14. März 2025
Die Topfavoriten waren sie vor dieser Saison nicht. Aber in der sechsten Runde gelang der Coup. Mit 3,5:2,5 siegte der SC 1957 Bad Königshofen gegen die favorisierte Mannschaft der Frauen-Bundesliga, den SK Schwäbisch Hall. FM Jana Schneider schaffte dabei gegen die georgische GM Bela Khotenashvili, die rund 200 Elopunkte mehr als sie hat, ein Remis. „Es haben nicht so viele erwartet, dass wir dieses Duell gewinnen“, sagt die 22jährige Jana Schneider im Gespräch mit Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit, „aber wir haben es geschafft.“ Seit über zehn Jahren spielt die WGM-Titelträgerin schon für Bad Königshofen, holte 2019 und 2021 die Meisterschaft nach Unterfranken. „Es wäre natürlich schön, wenn es ein drittes Mal klappen würde.“ Warum nicht? Selbst GM Elisabeth Pähtz, die mit der OSG Baden-Baden, ebenso wie Schwäbisch Hall, nun zwei Mannschaftspunkte hinter den Tabellenführerinnen liegt (12 Zähler), sagt: „Ich wüsste nicht, wer Bad Königshofen jetzt noch aufhalten soll.“ Am kommenden Wochenende werden es mit der SG 1871 Löberitz (Samstag) und dem SZ Seeblick Dippoldiswalde (Sonntag) zwei Außenseiterinnen versuchen.
Dem Zufall überlassen sie nichts in Bad Königshofen. Vor der dritten Runde gegen Baden-Baden bezogen sie vor Ort ein einwöchiges Trainingslager. Es galt, so Jana Schneider, zwei neue Spielerinnen zu integrieren: IM Karina Cyfka und IM Klaudia Kulon, beide Polinnen. Mit Blick auf die Aufstellung von Bad Königshofen liegt der Verdacht (wie bei so vielen Frauen-Bundesligisten) nahe, dass manche ausländische Spielerin vor allem dem Lockruf des Geldes folgt. „Das ist bei unseren Spielerinnen nicht so“, betont aber Jana Schneider, „wir haben einen guten Teamgeist und legen sehr viel Wert darauf, dass Neue schnell ins Team finden. Das freundschaftliche Klima sorgt dafür, dass alle Spielerinnen gerne zu den Spieltagen kommen.“ Man habe auch im Trainingscamp zusammen gegessen, gespielt, Filme geschaut – und natürlich hart trainiert. „Unsere Stärke ist seit Jahren der Teamgeist“, sagt sie, „den brauchen wir auch, um mithalten zu können. Und um die Meisterschaft spielen zu können gegen eigentlich besser besetzte Mannschaften.“
Das soll aber kein Seitenhieb auf andere sein. „Der oft benutzte Begriff, wonach Vereine ‚Spielerinnen einkaufen‘ gefällt mir gar nicht. Die Bundesliga ist doch auch dafür da, dass Top-Spielerinnen aus dem In- und Ausland die Möglichkeit haben, Geld mit ihrem Sport zu verdienen.“ Und die hohe Leistungsdichte, die dann in der Liga herrsche, komme letztlich allen Akteurinnen zugute – und den Fans hochklassiger Partien. „Im Grunde ist es doch jedes Jahr ein sehr enger, spannender Kampf um den Titel, weil viele Teams Wert auf namhafte Verstärkungen legen.“
Jana Schneider war mehrfach deutsche Mädchenmeisterin, auch Europameisterin 2015 in der U14 – und führte in ihrer Altersklasse zeitweise sogar die Weltrangliste an. Seit 2017 ist sie WIM, gewann in dem Jahr auch die Deutsche Fraueneinzelmeisterschaft. Ihre dritte WGM-Norm errang sie 2021. Erinnert sei aber auch an ihre Goldmedaille bei der Olympiade 2022 am fünften Brett (mit 9 von zehn Punkten).
Die Nationalmannschaft – da will sie wieder hin, nachdem sie den Sprung in den Olympiade-Kader 2024 verpasste. „Aber natürlich haben viele gute Spielerinnen dieses Ziel“, weiß sie mit Blick auf die Mannschafts-Europameisterschaft in diesem Jahr. Beim Trainingslager der Kaderspielerinnen des Deutschen Schachbundes in Oberhaching war zuletzt auch für sie die Leistungsdichte wieder spürbar. Und so könnte sich auch bei den Deutschen Meisterschaften in München im Mai entscheiden, wer das Ticket nach Georgien löst. An Ehrgeiz mangelt es ihr selbst nicht. Das Praktikum in Regensburg, im Rahmen ihres Psychologie-Studium, endet noch diesen Monat. Dann wird sie sich ein Semester lang nur Zeit für Schach nehmen. „Dieses halbe Jahr soll mir bei der Entscheidung helfen, ob ich als Psychologin arbeite – oder als Schachspielerin.“
Zurück zur Bundesliga. Zwei Runden noch, bevor die gemeinsame Endrunde der Frauen-Bundesliga mit der Bundesliga auf dem Programm steht – vom 25. bis 27. April in Deggendorf, die finalen drei Spieltage. „Grundsätzlich ist diese Endrunde ein tolles Event“, sagt Jana Schneider, „weil in der Bundesliga auch sehr viele prominente Männer mitspielen, wird das sicher eine große Sache. Und natürlich wäre es umso schöner, wenn wir dort den Titelgewinn feiern könnten.“
Aber erstmal gilt es, zwei vermeintlich leichte Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Darunter am Sonntag das Schachzentrum Seeblick, das Peglau-Familienteam – das etwas andere Bundesliga-Modell. Eines, für das Jana Schneider höchsten Respekt empfindet. „Familie Peglau ist wirklich schwer zu vergleichen mit anderen Mannschaften“, sagt sie, „toll, wie die das auf ihre Art machen.“
Seeblick-Teamchef GM Henrik Teske reist mit Respekt zur Doppelspielrunde nach Löberitz. „Dort warten wirklich zwei starke Mannschaften auf uns.“ Noch ist der ganz besondere Aufsteiger (siehe Story hier) in der Tabelle über dem Strich – also auf einem Nichtabstiegsplatz. Teske und mehrere Spielerinnen kommen gerade von der U20-WM in Montenegro zurück. Der erste Blick auf die dortigen Endplatzierungen täusche dabei ein wenig, so Teske. „Unterm Strich war es gar nicht schlecht.“ WFM Charis Peglau legte einen starken Schlussspurt hin, besiegte zum Abschluss die hoch eingeschätzte indische WGM Ravi Rakshitta (2365 Elo). Sieben Punkte aus elf Partie. „Sie ist durchaus gut vorbereitet auf die Bundesliga“, sagt Teske: "Wir werden uns mit allem, was wir haben wehren." WFM Katharina Bäutigam wurde in Montenegro 82., Dora Peglau landete auf Rang 85. „Natürlich waren sie enttäuscht – aber jetzt ist ja wieder Bundesliga, da kann man sich neues Selbstbewusstsein holen.“ (mw)
// Archiv: DSB-Nachrichten - Frauenschach // ID 36335