Freitag, 30. September 2011

Road Trippin

So. Bevor es morgen zum Ausklang der herbstlichen Schnellschachsaison noch einmal auf Reisen geht, sollte ich vielleicht doch noch mal auflösen, wie es wirklich war.

Wie bei so manchem Streifen gestaltete sich die zweite Auflage der Ostdyssee deutlich unspektakulärer als die erste. Keine fliegenden Flaschen, keine zertrampelten Rosen und keine Provokation von Nazi-Jugendlichen. Stattdessen wurden nur ein paar Bierchen gezischt und sich so auf das Schach konzentriert. Da weiß man gar nicht recht, worüber man schreiben soll. Höchstens von einer Zweckentfremdung des Pokals durch den Turniersieger von Sangerhausen (Endtabelle hier, dann auf Endstand Rosenturnier 2011 klicken!), wobei, wenn man sich bedenkt, wofür Pokale ursprünglich mal geschaffen sind, dann...

P1622_24-09-11

Für euren Autor war nach dem überzeugenden Sieg 2009 diesmal nur die Silbermedaille drin. Schuld daran waren das sonnige Spätsommerwetter und die deutlich zuvielen Remisen, eines davon gegen den mit 1675 DWZ gewerteten, aber sich im Turmendspiel hervorragend verteidigenden Stefan Lehnert vom Gastgeberverein. Den Rekord gerbrochen habe ich an diesem Tage damit allerdings nicht: Alexander (der) I schaffte in der ersten Runde sogar 1397, und das nicht ohne zwischendurch komplett auf Verlust zu stehen!

Als Drittplatzierter durchbrach am Ende der einheimische Michael
Strache (seine Partie gegen Alexander aus 2009 werde ich meinen Lebtag nicht vergessen - ich glaube da flog am Ende auch die Uhr durch die Gegend!) die Phalanx der siegreichen Hannoveraner, die auf Platz 4 von Freddy Polenz komplettiert wurde.

Bedingt durch das 2009 verhängte Wittenberge-weite Hausverbot in sämtlichen gastronomischen Lokalen (ein kleiner Scherz am Rande, aber beschweren hätte man sich wirklich nicht dürfen) machten wir diesmal 50km vorher in Stendal halt und stießen auf eine kleine Kostbarkeit, die ich leider vergaß, zu fotografieren. Deshalb ein Bild aus Wikipedia:

Uenglinger-Tor
Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Uenglinger_Tor.jpg&filetimestamp=20070203000723

Das ist das Uenglinger Tor in Stendal und, wie leicht vorzustellen, Teil der alten Stadtmauer. Die Bewohner von Stendal nennen es "das zweitschönste Tor Deutschlands", wobei sie dem Holstentor in Lübeck den Spitzenplatz zugestehen.

Nach einer kleinen Stärkung (Alexander eine Art Picknick auf dem Turm mit Blick auf die Lichter der nächtlichen Stadt, der Rest in einem kleinen, gemütlichen Lokal ganz in der Nähe) und ein paar Runden Doppelkopf in der Pension ging es kurz nach Mitternacht erschöpft zur Nachtruhe. Leider hatte ich in meiner Funktion als Reiseplaner wahrlich nicht meinen besten Auftritt erwischt. Das von mir gebuchte Apartement war - nun ja - überschaubar, so dass die im Wohnzimmer zum Zwecke der Platzschaffung für die beiden Klappbetten zur Seite gestellten Möbel zwangsläufig die Tür zum Schlafzimmer blockierten und den Durchgang nicht bloß erschwerten, sondern einfach komplett verhinderten. Nichts mit "kurz mal nachts raus"... Ich weiß, ich hätte das fotografieren sollen, aber es ging ja nicht, weil ich auf der falschen Seite gefangen war! Meine Zahnbürste hatte ich allem Ärger zum Überfluß auch noch zu Hause vergessen, diese wäre aber angesichts der Situation beileibe nicht so wichtig gewesen wie eine ordentliche Portion Granufink! Wie dem auch sei, zum Glück verlief die Nacht ohne erwähnenswerte Zwischenfälle. Naja. Seien wir fair und zählen wir mal die auf Discolautstärke geschalteten Zeichentrickserien (denen man auch aus dem Nebenzimmer wirklich noch gut folgen konnte) um 6 Uhr morgens nicht mehr zur Nacht dazu. Es war ja schon fast wieder hell...



(to be continued)

Dienstag, 27. September 2011

Alptraum

Wieder eine Art Ostdyssee. In der gleichen Besetzung geht es aber diesmal tief in den Süden, ins bayerische Treuchtlingen. Keine Ahnung, wie ich darauf komme, denn ich bin auch noch nie dort gewesen. Jedenfalls soll da ein Blitzturnier stattfinden.

Das Wetter ist gar nicht mehr sommerlich. Es ist kalt, neblig und noch ziemlich dunkel. Wir sind schon ziemlich spät dran und haben uns wie immer auch noch verfahren. Irgendwo bei Ulm (natürlich viel zu weit südlich!) verlassen wir die Autobahn. Ich habe mal wieder mein Navi nicht dabei, sondern nur meine zehnteilige Kartensammlung, die ich aber als Fahrer leider auch so gut wie als einziger lesen kann. Auf dem gelben Schild nach der Ausfahrt steht "Treuchtlingen 34 km". Vielleicht wird ja noch alles gut.

Dann passieren wir eine Baustelle, an der ganz viele Polizeiwagen stehen und Beamte massenhaft die rot-weißen Kellen schwingen. Verkehrskontrolle. Sowohl in Hin- als auch in Rückrichtung. Ich hoffe bis zuletzt, durchzukommen, ohne angehalten zu werden, aber... der letzte von ihnen in der Reihe hebt, kurz bevor wir passieren seine Kelle hoch. Keine Chance, Flucht zwecklos.

Wir halten an, aber dann steigt er in sein Auto und ein "Bitte folgen!" erscheint oben auf der LED-Anzeige. Wir fahren ihm ein paar Kilometer hinterher, in irgendeine mir unbekannte Stadt hinein und parken hinter ihm in der Innenstadt, nicht weit von der Fußgängerzone. Es ist immer noch ungemütlich neblig und kalt und ich spüre auch, dass wir langsam überhaupt keine Zeit mehr haben.

Der Polizist klopft an der Beifahrertür, wo ihm Baron von Münchhausen sofort aufmacht. Sofort fallen dem Beamten etwa ein Dutzend leere Bier- und Wasserflaschen vor die Füße. Außerdem scheinen sich die Autoinsassen während der langen Fahrt an die dem Polizisten ungewohnte, muffige und stickige Geruchskulisse gewöhnt zu haben. Er ist sichtlich angewidert. Es ist ein älterer Mann mitte Fünfzig mit blondem lockigen Haar.

"Führerschein und Fahrzeugschein bitte!"

Letzteres kann ich bieten. Ersteres trotz zehnminütiger Suche nicht. Langsam dämmert es mir: Am Vortage hatte mich noch Userin Rössel kurz zur Tanke was holen geschickt und ich habe das Plastikkärtchen noch in der anderen Hose. Wie passend. Das gilt übrigens auch dafür, dass mein Perso, der der Bulle dann sehen will, schon seit Ende Juli abgelaufen ist.

Jedenfalls will mich der Typ verständlicherweise gar nicht mehr fahren lassen. Wir haben aber auch echt schon wirklich keine Zeit mehr. Dann aber versuchen Freddy und der Baron ihn zu beschwichtigen. Von wegen, wir fahren zu einem wichtigen Schachturnier und wir kommen aus Hannover und sind schon seit 4 Uhr morgens unterwegs und bla und blubb... Die beiden haben damit zwar Erfolg, denn der Polizist stellt sich sogar als extremer Schachliebhaber heraus, aber es führt dazu, dass er noch auf einen gemeinsamen Spaziergang die Straße runter besteht wo er uns über alles ausfragt, was eben alle Leute wissen wollen, die keine Ahnung von Schach haben: Wer die Turniere organisiert, was man gewinnen kann, was es mit dieser Ratingzahl zu tun hat, welche Eröffnungen es gibt... und und und. Es dauert alles eine gefühlte Ewigkeit. Ich bin kurz vorm Platzen. Eine gefühlte halbe Stunde später kommen wir endlich von dem anhänglichen Beamten los.

Nun sitzt Alexander neben mir, weil ich ihm das Kartenlesen noch am meisten zutraue. Irgendwie sind wir wieder auf der Autobahn... kleiner logischer Filmriss. Aber Treuchtlingen ist plötzlich von allen Schildern verschwunden.

"Wir fahren in die falsche Richtung, ihr Blödmänner!"

Ich verlasse die Autobahn an der erstbesten sich bietenden Gelegenheit. Leider war es nur die erste, aber nicht die beste. Es ist keine richtige Ausfahrt, sondern ein Dreieck mit einer Bundesstraße, wo man nicht so schnell auf die Gegenrichtung zurückkommen kann. Endlich bietet sich auch auf der Bundesstraße eine Gelegenheit zum wenden. Alles schnell, alles hektisch, mein Herz zittert, genau so wie meine Hände.

"Alexander, guck noch mal nach, ob wir wirklich in die andere Richtung auf der Autobahn müssen!"

Alexander fuchtelt mit der Karte Nr.8 (Südostdeutschland) rum, aber findet einfach nicht, wo wir sind. Ich bin am Steuer und der Verkehr ist so dicht, dass ich nicht helfen kann.

"Alexander, du musst die Karte umdrehen! Wir sind auf der Rückseite!"

Ich sage es ihm zwei bis drei Mal, ich flehe ihn geradezu an, aber er hört einfach nicht auf mich. Waren wohl einfach ein paar Bier zu viel nach der Abfahrt in Hannover. Mit den Worten "Scheiß-Karte, die bringt eh nix!" wirft er sie auf voller Fahrt aus dem Fenster. Ich sehe noch genau, wie sie in einem Busch landet.

"Bist du verrückt? Warum hast du das getan??! Wie sollen wir das jetzt finden?!", brülle ich ihn an, aber es kommt keine Reaktion. Auch nicht von der Rückbank.

Ich habe noch eine Gesamtdeutschland-Autobahnkarte in der Kartensammlung, kein großer Maßstab, aber sie ist nun unsere einzige Chance. Aber nirgendwo ein Platz zum Anhalten. Ich schalte in der Hektik das Warnblinklicht ein und halte am rechten Fahrstreifen. Hinter mir staut sich der Verkehr. Sie hupen und überholen mich auf der linken Seite. Ich krame eilig in der Kartenverpackung. Aber vergeblich. Sie ist nicht da. Zumindest finde ich sie einfach nicht. Ich bin verzweifelt. Ich nehme die Augen hoch und bemerke plötzlich, dass ich nicht mehr auf der rechten Spur halte, sondern auf der linken. AAAAHHHH!!!

"Freddy, wo ist verdammt die Autobahnkarte? Hast du die irgendwo gesehen? Kannst du mir bitte helfen?", rufe ich in meiner Verzweiflung, ohne mich umzudrehen.

Lange, fast ewige Pause. Um uns herum der dröhnende und hupende Verkehr.

"Ne, kann ich grad nicht", höre ich von hinten. Kurz nachdem ich verstehe, dass wir verloren sind, wache ich schweißgebadet auf und Userin Rössel liegt neben mir.

Samstag, 24. September 2011

Vorsicht, bücken!

Bald geht es wieder rund. Ob Bärchenwurst, Cashew-Nüsse am Schachbrett, malträtierte Frühstückseier oder auch (gütiger Himmel, bitte nicht schon wieder!) aus dem Fenster fliegende Bierflaschen: Morgen und Sonntag wird die legendäre Ostdyssee nach 2 Jahren wieder ihr Comeback feiern. Und dies nur in minimal veränderter Besetzung (scheint den Red Hot Chili Peppers ja auch nicht geschadet zuhaben), lediglich Pablo-Leon Villagra wird durch den "Lügenbaron" ersetzt. Mich momentan in ganz guter Rapid-Form befindend, hoffe ich auf ein erfolgreiches und abgeklärtes Abschneiden bei den beiden Turnieren in Sangerhausen und Wittenberge. Aber besonders, dass mein Auto heile bleibt.

Nochmal zur Erinnerung, was bisher geschah:

Teil 1

Teil 2

Ganz andere Sorgen hat gerade eine Gruppe von sechs tapferen SF-Berlinern. Angeführt von Rainer Polzin fahren meine Vereinskollegen ins slovenische Rogaska Slatina, um sich dort ab übermorgen beim Europacup auf die neue Saison einzustimmen. Im Gegensatz zu Fügen undOhrid bin ich diesmal nicht dabei, verweise aber auf die von Christoph Nogly (unser nimmermüder Webmaster) angekündigte tägliche Berichterstattung auf der Homepage der SF Berlin. Sein erster Eintrag ist hier zu lesen.

So, und jetzt ins Bett. Die Kraft werde ich morgen brauchen, körperlich und psychisch.

Mittwoch, 21. September 2011

Knapp am Pathologen vorbei (;

Irgendwie ist mir aufgefallen, dass es keinen echten Vorteil bietet, den nächsten Beitrag immer und immer wieder aufzuschieben. Immerhin wird die Themenauswahl von Woche zu Woche auch nicht gerade kleiner. Also los.

Den letzen Artikel schrieb ich am 7. September, am Vorabend des LGA-Cups in Nürnberg. Vielleicht war gerade das der Fehler und ich hätte in dieser Zeit lieber zum Arzt gehen sollen. Ich hatte nämlich seit 2-3 Tagen recht hartnäckige Halsschmerzen, das aber ohne jegliche Erkältungssyndrome. Essen machte auch keinen großen Spaß mehr, denn Schlucken tat auch weh. Aber nein, wir gehen nicht zum Arzt und fahren lieber erstmal für 4 Tage auf ein Schachturnier, auf das wir sowieso keine richtige Lust haben. Das wird bestimmt besser...

Spätestens nach zwei Tagen habe ich verstanden, dass die Lage wirklich ernst ist. Die Schmerzen waren mittlerweile so ausgeprägt, dass sie entscheidend den Tagesablauf bestimmten. Außerdem hatte ich einen tierischen Hunger, denn ich hatte seit einer gefühlten halben Woche nichts Vernünftiges mehr gegessen. Wenn mein Punktestand zu diesem Zeitpunkt irgendein anderer als 3/3 gewesen wäre, wäre ich vermutlich einfach nach Bayreuth gefahren und am nächsten Tag zum Arzt. So siegte der falsche Ehrgeiz und ich fuhr stattdessen zur Notapotheke, wo ich mir von einem für sein gesetztes Alter sehr ungeduldigem, der deutschen Sprache weitestgehend unmächtigen Apotheker ein überteuertes Halsspray andrehen ließ, von dem ich bis heute überzeugt bin, das es mir am Ende mehr geschadet als genützt hat. Das gleiche gilt übrigens mit Sicherheit auch für den Hot Chili Whopper, den ich mir ausgehungert auf der Fahrt zurück zum Hotel noch gierig reingestopft habe.

Geschlafen habe ich dieser Nächte kaum, ein Umstand, der durch das fehlende W-Lan (Ich sag es ja immer, die besten Hotels - und das gehört das Hotel am Tillypark definitiv dazu! - haben immer die größten Probleme mit dem Internet. In jeder Pension auf dem Land gibt es normales W-Lan) nicht gerade erträglicher gemacht wurde. Sprechen war mittlerweile auch eine recht schmerzhafte Angelegenheit geworden, so dass ich nun paradoxerweise versuchte, zu schweigen, wo immer es geht. Aber auf einem Schachturnier mit so vielen bekannten Gesichtern ist es nunmal nicht so einfach, zumal ich mich mittlerweile auf den Übertragungsbrettern eingenistet hatte, deren "Bewohner" nach Beendigung der Partie in Nürnberg immer nach einem kurzen oder auch nicht so kurzen Statement zum Spiel gefragt wurden.

Eigentlich wollte ich aber nur noch nach Hause. Man könnte mir sogar vorwerfen, die vierte Runde extra auf Verlust angelegt zu haben, um das Nürnberger Drama möglichst schnell zu beenden. Doch es scheint so, als ob mein Gegner, der junge Korbinian Nuber beim LGA-Cup nur auf Großmeister spezialisiert war, derer er drei schlug. Mich ließ er jedenfalls in einer mutmaßlichen strategischen Gewinnstellung einfach in die Zugwiederholung:

Korbinian Nuber - Ilja Schneider, LGA Cup Nürnberg 2011 (4)



26.Td1 Taa8 27.Tf1 Ta7 28.Td1 folgte, statt mich mit irgendetwas Natürlichem wie einem Vorrücken des Königs langsam, aber sicher ausbluten zu lassen.

Nun hatte ich eigentlich ziemlich viel Zeit bis zur nächsten Runde, um mich um eine etwas angemessenere medizinische Versorgung zu kümmern. Ich war gerade dabei, mich an der Rezeption der LGA, wo wir gespielt haben, nach einem Arzt zu erkundigen, als eine mir unbekannte Frau das Gespräch mitbekam. Nachdem sie mich fragte, was ich denn habe, erklärte sie mir, dass unter den Teilnehmern sich ein Arzt befinde. Da ich diese Person sogar zufällig kannte (anläßlich einer Partie, die wir in Frankfurt vor 3 Monaten spielten und ausführlich analysierten), beschloss ich in meiner Faulheit einfach, ihn nach seiner Partie abzupassen und ihn freundlich zu bitten, einen kleinen Blick in meinen Hals zu werfen.
Selbstverständlich spielte er in dieser Runde ewig und analysierte dann noch viel ewiger mit seinerm Gegner. Als ich ihn danach suchen wollte, war er schon weg. Auf dem Weg zurück zum Hotel traf ich den Doktor dann doch noch zufällig, wo sich aber dann aber herausstellte, dass er seinen Doktor nicht etwa in der Humanmedizin, sondern in Geschichte abgelegt hatte. Knapp daneben. "Mit mir werden sie auch nicht gesünder!" sagte er noch zu mir und wir verabschiedeten uns. Mist!

Dann spielte ich am Nachmittag gegen den deutschen Vorkämpfer des Seniorenschachs Klaus Klundt. Dass er als starker Taktiker bekannt ist, braucht man nicht extra zu betonen, außerdem stellte er dies noch am gleichen Morgen gegen den belgischen GM Vadim Malakhatko unter Beweis, den er einfach vom Brett kegelte. Jedenfalls war meine Entscheidung, eine möglichst ruhige Stellung aufs Brett zu stellen, beileibe nicht dumm - es gelang mir nur nicht...

Ilja Schneider - Klaus Klundt, LGA-Cup Nürnberg 2011 (5)



Er hat gerade den Läufer nach d7 entwickelt. Was besitzt für mich jetzt Priorität? Die d-Linie zu sichern, oder zu verhindern, dass der Läufer sich bequem nach c6 stellt? Natürlich "entschied" ich mich für das Falsche. Die Gänsefüßchen deshalb, weil mir meine Bedenkzeitaufzeichnungen auf meinem Partieformular verraten, dass ich nach 19.Se5? eine Minute mehr Zeit hatte, als vorher. Ergo: Lange kann ich an diesem Zug nicht überlegt haben. Lange wäre aber auch nicht nötig gewesen, um festzustellen, dass 19.Td1 angebracht war.

19...La4! Na super. Und wie komm ich jetzt auf die d-Linie? Naja, schnell 20.b3?? Passiert schon nix... 20...Td8 21.De3



Nun war es an meinem Gegner, schnell zu ziehen. Er dachte hier glücklicherweise nicht wirklich nach, sondern beförderte seinen Läufer nach e8. Ich spielte dann den Turm nach d1, nach und nach fielen alle Figuren vom Brett und ich gewann das Bauernendspiel am Ende um ein gefühltes Tempo.

Man sucht hier für Schwarz irgendwie eine taktische Lösung, die mit Ausnutzung der temporär in Besitz genommenen d-Linie einhergeht. Bloß dass 21...Td2? noch nicht sooo viel droht und von 22.Sf3! mehr als nur abgefedert wird. Weiß gewinnt eine Figur.
Wenn er aber erst mit dem etwas unthematischen, aber nicht minder starken 21...Lxb3! den störenden Läufer entsorgt, geht sofort die Flosse rüber.

So begab es sich aber, dass ich am nächsten Morgen schmerzgekrümmt am Spitzenbrett gegen meinen ehemaligen Bindlacher Mannschaftskollgen (diese Phrase benutze ich ganz oft, aber sie trifft auch einfach für sooo viele bekannte Spieler zu) David Baramidze saß. Glücklicherweise führte aber der seit einigen Jahren deutlich "deprofessionalisierte" Lebenswandel meines Gegenübers dazu, dass auch er sichtlich nicht in Topform war. Ich hatte am Abend noch mitbekommen, dass er sich für den Abend mit Kumpels verabredet hat... Es war zwar gewiß nicht so schlimm wie in der legendären Bundesligapartie Arik - David am Tegernsee, wo die beiden bratpfannengroße Ringe auf den Augen hatten und Arik sich die meiste Zeit in (also inklusive Gesicht) seiner Jacke verstecken musste, aber nein,hundertprozentig fit war David nicht. Prompt verwechselte er zwei Varianten in der Eröffnung, so dass ich mit Schwarz nach 11 Zügen zumindest sehr bequemen Ausgleich hatte und den richtigen Zeitpunkt für ein verängstigtes Remisgebot sah, welches David natürlich auch annahm.

Nun musste ich nur noch eine Runde überstehen, bevor ich nach Hause durfte. Die Pflicht war für mich persönlich mit 5/6 schon geschafft, nun sollte noch gegen den "Maniac" Jonny Hector die Kür vollzogen werden. Zum Glück bekam ich Weiß gegen ihn zugelost, denn mit den schwarzen Steinen hätte die Sache bestimmt kein dolles Ende genommen. So wie ich mich kenne, hätte ich vermutlich nicht einmal die Rochade geschafft, und die Partie wäre schon vorbei... So konnte ich aber (nachdem ich in der Mittagspause alle meine verbliebenen Kräfte bündeln und noch mal meinen PC aufschlagen konnte) leicht erfreut feststellen, dass Hector Eröffnungsreperoire mit den schwarzen Steinen gar nicht so aggressiv ist, wie der Nimbus, der ihn umgibt. Zu welchem Teil ist eigentlich sein Name für seinen Stil verantwortlich? Wäre er ein anderer Spieler geworden, hieße er nicht Hector, sondern vielleicht Huber?

Wie dem auch sei, eigentlich war er es, der gewinnen musste, und sei es auch nur bedingt durch seine Niederlage in der ersten Runde. Doch in diese Bereiche kam die Partie nie hin. Ich überraschte ihn in der Eröffnung, stellte ein paar Probleme, und genau in dem Moment, wo er komplett ausgleichen konnte, fraß er viel zu schnell einen Bauern, wonach aber direkt zwei von ihm fielen. Letztendlich fanden wir uns in folgendem Endspiel wieder:

Ilja Schneider - Jonny Hector, LGA-Cup Nürnberg 2011 (7)



Meine Lust, jetzt eine großspurige Analyse dieser Stellung zu starten, hält sich ehrlich gesagt in engen Grenzen. Trotzdem habe ich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass die Bewertung eine andere ist, als "Gewonnen für Weiß". Und ich vermute auch, dass ich den besten Zug hier kenne: 36.g4!, damit er nicht mit dem Zug 36...h5 seine Schwäche h7 loswerden kann. Nach 36.Kg2?! h5 ist es auf jeden Fall nicht einfacher geworden, ein paar weitere Fehler machten den Sieg dann ganz unmöglich und wir quittierten in der fünften Spielstunde das Remis.

Jedenfalls kam ich dann abends etwa mit fünf Kilo weniger aber dafür 600€ reicher (für das Zufallbringen von Hector hätte es natürlich mehr als doppelt so viel gegeben) endlich heim. Der bunte Cocktail aus verschiedentlich zusammengestellten Schmerzmitteln, die meine Freundin im Haus fand, machte die Nacht halbwegs erträglich, bevor mir der Arzt am nächsten Morgen eine Mandelentzündung im fortgeschrittenen Stadium bescheinigte und mich sehr verwundert fragte, warum ich denn nicht schon etwas früher gekommen sei. Lol. Zuerst wollte der alte Mann gleich mal drauf los schneiden, besann sich aber am Folgetag glücklicherweiße doch noch eines Besseren. Der Rest der Woche verlief dann relativ unspektakulär. Ich thronte auf einem Berg verschiedenster Antibiotika, Schmerzmittel, Wasserflaschen und Mövenpick-Eisverpackungen (was soll man in dem Zustand auch anderes essen?) und spielte Doppelkopf im Internet.

Freitag ging es mir dann wieder so gut, dass ich alle Chuzpe zusammennahm und noch eine kleine Grindungstour nach Schwaben und Hessen fuhr, um die Lücken, die Hectors Endspielzähigkeit, sowie die Medikamentenpreise in meinen Geldbeutel gerissen hatten, wieder ein wenig zu füllen. Außerdem hatte ich noch zwei Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen.

Beides gelang. Beim Blitzturnier in Schwaigern war für diesen Preisfonds doch gewöhnungsbedürftig wenig los, außer ein paar bekannten schwäbischen Haudegen wie Rudi Bräuning und Thilo Kabisch fanden sich keine besonderen Blitzspezialisten ein. Geht ja auch nicht, denn sie waren an diesem Tag ja alle hier.

Soll aber nicht mein Problem sein. Das Ergebnis von 15 Punkten aus 15 Partien spiegelt allerdings trotzdem nicht ganz den Souveränitätsgrad wieder, mit dem es erzielt wurde. Ich kann jetzt natürlich nicht den ganzen Blödsinn aufzählen, den ich an diesem Tag zusammenfabriziert habe, aber hier der Moment, an dem der ganze Tag in den A... gehen kann:

NN - Ilja Schneider, Schwaigern Blitz Cup 2011 (2)



Blöd gelaufen. Ich hatte vorher in der Partie in einer vermutlich schon gewonnenen Stellung leider einen gedeckten weißen Läufer angefasst... und jetzt sind wir hier gelandet. Das Ende der Partie lautete:

1...Kd5 2.Kf4 Kc4 3.Ke3? (wirft schon mal den Gewinn weg, 3.Ke5 +-) 3...Kb3 4.Kd3 Kxb2 5.c4 Kxa3 6.cxb5 cxb5 7.d5 b4 8.d6 b3 und nun sah er, dass sich der b mit Schach umwandelt (was ja völlig egal wäre, die Stellung ist Remis) und zog daher 9.Kc3??, was nicht mehr so egal und auch nicht mehr wirklich Remis war.

Ok, genug davon. Mehr los war am nächsten Tag im hessischen Bad Vilbel, was gleichzeitg auch Tills schachliche Premiere für das Jahr 2011 (mit Ausnahme eines kleinen Chess960-Funs in Karlsruhe im Mai) darstellen würde. Mit den GMs Ikonnikov und Kunin, sowie den unverwüstlichen IM Milov, IM Poetsch, Till und noch ein paar anderen war das Schnellturnier doch deutlich stärker besetzt als ein mittelmäßiger Vertreter seiner Zunft. Zu allem Überfluss spielte auch noch der 14-jährige "Prinz" (die sind einfach überall) Alexander Donchenko mit, der - sowieso schon stark - an diesem Tag auch noch eine super Form erwischte, die ihn am Ende auf das Silberpodest brachte.

Irgendwie habe ich es trotz wieder stärker werdener Schmerzen (das Bett, das Eis und vor allem die notwendige Ruhe fehlen einem nunmal bei einem Schachturnier) geschafft, den Schwung aus dem letzten Tag mitzunehmen. Kam eben einfach gut durch das Turnier durch. Gegen Ikonnikov und Milov mit Schwarz mal mehr, mal weniger einfach das Remis erzielt, gegen Donchenko ein verlorenes Bauernendspiel überlebt, ein-zwei Mal den Colorado durchgebracht, in der 10. Runde Till geschlagen und unseren Score 2011 auf 1:1 ausgeglichen (im Chess 960 hatte er das bessere Ende für sich gehabt), im Schlussgang statt Kunin einen Spieler mit knapp <2300 erwischt, während Kunin mir mit seinen Siegen gegen Donchenko (dessen einzige Null) und Milov in den beiden letzten Runden sämtliche Konkurrenz vom Leibe hielt... Jedenfalls reichten am Ende 9/11 leicht überraschend für den alleinigen Ersten, wie man sich hier überzeugen kann.

Es folgen noch (in umgekehrter Reihenfolge) die vielleicht interessanteste Partie und mein eindrückendstes Erlebnis aus Bad Vilbel:

In der dritten Runde spielte ich mit Schwarz gegen den Lokalmatador Klaus Schmitzer, wo sich zwischenzeitlich dieses Kampfbild ergab:



Weiß ist hier strategisch vermutlich schon nicht mehr zu retten. Seine Figuren machen genau betrachtet gar nichts, während sein gesamter Damenflügel schwach ist und ich dabei bin, mir mit ...Tb8 und ...Lf5/a2 auch die b-Linie unter den Nagel zu reißen. Turmtausch ist für ihn auch keine Option, denn dann wandert einfach mein König ein. Nix zu machen.

Mein Gegner bot etwa hier noch remis, was ich ehrlich gesagt schon ganz schön "deplatziert" fand, genau wie ich es ihm nach der Beendigung der Partie auch wörtlich mitteilte. "Dreist" hätte es übrigens auch gut getroffen. Ja, genau wie es zweifelsohne sein gutes Recht ist, jederzeit Remis bieten zu dürfen, verfüge ich doch wohl über eins, ihm mitzuteilen, was ich davon halte. Darauf ist der äußerlich unscheinbare Herr (anscheinend SCHACH-Leser, an dem die Buhmann-Diskussion vor ein paar Jahren - man wird sich erinnern - wohl nicht spurlos vorbeigegangen ist) fast ausgerastet. Mamma Mia! Ich kann jetzt nicht den gesamten Wutschwall wiedergeben, der in der Folge auf mich eingeprasselt ist, aber ich befürchte, wir werden in diesem Leben keine echten Freunde mehr...

Ein paar Runden später (einfach um den Bericht nicht mit so einem Blödsinn enden zu lassen) gelang mir noch eine nette, wenn auch am Ende nicht ganz astreine Partie:

Ilja Schneider - Lothar Schnitzspan, Bad Vilbel 2011 (8)

1.e4 d6 2.d4 Sf6 3.Sc3 e5 4.dxe5 dxe5 5.Dxd8+ Kxd8 6.Lg5 Le6 7.0-0-0+ Kc8 8.g3!?



Bringt zwar nix, wie auch der Rest der weißen Fortsetzungen, aber will den Bauern bis f5 durchjagen und den Läufer von e6 vertreiben und danach die weißen Felder im Zentrum unter Beschlag nehmen. Ist natürlich sehr riskant, da langsam und die Kontrolle über ganz viele Felder im eigenen Lager komplett aufgegeben wird.

8...Lc5 9.f4 exf4 10.gxf4 Le3+ 11.Kb1 Sg4 12.Sh3 f6 13.Lh4 Lc5



So. Jetzt kriegen diese lästigen Fliegen alle einen Fußtritt. Das Feld e5 ist egal. Ich will die weißen Felden, nicht die schwarzen!

14.f5 Ld7 15.Le2 Se5 16.Sf4 Sbc6 17.Sa4 Ld6 18.Thg1



Super. Alle im Spiel, im Gegensatz zu ihm. Jetzt energievoll weitermachen!

18...Tg8 19.Sh5 Lf8 Vielleicht hätte er auf h5 nehmen sollen, um den Druck zu lindern.

20.Sc3 Der wird wirklich nicht mehr auf a4 gebraucht.

20...Se7? Zu passiv. Es musste, auch wenn ich mich dann auf d5 einniste, 20...b6 folgen.

21.Lg3! c6 22.Lxe5 fxe5 23.Tg3



Nun sieht es schon nach was aus. Ich bereite die Verdopplung auf d oder auf g vor, und der Läufer schielt schon nach g4, während der befreite Bauer auf f5 auch auf einen Vorstoß wartet.

23...Kc7 24.Tgd3 Le8 25.Sa4! Alle müssen mitspielen.

25...Sc8 26.f6 Sb6



Die Früchte der Arbeit sind nun zu sehen. Wie kann man sie am schnellsten vernichten?

27.fxg7? Es gewann 27.Sxb6 Kxb6 28.Tg3! Lxh5 29.Lxh5 und Schwarz kann sicht nicht rühren, außer mit 29...g6 30.Lg4 und Weiß hat eine klare Gewinnstellung.

27...Le7? Statt 27...Sxa4 mit ziemlichem Ausgleich.

28.Sxb6 axb6 29.Lg4?! 29.Tg3 war besser, aber hier steht nach 29...b5 schon elend viel Arbeit ins Haus.

29...Td8?? Nach 29...Lxh5 30.Td7+ (na und?) Kb8 31.Lxh5 Txg7 verwaltet Weiß einen Hauch von nichts.

30.Txd8 Lxd8 31.Le6 Jetzt aber! 31...Lxh5 32.Td7+ 1:0 Wobei 32.Lxg8 Lxd1 32. L beliebig auch gewann.

Ja, so sieht das aus. Abends wurde der Sieg noch mit Till (ganz im Stile der alten Zeiten!) im Frankfurt beim Sushi-Buffet ausgiebig gefeiert. (Sushi übrigens als super Geheimtipp für eine mandelentzündungverträgliche Mahlzeit!) Das erste Mal seit Tagen, wenn nicht Wochen, dass Essen keine Schmerzen mehr bereitete... wenn das mal kein Grund zum Feiern war. Und ab Montag, spätestens Dienstag kann ich mich wohl ganz zu der Gruppe der Gesunden zählen. Die Mandelentzündung war plötzlich und abrupt vorbei, genau wie dieser (gewiß nicht allzu kurze) Lagebericht.

Mittwoch, 7. September 2011

Dies und vor allem auch das

So langsam brodelt hier die Gerüchteküche mit Volldampf, von daher sollte ich anscheinend tatsächlich mal wieder ein paar Sätze schreiben. Und ich habe sogar tatsächlich Lust drauf.

Ja, es stimmt. Im Moment läuft Langzeitschach mal so gar nicht. Die Reihe Ströbeck, Pardubice und Riga (garniert mit ebenfalls wenig erfreulichen Auftritten in Wunsiedel und Frankfurt) liest sich ziemlich eindrucksvoll und es sind bisher ja auch nur etwa 55 ELO-Punkte weg. Woran das liegt? Nun, neben natürlichen Schwankungen, denen jede beliebige Formkurve unterworfen ist, kommen in meinem Fall eine momentan nachlassende Motivation und vermutlich auch die gewissermaßen "selbstzersetzende" Trainertätigkeit, der ich dieses Jahr überhäuft nachgegangen bin: Im April auf Norderney bei der LEM Niedersachsen mit den Kiddies aus Bezirk 5 und natürlich standardmäßig Oberhof (wo es super lief) und halt Pardubice. Irgendwie alles zwar auch für einen selber nützlich, das sich Beschäftigen mit Varianten, die gar nicht zum eigenen Repertoire gehören, aber auf der anderen Seite auch ungeheuer schädlich. Es ist einfach zuviel. Man hat hier und da das Gefühl, man hat sich das angeguckt und kennt sich in diesem Abspiel aus und hat das und das analysiert... aber in Wirklichkeit bildet sich im Gehirn einfach ein riesengroßer Breiklumpen aus und dieser Klumpen wird mit jedem Turnier immer größer und am Ende muss man einsehen, dass man nicht alles weiß, sondern gar nichts.

Jeder, der schon mal eine Schulbank oder meinetwegen auch einen Sitz im Uni-Hörsaal gedrückt hat, kennt doch diese fleißigen Mädchen, die, bewaffnet mit einem Textmarker sich über die Literatur hermachen und deutlich über 90% des Textes mit gelber Farbe markieren. Macht natürlich in Wirklichkeit keinerlei Sinn, denn wer alles markiert, markiert tatsächlich genau nichts, weil er später nicht mehr nachvollziehen kann, was nun letztendlich wichtig ist und was nicht. Genau so ist es aber bei mir und meinen Eröffnungen. Nehmen wir mal allein 1.e4. Spanisch, Colorado, Caro-Kann, Philidor, Skandinavisch, der Snyper... die Reihe ließe sich noch weit fortsetzen, wenn man alle Sachen zusammennimmt, für die ich mal die oder die Zeit geopfert habe. Früher war es mein Traum, so gut Theorie zu können, dass Vorbereitung für mich überflüssig wäre. Einfach ans Brett setzen, mir überlegen auf was ich denn heute so Lust hätte und los geht's. Mittlerweile bin ich diesem Ziel zwar einerseits ziemlich nahe, aber irgendwie stehe ich nach der Eröffnung fast immer schlecht :) Das Problem des schlechten Gedächtnisses habe ich in den Wunschtraum irgendwie nicht hineinimplementiert...

Gut, das reicht. Genug Ausreden. Morgen startet der gleichermaßen beliebte wie bekannte LGA-Cup in Nürnberg, ich bin zwar keinesfalls gut vorbereitet, aber dafür umso mehr motiviert, wenigstens so zu spielen, dass nicht wieder die ELO zweistellig den Bach runtergeht. Immerhin wird es auf unbestimmte Zeit (vermutlich bis Bad Zwischenahn im Januar 2012) mein letztes Langzeitturnier sein. Also Bundesliga und Österreich sind natürlich nicht eingerechnet, aber sonst spare ich mir das bisschen an Wertungszahl, was noch geblieben ist, lieber für bessere Zeiten auf.

Und sonst? Sonst gab es in den Wochen nach Riga Schnellschach bis zum Abwinken. Hier eine kleine Übersicht:

reiseplan

A) Rinteln

Ganz nett, aber leider in der letzten Runde gegen "Prinz" Blübaum mit Weiß nur ein Remis erzielt, was den ersten Platz kostete:

Schneider - Blübaum, Rinteln 2011 (11)



Spannende Stellung. Wenn es mir gelingt, den Druck gegen b2 abzuschütteln, werden meine Bauern über Kurz oder Lang das Rennen machen. Wie stellt man dies aber an?

29.Kc1 Damit der b2 nicht mit Turmschach genommen werden kann. 29...c3 Zu ungeduldig. 29...a5 wäre nachhaltiger. Was mich nun aber dazu bewogen hat, sofort, ohne Zwischentausch auf c3, 30.Lf4? zu ziehen, weiß ich auch nicht mehr. Einfach nur dumm, ihm nicht noch einer seiner Bauern wegzutauschen, wonach Weiß auf jeden Fall Vorteil bekommt. 30...Txb2 31.e5 Txa2 32.Le6+ Das muss sein, denn auf 32.exf6 b3 kann ich das Matt nicht mehr gut abwehren.
32...Kh7 33.d6 Ta1+ 34.Kc2 Txd1 35.Kxd1 g5!



Nun bemerkte ich erst, was die Stunde geschlagen hatte. Ich komme einfach nicht durch auf seine Grundreihe.

36.Lf5+ Auf Verwirrung gespielt, obwohl ich wusste, dass es verliert. Aber weder mit 36.exf6 gxf4, noch mit 36.Le3 Lxe5 37.Lb6 mit Millionen von Minusbauern konnte ich mich anfreunden.

36...g6 37.e6 gxf5 38.Le5!?



Der letzte Bluff. 38.e7 würde funktionieren und gewinnen, stünde nicht mein König dämlich auf d1 herum, was 38...Lxe7! ermöglicht. So aber (nach dem Partiezug 38.Le5) gewann hier 38...Txd7! auf der Stelle, was Matthias aber nicht fand, so dass er mir tatsächlich doch noch eine Umwandlung erlauben musste nach 38...Lxe5 39.e7 Txd7 40.e8D, und die Partie endete kurze Zeit später unter kleinem Szenenapplaus mit Dauerschach, während die Buchholzschäfchen für Blübaum den Rest erledigten. 2.Platz also.

Besser lief es in B) Halle. Ich habe das dortige Turnier, welches auf der Peißnitzinsel im Rahmen des dortigen alljährlichen Laternenfestes stattfand, geschickterweise in die Fahrt nach Bayreuth zu Userin Rössel eingebaut und mit 6/7 nach Buchholz vor dem Auer Gunter Spieß gewonnen. Wer eine Homepage dazu findet, darf sich gerne melden.

Tags darauf ging es aber auch schon nach Baden-Württemberg nach Wernau (D), in meine zurückgelassenen heiligen Jagdgründe. Manchmal schon schade, dass ich nicht mehr in der Ecke wohne. Das Turnier verlief glatt, wie in alten Zeiten als einsamer Chemiestudent aus Bad Herrenalb :). Hier ist die Tabelle.

Das Wochenende darauf (das vergangene) war das Programm deutlich härter. Aus Bayreuth ging es Samstags zunächst nach München (F), zum Jubiläumsturnier des Münchener Schachclubs 1836, der damit den drittältesten Schachverein Deutschlands darstellt. Es war ein ziemlich warmer Tag mit ziemlich vielen Menschen in einem ziemlich kleinen und wetterbedingt auch ziemlich stickigen Raum und auch die Besetzung des Turniers war für das ziemlich geringe Preisgeld (kein Vorwurf, es war ja auch eher als jubiläumsmäßige Spaßveranstaltung!, für jede Geburtstagskerze für den Vereinskuchen gab es für den Sieger quasi je einen Euro) mit GM Bezold, GM Hertneck und großen weiteren Bestandteilen der Münchener Schnellschachelite ziemlich hart. Trotzdem unterlag ich am Ende meinem ehemaligen Vereinskameraden aus Bindlacher Zeiten Michael Bezold am Ende nur denkbar knapp mit einem halben Buchholzpünktlein. Und das noch ziemlich auf dämliche Art und Weise:

Schneider - Hertneck, München 1836 rapid 2011 (9)



Ich(7/8) habe der Münchener Legende, die das Turnier schon mit 6/6 angeführt hatte und wie der sichere Sieger aussah, bevor "Gerry" aus den Partien gegen Belezky und Bezold nur 0,5/2 holte, schon früh Remis geboten, worauf er zunächst in einen Lachflash verfiel, von dem der ganze Spielsaal was hatte. Dann lehnte er ab, aber sehr bald habe ich zumindest erreicht, dass er nicht mehr so stark lachte, nämlich in der Diagrammstellung. Mir fehlt etwas die Lust, das lange breitzutreten, aber ich halte jede Einschätzung, außer "Weiß sollte total auf Gewinn stehen" so gut wie für ausgeschlossen. Beginnen sollte man mit 16.Sdb5+ und dann je nachdem. Es wird schon aus sein. Ich beging aber den Fehler, (nachdem Bezold auch Remis gespielt hatte und das Turnier mit 7,5/9 abschloss)- mit einem an sich riesigen Buchholzvorteil von 2,5 Punkten - , mich eigentlich nur noch um einen sicheren Abschluss der Partie und des Turniers zu bemühen. Und das rächte sich, so wie es auch sich gehört!

16.Sxc6+ Kxc7 17.Sxe5 Nun hätte ich nach 17...Kb6 nicht viel gehabt... außer eben 18.Sxf7 mit Verfolgung des Turms und Remis. Das Schicksal gab mir aber noch eine zweite Chance:

17...Ld6?



Nun gewinnt 18.Txg7 wirklich fast beliebig, aber ich war total blind und nahm einfach mit 18.Txd6 raus, nur um zu bemerken, dass nach 18...Kxd6 19.Sxf7+ Ke6 20.Sxh8 Ld7 21.Sg6 hxg6 22.Txg6+ Kf7 (fast) alles rum war. Ich spielte auch gar nicht erst weiter, sondern nahm sofort Hertnecks Remisgebot an. Der Rest war wieder eine Niete in der Schäfchen-Lotterie...

Wie übrigens auch am Tag darauf in Bensheim (H). Die Tabelle ist hier zu finden, es verlief bis zur letzten Runde, wo ich deutlich unterperformt habe (keine Sorge, es war ausgekämpft!) eigentlich alles ganz normal. Gewinne ich das Ding, war es ein schöner Tag. Gewinne ich es nicht und habe kein übermäßiges Pech, ein mittelschöner. So aber...

Ich merke gerade, dieser Artikel ist nicht gerade kurz geworden. Und obwohl ich von der schachlichen Seite her Riga am Liebsten für immer vergessen wollte, bin ich euch aber immer noch 2 Sachen schuldig: Die Auflösung des Turmendspiels und das Hauen und Stechen aus Runde 2. Aber... wir wollen einem geschenkten Gaul ja nicht so genau auf die Beißerchen schauen und deshalb waren das leider die Dinge, die wir nun wirklich auf das nächste Mal verschieben müssen. Hier aber wenigstens noch ein paar Bilder aus Riga, wohin ich als reiner Tourist wirklich noch mal gerne wiederkommen würde:

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Brautparade

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Nationaloper

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Hanseatischer Baustil

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Mehrere Arten von Brücken und ein ziemlich merkwürdig aussehender Fernsehturm im Hintergrund

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In Riga und vermutlich auch in ganz Lettland kommt die Rechnung im Restaurant immer in Boxen, Mäppchen oder gar Pfännchen und das Bedienpersonal verweigert einem, genau wie Kassiererinnen im Supermarkt, jeglichen Haut/Handkontakt. Man legt etwa bei einem Rechnungsbetrag von 17 Lat 20 einen 20-Lat-Schein in die Pfanne, diese wird abgeholt und voller Kleingeld zurückgebracht. Danach kann man entscheiden, wieviel und ob überhaupt Trinkgeld man da lässt und die Kellnerin kommt auch nie mehr zu einem zum Tisch, solange man noch da sitzt. Was uns Umumba und ich immer gefragt haben, ist die fast schon philosophische Überlegung, ob die auf diese Weise etwa im Vergleich zu Deutschland eher mehr oder eher weniger Trinkgeld erzielen?

Freitag, 12. August 2011

Endspieltechnik

Toms Kantans - Ilja Schneider, Riga 2011 (4)



Ich bin dran und habe etwa 50 gegen 2 Minuten. Durch die Rigaer Bedenkzeit bekommt er außer den 30 Sekunden Inkrement pro Zug nichts mehr hinzu. Ich kann also im Prinzip gewinnen, wie ich will, denn ich habe glatte 2 Mehrbauern und er dazu fast keinerlei Gegenspiel. Ich kann mittels 30...f4 meinen Mehrbesitz sichern, riskiere dann aber, dass er sich wenigstens noch ein bisschen erholt. Immerhin kommt er dann zu einer Blockade mit Se4 und Kf3. Verlockend ist natürlich einfach 30...Lxg3 mit Übergang ins Turmendspiel, dort muss ich mich allerdings in allen Varianten schnell von einem der Mehrbauern trennen. Ich nahm nach einer halben Stunde Bedenkzeit auf g3, sah aber das wichtigste Motiv nicht und hätte die Partie fast noch verdorben. (Ok, ich HABE sie verdorben, nur das mein Gegner irgendwann in einem totremisen Endspiel einfach die Uhr anhielt und aufgab. Ich dachte zuerst, er will auf dreimalige Stellungswiederholung reklamieren, die keine war, was ich ihm auch erst noch versuchte zu erklären, und erst sein "But I resign!" brachte mich endgültig dazu, fast vom Stuhl zu fallen. Das nur am Rande, so etwas habe ich auch noch nie erlebt.)

Also, wie siehts aus? Der Rest der Partie folgt später (vielleicht auch erst nach dem Turnier), aber wer findet den mathematisch exakten Gewinn nach 30...Lxg3! ? Achja, Achtung vor Pattfallen!

P.S. Man möge mich noch daran erinnern, auch kurz auf das Hauern und Stechen in Runde 2 einzugehen :)

Dienstag, 9. August 2011

Zwillinge

Das Open in Riga ist heute genauso gestartet, wie das in Pardubice aufgehört hat. Ich war nach etwa einer halben Stunde fertig. Nur konnte ich mich diesmal in die Siegerliste eintragen, eine Ehre, die mir in Pardu erst in Runde 4 zuteil geworden ist. Ich produzierte folgende "petite combination", wie es Mischas Vor-vor-vor-vor-vorgänger Jose Raul Capablanca nennen würde:

Ilja Schneider - Antti Lehto, Open Riga 2011 (1)



15.Lh7+ Kf8 16.Sxf7 Kxf7 17.Dg6+ Kf8 18.Dxe6 1:0

Irgendwie fiel mir dann auf, dass ich das alles schon mal gesehen habe. Ein Blick in meine Partiendatei gab mir tatsächlich recht - es war in Deizisau vor anderthalb Jahren:

Ilja Schneider - Moritz Kracke, Neckar Open Deizisau 2010 (1)



In dieser, vom ersten Diagramm sichtbar absolut unterschiedlichen Stellung entschied überraschenderweise das Motiv 15.Lh7+ Kf8 16.Sxf7 Kxf7 17.Dg6+ Kf8 und nun 18.Td3! (18.Dxe6 ist diesmal nicht klar wegen 18...Sf6) und nun kann man leicht ersehen, dass nach jeder vernünftigen schwarzen Antwort der Schwenk des Turms nach f3 entscheidet, etwa nach 18...Sf6 19.Tf3 Sxh7 20.Lxh6+ Lf6 21.Txf6+ Sxf6 22.Dxg7+ Ke8 23.Df8+ Kd7 24.Df7+ Kd6 25.Lf4+ e5 26.Le5#

Die Partie dauerte mit 18...Lf6(?) 19.Ld6+ nicht ganz so lange.

Interessant ist aber nicht das. Angekommen im Hotelzimmer, studierte ich anschließend noch die aktuellen Ergebnisse und Partien des ZMDI-Opens in Dresden. Dort spielen auch 3 Prinzen mit (Blübaum, Donchenko und Lampert), mit denen ich in der jüngeren Vergangenheit mal bessere, häufiger (Ströbeck) schlechtere Erfahrungen gemacht habe. Wenn man denen einen Finger in den Mund legt, die beißen meist mindestens bis zum Ellenbogen ab. Größte Vorsicht ist da angebracht... Jedenfalls musste Blübaum, der neulich beim IM-Turnier in Dortmund eine entsprechende Norm holte und also mit 14 auf dem Sprung zum Titel steht, heute gegen den an 1 gesetzten Tomasz Markowski antreten. Leider hielt er nicht durch:

bluebaum


Tomasz Markowski - Matthias Blübaum, Dresden ZMDI Open 2011 (4)



Gerade wurden die Türme getauscht, aber Schwarz hat ein ganz schweres Spiel. Der Springer leidet total an einer zu geringen Anzahl an betretbaren Feldern und die "Mehrheit" am Damenflügel ist nicht viel wert. Währenddessen kann Weiß versuchen, mit dem König einzudringen, oder auf Zugzwang zu spielen. Die Partie dauerte von hier an keine 10 Züge mehr:

37...Sf8 38.Kf3 Kd7 39.Lb5+ Ke7 40.Ke4 Sh7 41.h4 Auch hier kommt der Springer nicht raus.41...Sf8 42.d5 exd5+ 43.Kxd5 Sg6 43...Se6 44.Kc6 ist nicht besser. 44.Ld3 Sf8 45.Lf5!



Ein imposantes Schlussbild! Schwarz ist in totalem Zugzwang. Durch Springerzüge lässt er sich ein verlorenes Bauernendspiel andrehen und 45...g6 46.Lh3 vergrößert den Einflußbereich des Springers auch kaum. Also gab Blübaum auf. 1:0

Als ich mir das durchgeklickt hatte, wusste ich aber sofort, dass mir das schon mal irgendwo untergekommen ist. Ich musste nicht lange suchen, um die Partie Khalifman - Sandipan aus Bad Wiessee 2010 zu finden, bei der ich live dabeigewesen bin und sie im Übrigen auch für die Schach verarbeitet habe:

Alexander Khalifman - Chanda Sandipan, Bad Wiessee 2010 (8)



Scheinbar hat der Exweltmeister die etwas schlechtere Ausgangsposition als sein polnischer Großmeisterkollege, da hier der weiße Bauer bereits auf h5 steht und somit dem Springer nicht das Feld g5 streitig machen kann. Also muss der Läufer immer das Feld h7 bewachen, sonst entwischt das Ross noch in die Freiheit. Sonst bleibt natürlich, wie im obigen Beispiel die Idee, auf Zugzwang zu spielen. Khalifman löst die Aufgabe mit Bravour:

46.Kc3 Kd5 47.Lc2! Nun kann der Springer nicht ziehen, da der e6 fällt. Also für den schwarzen Monarchen: Kommando zurück!
47...Kc6 48.Le4+ Kc7 49.Kc4 Sd7 50.Kb5 Sb8 Der Springer hat seinen Knast zugunsten eines anderen verlassen. Von b8 ist aber wenigstens ein kleiner Spalt in die Freiheit (c6) geöffnet. Also jagt Weiß ihn in den alten Kerker zurück: 51.Lg2 Sd7 52.Lh3 Sf8 53.Lg4!



So, das ist kein Zugzwang light mehr oder sowas. Vielmehr wird es jetzt erst richtig ernst. Der König muss ziehen und dann kommt: 53...Kb7 54.d5! Und Weiß ist durch. Es folgte noch 54...exd5 55.e6! und statt gleich aufzugeben, versuchte Schwarz es noch einmal mit der witzigen Mattdrohung 55...Sh7 56.e7 Sf6 57.Ld7 Se4!? die aber mit 58.Lc6+! (58.e8D?? wäre dagegen auch nicht mal der Zweit-oder Drittbeste, nun aber kommt auf 58...Ka7 einfach 59.Lxd5 ) und 1:0 abgewiesen wurde. Sachen gibts, die gibts gar nicht.

Und sonst? Sonst war eigentlich nicht so viel los bisher. In Jurmala waren Umumba und ich am gestrigen (freien) Urlaubstag. Sonniges Wetter am Strand haben wir auch erwischt, wie natürlich auch für diese Webseite passendes Fotomaterial:

Ilja-David-Schildkroete
Das ist das Wahrzeichen von Jurmala

Ilja-David-Strand
am Baltischen Meer. Irgendwo weit hinter uns soll Skandinavien sein

beautiful-girl
...and consider why a beautiful 18-year-old girl seems so interested in you.... bisher tappen wir bei der Beantwortung dieser Frage noch völlig im Dunkeln. Nein Scherz, Katrina ist keine 18 mehr, aber dafür Umumbas Mannschafskollegin beim Delmenhorster SK. In der letzten Bundesliga-Saison sorgten beide mit ihren Partien ziemlich für Furore, sie auf ihre Weise, er auf seine :)

Sonntag, 7. August 2011

Auf Mischas Spuren

Willkommen aus dem Hotel Riga direkt im Herzen Rigas! Hier sitzen User Umumba und ich - ausgestattet mit einem herrlichen Blick aus dem fünften Stock auf weite Teile der Stadt - seit geraumer Zeit fest, bedingt durch einen plötzlich aufgezogenen Hagelschauer. Nun ist es aber ein wenig klarer geworden, was uns erlauben wird, der Lieblingsbeschäftigung von a) deutschen b) Schachspielern in einer fremden Stadt nachzugehen: Sich etwas zu essen zu organisieren, was sich möglichst überhaupt nicht von der heimischen Küche unterscheidet.

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Blick aus dem Fenster

In den Mittagsstunden hatten wir bereits Zeit für eine recht ausgedehnte, wenn auch nicht ganz freiwillige Erkundungstour durch die ehemalige Hansestadt. Um halb 10 morgens in Riga gelandet (aufstehen kurz nach 4!), stellten wir fest, dass das Hotel (imposanter Jahrhundertwende-Bau mit deutlich sozialistischen Fahrstühlen) seine Pforten erst um 15 Uhr öffnen würde. Also die Sachen in der Lobby abgeladen und erst einmal einem alten Bekannten Besuch abgestattet.

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Insgesamt ist Riga ziemlich grün, sauber und friedlich. Heute war in der Stadt "Ligavu Parade" ("Bride Day"), so dass überall auf dem Zentralplatz aufgestylte Bräute zu sehen waren... habe ich so auch in der Form noch nicht erlebt. Außerdem planen Umumba und ich im Park direkt neben Mischa Tals Denkmal, die um 1 Lv spielenden Opas auszunehmen. Wir haben den heute schon über die Schulter geschaut, Niveau war ziemlich fishy. Viele der Figuren auf ihrem Brett waren allerdings nicht klar den weißen oder schwarzen Steinen zuzuordnen. Mal gucken, ob wir das noch fotographisch festhalten können.

Gewarnt wird allerdings dringend vor einigen Gefahren, die auf Touris im Nachtleben lauern können. So sollte man zum Beispiel in einigen Lokalitäten ausdrücklich vermeiden, alkoholische Getränke ohne eine exakte Preisangabe zu bestellen, wenn man nicht gerade umgerechnet 300-500€ für eine Flasche Wein oder Schampus locker sitzen hat. Unser extrem ironisch verfasster Riga-Reiseführer bringt es etwa so auf den Punkt:

Sadly,... should always be on the lookout for any suspicious characters, especially young girls who are eager to invite you to a local bar for a drink. Use your head [und damit haben wir Schachspieler leider so unsere Schwierigkeiten] and consider why a beautiful 18-year-old girl seems so interested in you....

Na gut, erstmal genug der Horrorszenarien. Morgen geht es ersteinmal nach Jurmala. Das ist eine Küstenstadt 20 km von hier, mit einem (zumindest zu Sowjetzeiten) höchst populären Badestrand, bevor es dann am Dienstag zum ungeliebten "Nebenprogramm" an die Bretter gehen wird. Zum Glück gibt es nicht nur Doppelrunden...

Donnerstag, 4. August 2011

Vorwort zur zweiten Auflage

So. Ich merke schon, die Resonanz ist hier noch deutlich höher als bei der Wiedereröffnung der Dresdner Frauenkirche vor ein paar Jahren, also fangen wir einfach mal an.

Die allererste Frage ist dabei: Was hat sich in den letzten 11 Monaten verändert? Und was ist immer noch so, wie es war?

Manche Dinge ändern sich nie!

Zum Beispiel das mit den SF Berlin und der Schachbundesliga. So langsam entwickeln wir uns nämlich zu den wahren "Unabsteigbaren!" Mussten wir im Jahre 2009 noch zum Tegernsee-zieht-sich-doch-zurück-Trick greifen und 2010 ein klassisches Finale gegen Bayern München bestreiten, so gab es diesmal 2011 noch mehr Adrenalin. Habt ihr bestimmt alles mitverfolgt: 5,5:2,5 gegen Griesheim, 4:4 gegen Trier, mit anderthalb Beine in der zweiten Liga, Tazbirs Springerendspiel, Stichkampf im Rathaus, Maksimenkos (fast)-Dauerschach, das denkbar knappe 4,5... Jedenfalls sind wir immer noch dabei und unsere neue Aronian-Abel-Zange wird sicherstellen, dass dies auch 2012 so bleibt. Natürlich auch wieder mit eurem Gastgeber als Hinterbänkler und Schachbundesliga.de-Kolumnist.

Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst der Schach-Zeitung

Noch überraschender als den Berliner Klassenerhalt finde ich ehrlich gesagt, dass es sie noch gibt, die "Schach-Zeitung". Jedes Vertrauen auf die selbstregulierenden Kräfte des Marktes (von wegen Angebot und Nachfrage und so) hat sich hierbei bisweilen als illusorisch erwiesen. Das Ding wird immer noch gedruckt, verkauft und überraschenderweise sogar gelesen. Gut, in den Ländern Niedersachsen, Bremen und Baden-Württemberg geschieht dies mittlerweile nicht ganz ohne Zwang, kürten doch die dortigen Landesvorstände die "Schach-Zeitung" weitestgehend gegen die Meinung der Basis als Ersatz für die "Rochade Europa" zum offiziellen Verkündungsorgan, was zur Folge hat, dass jeder Verein zur Abnahme bestimmter Stückzahlen verpflichtet ist...

Schon gut, genug zum Thema. Ihr habt das ja bestimmt schon auf Schachfeld.de oder dem Forum des Württembergischen Schachverbands alles schon gelesen. Ist nicht das schlimmste Problem des deutschen Schachs.

Achja, wo wir grade bei Sachen sind, die sich niemals ändern: Ich bin immer noch kein GM. Nur, bevor hier Fragen kommen, wann das noch kommt und warum es nocht so ist. Nein, ich habe auch noch keine GM-Norm, wenngleich ich bei meinem letzten ernsthaften Versuch in der österreichischen Bundesliga eher an administrativen, als an spielerischen Problemen gescheitert bin.


Die Welt des Internet-Schachs im Wandel

Hier sind es viel zu viele Dinge, die seit letztem August passiert sind und es wird schwierig werden, alles aufzuzählen. Neue Schachseiten sprießen aus dem Boden wie Pilze. Gut, einiges werdet ihr schon kennen. Euch den (neuen) Blog von Jan Gustafsson vorzustellen ist eventuell genau so sinnvoll, wie etwa Herbert Grönemeyer im Vorprogramm von Sasha oder die Klitschkos als Vorkampf zu Arik Braun antreten zu lassen. Die Seite, bei der kein Tag vergeht, ohne dass ich mal vorbeischaue, wird euch sicher schon ohne mich ein Begriff sein.

Auch an Schach-welt.de werdet ihr mit Sicherheit schon vorbeigesurft sein. Wie einem unschwer entgangen sein könnte, gehörte auch euer Autor in den Anfängen zum Autorenteam und es war auch durchaus nett und so, aber... wenn man selbst früher eine Eckkneipe zu seinem Eigen hatte, geht man halt nicht mehr gern in der Mensa kochen.
In der Mensa essen tue ich aber trotzdem noch fast jeden Tag. Also nicht real jetzt. Dazu kommen wir nämlich später. Vielleicht nicht mehr heute.

Aber mal was anderes. Kennt ihr schon chesstotal.com?
Tut fast keiner, ist aber eine echte Perle. Oder eher Muschel, weil die Perlen noch gar nicht drin sind. Bisher ist nämlich auf dieser von Arkadi Naiditsch aus dem Boden gestampften Seite in ziemlich viel vergangener Zeit noch recht wenig Content enthalten, aber das was da ist, habe ich mit viel Freude und Humor gelesen.
Gespannt bin ich, ob es noch etwas von den angekündigten Mitarbeitern Etienne Bacrot und Sebastien Maze zu lesen geben wird. Bei Melanie Ohme bin ich noch skeptischer, hat sie doch immerhin kürzlich ihre eigene Seite aufgemacht. Hoffentlich kommt da noch was nach.

Ja und dann noch so ein paar Kleinigkeiten. Kirsan will ab 2012 Blitz- und Schnellschach-Elozahlen einführen. Es wird zwar bestimmt nicht billig, aber ich freue mich trotzdem schon diebisch darauf. Immerhin habe ich zuletzt meine normale ELO um nur etwa 40 Punkte ruiniert und habe im Moment etwa soviel Lust auf Langzeitschach wie eine türkische Braut auf eine Totalentwachsung vor der Hochzeit. Ganz schlimm war es zuletzt in Pardubice, wo ihr vermutlich sofort wutentbrannt die 17-zügigen Kurzremisen aus dem Vorjahr verlangt hättet. Diesmal habe ich in den letzten 3 Partien zusammen auch kaum mehr Züge geschafft...

So musste ich kurzerhand ein paar Veranstaltungen canceln um den freien Fall wenigstens ein wenig zu stoppen. Ich will ja nicht irgendwann als IM mit <2400 rumlaufen... Meinen zahlreichen Kritikern und Missgönnern zum Ärger ist dabei auch ein GM-Turnier in Holland zum Opfer gefallen, was Ende August ohne mich stattfinden wird. Nicht mehr stornieren ließ sich dagegen ein am nächsten Dienstag in der lettischen Hauptstadt Riga startendes Open, wohin ich am kommenden Sonntag zusammen mit User Umumba aufbrechen werde.

Damit erstmal genug für heute. Was heute unbeantwortet blieb, wird ewig in Vergessenheit bleiben... außer jemand traut sich ganz schüchtern zu fragen.

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So habe ich die Schaf(f)enspause wirklich verbracht

Dienstag, 2. August 2011

So sieht man sich wieder...

...wenn auch vielleicht nicht so häufig und intensiv wie in den lange vergangenen Bad Herrenalber Sommertagen, doch anscheinend werden wir uns von nun an trotzdem wieder häufiger begegnen. Betrachtet den neuen "Schachzoo light" einfach mal als wieder eröffnet. Details und ein paar neue Regeln folgen später.

Wobei ich mich im Moment schon frage, wie ihr euch eigentlich noch hierher verirren konntet :)

Also noch einmal: Herzlich willkommen!

Montag, 30. August 2010

Es ist aus

In den letzten anderthalb Jahren ist einiges passiert. An dem lauen Sommernachmittag in Bad Herrenalb, an dem der Schachzoo das Licht der Welt erblickte, war ich wohl selbst mit am Wenigsten derjenige, der an einen Erfolg dieses gewiss etwas eigenwilligen Projekts geglaubt hätte. Wer würde schon Reise- und Turnierberichte eines unbedeutenden Semi-Schachprofis lesen? Es interessiert ja nicht einmal meine eigenen Eltern besonders…

Ich hatte mich getäuscht.

Fast direkt ab der Stunde Null war die Resonanz riesig. Schnell sprach sich die blau-gelbe Seite mit einem irgendwo im Netz geklauten Zebrastreifenmuster unter den Schachinteressierten herum. Bunte Bilder, reißerisch verfasste Texte, sowie natürlich Tromp & Colorado ziehen die Massen eben an, besonders im Vergleich zum sonst besonders bei den Standardseiten wie Chessbase und Schachbund erhältlichen Einheitsbrei. Falls der Inhalt den Leser doch einmal nicht ausreichend zu provozieren und aus der Reserve zu locken vermochte, der „Ilja! Ich finde deinen Blog super!...“ – Kommentar von Chev Chelios erreichte dieses Ziel mit tödlicher Sicherheit. Schnell war eine Antwort eingetippt, die Leser involviert, eine Diskussion entfacht. Der Blog florierte, täglich fanden 1000 Spieler den Weg auf die Seite, Woche für Woche, Monat für Monat. Unzählige (aber zumeist positiven) Reaktionen auf den Zoo verfolgen mich nun seit über einem Jahr bei jedem Schachturnier in unserem Lande, bei dem ich auftauche, ob in Bremen, Berlin, Bayern oder Baden-Württemberg. Ohne mich selbst über alle Maßen loben zu wollen, aber wenn ich behaupte, dass mir mit dem Projekt etwas gelungen ist, was in (kurzen) Geschichte der deutschen Schach-Blogs einmalig war. (Anmerkung: Der letzte Satz stellt ein von mir als kontrollierte Arroganz zu bezeichnendes Stilmittel dar, welches im Gegensatz zu echter Arroganz durchaus legitim ist.) Warum also nicht einfach heiter weiter?

Nun ja.

In letzter Zeit musste ich leider eine gewisse Veroberflächlichung , geradezu eine Degradation meines Spiels feststellen. Während ich etwa im Zeitraum von 2002-2008 durchaus mit einigem Erfolg versuchte, durch Weiterbildung meine total verkorkste Jugendzeit zu kompensieren, ist der Trend ab 2009 wieder rückläufig. Die Tromp- und Colorado-Quote steigt wieder an, genauso wie die Anzahl der gekauften, aber ungelesenen Schachbücher im Schrank (das Zeichen schlechthin für einen ewigen Verlierer!) das Spiel wird zwar routinierter und schneller, aber auch unkonzentrierter und oberflächlicher. Von zahlreichen taktischen Aussetzern ganz zu schweigen. Zwar befindet sich aktuell auch die ELO auf einem Allzeithoch, aber die Frage, ob das an meiner Leistung oder an der weltweiten ELO-Inflation liegt, drängt sich geradezu auf. Es ist ja auch egal, 2519 reicht mir sowieso nicht. Ich weiß nicht, ob ich mehr kann, aber ich will mehr. Zumindest will ich mehr versuchen. Sonst könnte ich, glaube ich, nicht glücklich werden. Dazu könnte ich zum Beispiel ein paar Stunden bei einem renommierten Trainer nehmen, mir ein paar Taktikbücher kaufen und lesen, oder zumindest das Zeug , was ich bereits im Schrank stehen habe, ordentlich bearbeiten. Oder mich einfach mal mit Rybka und der Mega hinsetzen und einfach mal drauflos analysieren, ganz wie in alten Zeiten. Nein, keinen Colorado.

Kurzum, ich müsste mich auch außerhalb der zahlreichen Turniere mehr mit Schach beschäftigen. Viel mehr.Wie es auch die ganzen anderen Guten machen, oder zumindest die Erfolgreichen.
Und was mache ich? Ich schalte zuhause meinen Laptop ein und verbringe 2-3 Stunden im Schachzoo, wo ich zumeist ausführlich meine Colorado- und Trompowsky-Partien kommentiere, die ich vorher (und das ist vielleicht sogar das Schlimmste!) vielleicht auch noch - zumindest unterbewusst - EXTRA aufs Brett gebracht habe, um sie danach der Fan-Gemeinde präsentieren zu können?! 3 Stunden, die man hätte auch gut in Königsindisch stecken können?! Bei aller Liebe, aber Freunde, ihr müsst mir zustimmen: Das ergibt einfach keinen Sinn.

Ich will wieder selbst Entwickler und Chef meines Erfolgs werden. Jemand, der für sich selbst verantwortlich ist, und sich für nichts rechtfertigen muss. Ganz im Gegenteil zum Marketing- und Pressefutzi, zu dem ich im Moment degradiert bin. So ist kein Fortschritt möglich. Ohne diesen würde es mir aber sehr schwer fallen, glücklich zu werden. So bin ich nun eben gestrickt.

Ob es mir wirklich gelingen wird, ein besserer Spieler zu werden, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich habe im Moment vor, es zu versuchen. Ob die von mir oben skizzierten Maßnahmen am Ende fruchten werden, oder überhaupt eingeleitet werden, steht auf einem anderen Blatt. Aber wie jetzt, mit einem dauerhaft schlechten Schach-Gewissen, möchte ich nicht mehr leben.
Zu alledem kommt noch hinzu, dass ich bald nach Hannover zurückziehe und wirklich mal langsam mein Chemiestudium zu einem guten Ende führen muss. Und auch die liebenswerte junge Dame, die ihr alle unter „Rössel“ kennengelernt hat, wird sich bestimmt über einige zusätzliche Stunden Miteinander freuen.

An dieser Stelle endet das Projekt Schachzoo. Zumindest vorläufig. Die Seite lasse ich im Netz und richte eine kleine Ecke ein, in der ihr etwa Colorado-Varianten oder etwaige Live-Partien des Kaffeehausspielers diskutieren könnt. Ich möchte an dieser Stelle keinesfalls die Möglichkeit auslassen, mich bei allen zu bedanken, die hier in den letzten anderthalb Jahren mitgelesen und mitgefiebert haben. Ihr seid toll! Wem der Abschied dennoch allzu schwer fällt, der sei daran erinnert, dass ich der Schachwelt ja keineswegs verlorengehe – ich stehe weiterhin bei jedem Turnierchen für eine kleine Colorado-Einführung oder einen Plausch über dies und das zur Verfügung. Auch geht selbstverständlich mein Engagement auf schachbundesliga.de und in der SCHACH weiter. Und es werden auch sicher früher oder später Live-Partien kommen, die keine Kurzremisen sind.
Aber hier ist nun Schluss. Es war mir eine Ehre und ein riesiges Vergnügen obendrein. Ich hoffe, es geht euch genauso. Bis bald!

Euer Ilja

Dienstag, 17. August 2010

Tolle Schachbilder...

... in riesiger Menge, besonders von den Großveranstaltungen Mainz, Wijk aan Zee, Bad Wiessee und auch vielen anderen Turnieren der letzten Jahre gibt es auf der Foto-Homepage des Hamburgers Joachim Schulze. Unbedingt anschauen, die Chance, evtl. auch mal sein eigenes Konterfei zu entdecken, ist sehr hoch!

Sonntag, 15. August 2010

Sieg!

Das Herner Benefizturnier zugunsten des dortigen evangelischen Kinderheims scheint mir irgendwie zu liegen. 2006 bin ich da schon einmal aufgetaucht (mit zarten 2334 auf den Hörnern) und das kam dabei raus:

http://www.ev-kinderheim-herne.de/benefiz06/tabelle.html

An eine Wiederholung solch eines Ergebnisses zu denken, erscheint natürlich utopisch, sei es auch nur, weil ich heutzutage viel zu viele Remisen mache. Trotzdem liest sich auch die Tabelle der 2010-er Auflage, die gestern über die Bühne ging, ganz nett:

http://www.ev-kinderheim-herne.de/benefiz2010/tabelle.html

Irgendwie war so, als ob jemand da oben (Caissa?) dringend wollte, dass ich das Ding gewinne. Zuerst verabschiedet sich Topfavorit und mein Angstgegner Daniel Fridman mit einer Niederlage in der zweiten Runde für längere Zeit aus dem Titelrennen. In den weiteren Runden machen sich auch schon die Mitfavoriten Mainka, Hausrath und Podzielny durch Punktverluste das Leben schwer.
Dann das hier:

Ilja Schneider - Svetlin Mladenov (2467), Herne 2010 (6)



Sagen, ich hätte etwas Zählbares aus der Eröffnung rausgeholt, wäre deutlich übertrieben. Aber:

13...Lb4? 14.fxe5 Lxc3? 15.bxc3 Sxe5?! Ob 15...dxe5 so viel besser war, weiß man nicht mehr.

16.Sxe5 dxe5 17.Td6 Ke7 18.Thd1 Tad8 Er zog es, ohne mit der Wimper zu zucken.

19.Txd8 Txd8 20.Txd8 Kxd8 21.g4 Und über das Bauernendspiel müssen wir uns nicht mehr unterhalten.

Ein Kurzremis gegen Berelowitsch später traf ich mit Schwarz auf den mir bisher unbekannten bulgarischen IM Petar Arnaudov (2423) In dieser Partie durchlebte ich erstmal eine Nahtod-Erfahrung:

1.d4 Sf6 2.c4 c6 3.Sf3 d5 4.Dc2 dxc4 5.e4

Das kannte ich nicht, aber reagierte zunächst jeweils nach der Empfehlung der Database (Gut, es war auch nicht so schwer):

5...b5 6.b3 cxb3 7.axb3 e6 8.Ld2 a5! 9.Ld3 Lb7 10.0-0



Nach einer kurzen Recherche bieten sich hier dem Schwarzen hier zwei Wege. Es ist klar, dass bald der weiße Springer nach c3 geht, also müssen wir das Feld b4 nutzen und alles wird gut. Also, 10...Sbd7 und nach 11.Sc3 dann Lb4, oder, was mir besser gefällt, erst 10...Le7 und nach 11.Sc3 Sa6! mit der Idee 12...Sb4. Ich war aber noch etwas groggy vom unerwarteten Spielverlauf und produzierte:

10...Sbd7 11.Sc3 Le7?

"Hm, was mache ich hier eigentlich nach 12.e5! ? Aufgeben?"

12.e5! Sd5 13.Sxd5 cxd5 13...exd5 14.Lxh7 oder so ist gar zu grausam.

14.Lxb5 0-0 15.Tfc1



Totale Finsternis. Was soll ich ziehen?

15...Tc8 Ein bisschen Blut spucken. Vielleicht hilft es ja.

16.Da2 Lb4 17.Lxb4 axb4 18.Da4 Sb8



Ab jetzt kommt der Aufwärtstrend. Wird ja auch Zeit. Rückwärts geht es ja auch nicht mehr.

19.Dxb4?! 19.Txc8 Dxc8 20.Dxb4 ist genauer.

19...Db6 20.Da4 f6 21.exf6 gxf6 22.h4?! Sc6 Hoffnung.

23.Lxc6 Txc6 24.Txc6 Lxc6 25.Da6? 25.Da7 natürlich.

25...Tb8 26.Dxb6 Txb6 27.Tb1 Tb4



Er hat es ja in den letzten Zügen schon richtig mies behandelt und es steht, bedingt durch die Wertlosigkeit seines Mehrbauern schon glatter Ausgleich auf dem Brett. Aber es geht im gleichen Stile weiter:

28.Kf1?! Lb5+ 29.Ke1 Ld3 30.Tb2 Le4? Ein einziges Mal bekommt er noch seine Chance. Hier will ich deutlich zu viel und habe nach 31.Kd2! Lxf3 32.Kc3! ein klitzekleines Problem. Aber das Karma war schon längst auf meiner Seite:

31.Ke2? Kf7 32.Ke3 Immer noch 32.Kd2!? Lol. Oder auch so was wie 32.g3. Alles besser, als seine Fortsetzung.

32...Lxf3 33.gxf3? Langsam wird es krass.



33...e5 34.dxe5 fxe5 35.h5 Ke6 Nun ist es bereits richtig eng für ihn. Immer noch ist sein b3 nichts wert, während auf ihn in der Brettmitte die Welle zurollt.

36.Kd3 Kd6 Eigentlich die falsche Richtung (36...Kf5!), aber kein irreparabler Fehler, da er ja nichts mehr ziehen kann.

37.Kc3? Das wars aber endgültig.

37...Tf4 38.Ta2 Txf3+ 39.Kb4 Da steht er schön.

Herne

39...e4 40.h6 Ke5 41.Ta7 Txf2 42.Txh7 Th2 43.Kc5 Tc2+ 44.Kb5 Kd4 45.Te7



Doktor Tarrasch hatte auch nicht immer recht!

45...Th2?! 45...Tc8 und meine Bauern rennen ihm die Bude ein.

46.h7 Ke3?? Ich will Dworetzkys "Rolltreppe fahren", aber das lässt mal eben den (Turnier-)Sieg aus. Ein unbelesener Spieler hätte hier 46...e3! gezogen - und leicht gewonnen.

Ich weiß nicht mehr genau, was er hier zog. Nur noch, dass meine Bauern am Ende total ungehindert ins Ziel laufen konnten. Den Versuch, einen davon mit 47.Kc5 d4 48.Kd5 zu eliminieren, hatte ich zwar noch gesehen, aber 48...Th5+ 49.Te5! mit Remis nicht mehr. Er aber auch nicht. Stünde mein Turm auf der achten Reihe, wären solche Tricks a priori nicht möglich, weil ich immer viel bessere Zwischenschachs geben könnte.

Naja, seis drum. Jedenfalls beschloss ich nach dieser Partie mein Glück an diesem Tag nicht noch besonders weiter auszureizen und bot in der Schlussrunde gegen Daniel Hausrath schnell Remis an, was er auch annahm. Der anschließende Blick über die Buchholzschäfchen verhieß zwar zunächst nichts Gutes (inklusive einer verpassten Reklamation auf Zeit), aber meinen beiden Konkurrenten Michail Zaitsev und Svetlin Mladenov (schlug in der letzten Runde Fridman) erging es auch nicht viel besser. Wenn niemand will - dann nehmen wir den Ersten eben mit :-)

Herne-2010

Und zum Vergleich:

Herne-2006
Als ob es gestern oder vorgestern war.

(Fotos von der Turnierseite bzw. von http://www.dreifaltigkeits-kirchengemeinde.de/)

Hier noch ein Bericht zum Turnier auf dem Schach-Ticker.

Samstag, 7. August 2010

Chess Classic in Mainz...

...oder zumindest das, was von ihnen noch übriggeblieben ist, gehen heute und morgen über die Runde. Natürlich sind auch wieder meine Wenigkeit zusammen mit den mittlerweile inaktiven Till Wippermann und Dennes Abel (!) dabei, um dem einen oder anderen 2650+ in die Suppe zu spucken. Im luxuriösen Hilton Mainz (direkt am Rheinufer gelegen) ließ sich gestern, bzw. heute beim Frühstück noch viel Schlaf nachholen und die notwendige Energie für die kommenden Aufgaben sammeln. Besonders das Frühstück, ein reines Schaulaufen der Stars. So wurden von mir allein schon Aronian, Kasimdzhanov, Movsesian, Shirov, Bologan, Karjakin und viele, viele andere gesichtet, die morgen abend ein möglichst großes Stück vom Preiskuchen der "Grenke Schnellschach-WM" abhaben wollen.

Hier kann der Fortschritt des Turniers live verfolgt werden. Vielleicht ist auch einmal eine Live-Partie (garantiert kurzremisfrei :-)) von mir drin. Das aber nur bei eventuellen 4/4 in der fünften Runde.

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