe nach: Egon Raitza, der stets adrett gekleidete, im weißen Hemd spielende Senior startete im durchaus leistungsstarken C-Turnier, holte eineinhalb Punkte. Allein das wäre schon bemerkenswert. Aber: In Travemünde ging auch die 78-jährige Rosemarie Müller-Raitza an den Start. Bis September 2022 startete sie noch als Rosemarie Müller. Über den Schachsport fand sie eine neue Liebe – Egon Raitza. „Man kann sagen, Schach macht einfach alles möglich“, sagte Rosemarie Müller-Raitza und lacht: „Der Schachsport hält halt jung.“ Auch in Sachen Liebe. Seit 2019 sind die beiden ein Paar, drei Jahre später wurde geheiratet. Spätes Glück – dank Schach. „Wir haben uns oft auf Turnieren getroffen“, so Egon Raitza, "dass wir irgendwann gesagt haben: Mensch, wir verstehen uns so gut – wir können auch ein Doppelzimmer nehmen.“
Die Raitzas und ihr Schach-Liebe. Für beide ist es die zweite Ehe. Er ist Witwer, sie geschieden. Auch ihre Wohnungen haben sie mittlerweile zusammengelegt. Zusammengefunden haben sie über den Schachsportclub Rostock 07. Dort tauchte Rosemarie, die bis dahin nur hobbymäßig im Seniorentreff der Arbeiterwohlfahrt gespielt hatte, eines Tages beim Spielabend auf – ein Bekannter hatte sie mitgebracht. Es war nicht die Liebe bei der ersten Partie – aber es entwickelte sich langsam etwas. „Wir verstanden uns gleich gut. Man kann schon sagen: Ohne das Schachspiel hätten wir uns nicht gefunden“, sagt Egon Raitza, „wir haben dem Spiel also nochmal eine unerwartete Wendung in unserem Leben zu verdanken.“
Zuhause spielen sie auch ab und an gegeneinander, Rosemarie ist zudem häufig beim Onlinespiel anzutreffen. „Seit Corona ist das wie eine Sucht bei mir“, sagt sie. Ihr Gatte ist seit 1962 Vereinsspieler - und beim SSC Rostock 07 sogar Jugendtrainer. Er begleitet die Talente seines Vereins auch auf Turniere. Er ist topfit, bis auf ein paar Probleme beim Laufen. „Wer lange Schach spielt“, sagt er und lacht, „der lebt auch lange.“ Man möchte hinzufügen: Und die Liebe hält auch jung. Die DSAM hat er jetzt zum elften Mal mitgespielt, auch seine Frau war schon häufiger dabei. „Es ist eine tolle Veranstaltung“, sagt Egon Raitza, „man hat automatisch seinen Spaß, weil nach Leistungsstärke eingeteilt wird.“
Und in Travemünde ging es für manchen um die Wurst. Wer jetzt noch auf den Zug zum Finale nach Bad Wildungen (17. bis 19. Juli) aufspringen wollte, musste ranklotzen. War das zu spüren? „Nee, nicht besonders. Die sind immer alle ehrgeizig“, sagte Sandra Schmidt, die Organisationschefin der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft. Ein Beispiel dafür: Sven Dörge, 51, vom SV Caissa Wolfenbüttel, der schon vor Travemünde für das Finale qualifiziert war – aber trotzdem noch alles gab. Und letztlich Dritter wurde in der Gruppe C, mit einem gesunden Mix auf Ehrgeiz und Spaß. Wie es sich gehört für einen, der sonst die Schachjugend trainiert. Er finde die DSAM „immer wieder herrlich. Es ist wie ein zweites Wohnzimmer. Wie eine Familie.“, sagte er im Videointerview mit Isabel Betz, die bei der DSAM unsere Social-Media-Kanäle so engagiert bedient, dass auch hier der Geist dieses Turniers gut rüberkommt. In Travemünde trug Dörge, der zum 25. Mal bei der DSAM startete, ein Shirt mit dem Konterfei von Schiedsrichter und Pairing Officer Frank Jäger. Aufschrift: Frank lächelt. Eine Insidergeschichte. Im DSB-Interview hatte Jäger kürzlich erzählt, Dörge fordere ihn immer wieder auf, mal nicht so ernst zu gucken. Beobachter berichten: Die Ansage hat gewirkt, Jäger lächelt jetzt öfter – und er hüpfte diesmal sogar vor der Kamera. Die einen sagen: Wie ein Springer. Die anderen: eher wie ein Känguru. Im gelben Shirt vor Dörge, das der Hingucker in Travemünde war. Mann, haben die Leute einen Spaß bei dieser immer wieder besonderen Veranstaltung.
Sandra Schmidt war auch zufrieden. Sie saß heute Vormittag noch im Hotel am Rechner, besuchte danach mit Maskottchen Bella den Hundestrand – und fuhr dann erst zurück nach Düren. Kurzer Zwischenhalt, ein Arbeitsstopp in Koblenz – bevor es weiter ging nach Pasching in Österreich, wo sie als Schiedsrichterin bei einem Turnier fungiert. Die Powerfrau. Einmal mehr sei alles prima gelaufen. Daran hatte auch das Personal im Strandhotel Travemünde seinen Anteil. Erst zum zweiten Mal machte die DSAM an der Ostsee Station, „aber es kommt mir vor wie das zehnte Mal“, so Schmidt: „Alle haben im letzten Jahr genau hingeschaut und sich auf unsere Wünsche eingestellt.“ Angefangen vom Filterkaffee bis hin zu Bestuhlung.
Die Analyse mit The Big Greek war für viele ein besonderes Highlight. Wann kriegt man schonmal den berühmten Schachmann aus dem Internet live und in Farbe ans eigene Brett? IM Georgios Souleidis machte das mit sehr viel Humor und dem ihm eigenen Esprit. „Du kannst da doch nicht einfach so rumspielen“, kommentiert er schmunzelnd, während er Varianten aufzeigte. Das ist genau der Stil, den Breitensportler schätzen. (mw)
// Archiv: DSB-Nachrichten - Breitenschach // ID 36687