7. Oktober 2015
Der vergangene Sonnabend drängte sich geradezu auf, um mal flugs eine kleine Rundreise durch den Osten Deutschlands zu machen: 10 Uhr Deutschland-Cup in Wernigerode, 14 Uhr Deutsche Schnellschachmeisterschaft in Leipzig und am frühen Abend noch ein Abstecher nach Dresden zu einer weiteren Veranstaltung zum 25. Jahrestag des Schachverbandes Sachsen. Und so ging der Plan auch auf. Keine Zwischenfälle, alles schickipucki.
Morgens um 6 Uhr brach ich in Berlin auf. Bei zweieinhalb Stunden Fahrzeit bis in den Harz sollten eineinhalb Stunden Puffer genug sein, um zwischendurch mal eine kleine Pause einzulegen. Kurz vor dem Wechsel bei Magdeburg auf die Autobahn Richtung Süden, fuhr ich etwas unplanmäßig bereits am Abzweig Magdeburg-Rothensee von der A2. Es wurden nämlich Erinnerungen wach an meine Armeezeit 1985-86 in Rothensee, wo die zentrale Nachrichtenwerkstatt der Grenztruppen der DDR untergebracht war. Das Objekt erkannte ich sofort wieder, auch wenn das Eingangsgebäude heute etwas anders aussieht. Aber die Armee ist immer noch da, nur das sie jetzt Bundeswehr heißt und eines ihrer 16 Karrierecenter ist. Nach ein paar Fotos aus dem Wagen heraus (militärisches Objekt = flaues Gefühl im Magen), ging's wieder zurück zur Autobahn.
Trotz des kleinen Abstechers kam ich mehr als pünktlich in Wernigerode an. Eine Stunde vor dem Beginn der 5. Runde war allerdings außer einem Schachhändler weit und breit noch niemand zu sehen. Erst nach und nach kamen die ersten Spieler und Funktionäre. So eine hohe Dichte von Internationalen Schiedsrichtern hatte ich zuletzt bei der Schacholympiade 2008 gesehen: Egmont Pönisch, Frank Jäger, Hugo Schulz, Jürgen Kohlstädt, Martin Sebastian und Matthias Möller! Gleich sechs der hochrangigsten Kampfrichter Deutschlands hatten sich im Harzer Kultur- & Kongresshotel in Wernigerode auf engstem Raum zusammengeballt, um die fünfte Runde des Deutschland-Cups zu eröffnen. Als die Uhren dann aber liefen, war von den Referees nur noch einer zu sehen. So sieht ein perfekt laufendes Schichtsystem aus.
Wenn man schon mal mit dem Auto im Harz ist, darf das Schachdorf Ströbeck auf dem Reiseplan nicht fehlen. Ich hatte mich kurzfristig entschieden, auf dem Weg zur Schnellschachmeisterschaft nach Leipzig, noch einen Abstecher dorthin zu machen. Gerade einmal 16 Kilometer ist das berühmte Dorf, welches seit 2010 zur Stadt Halberstadt gehört, von Wernigerode entfernt. Am Nachmittag hatten die Turnierorganisatoren einen Trip nach Ströbeck geplant, mit individueller Anreise. Die machte ich freilich bereits jetzt.
Nach rund zwanzig Minuten hatte ich mein Ziel erreicht. Ich kurvte kreuz und quer durch das Dörfchen, hielt mal hier mal da und machte überall Fotos. Das Schachmuseum hatte leider geschlossen und auch vom Lebendschachensemble war natürlich niemand zu sehen. Vielleicht hatten die Turnierteilnehmer am Nachmittag mehr Glück.
Nächstes Ziel meiner Reise war die Sportschule "Egidius Braun" in Leipzig, in der um 14 Uhr die 41. Deutsche Schnellschachmeisterschaft starten sollte. Über die zur Autobahn ausgebaute B 185 ging es zum Kreuz Bernburg, wo ich auf die A 14 Richtung Leipzig wechselte. Kurz nach 13 Uhr traf ich in der Sportschule ein und konnte Ralph Alt umgehend meine Grüße von Jürgen Kohlstädt aus Wernigerode übermitteln.
Vom Turnier selbst habe ich zwei Beiträge mit vielen Fotos veröffentlicht, weswegen ich mir hier Details spare.
Letzte Station meiner Rundreise war die Olympiastadt von 2008, Dresden. Fast hätte ich meinen Besuch in der einstigen königlichen Residenzstadt "vergessen", denn in den Tagen davor plante ich nur Wernigerode und Leipzig. Dann fiel mir aber irgendwie wieder das Schnellturnier im Internationalen Kongresszentrum am Elbufer ein und kurzfristig erweiterte ich meine Planung.
Über die A 14 ging es kurz nach Beginn der zweiten Schnellschachrunde in das rund 90 Autominuten entfernte Dresden. Hier steuerte ich die zum Kongresszentrum gehörende Tiefgarage an, welche an diesem Nationalfeiertag sehr leer war. Hinter mir parkte ein Fahrzeug mit Hamburger Kennzeichen ein. Ich verschwendete darüber nur wenige Gedanken, hielt aber für den Fahrer noch den Aufzug zur 3. Etage auf. Ziemlich überrascht war ich, als Christian Zickelbein in der Fahrstühltür stand. Der Vorsitzende von Deutschlands größtem Schachklub, dem Hamburger SK mit über 600(!) Mitgliedern, hatte Essen für seine Schützlinge besorgt. Im vom Maritim-Hotel betriebenen Kongresszentrum gab es nämlich weit und breit keinen Imbiß. Abgesehen vom kaum zu sehenden Personal waren die rund 100 Schachspieler (sehr grob geschätzt) aber auch die einzigen Menschen im weitläufigen Areal.
Christian war mit seiner Hamburger Delegation bereits seit Freitag in der Stadt. Am Tag zuvor entschieden seine Jungs einen Nachwuchsstädtewettkampf gegen Dresden mit 9:7 zu ihren Gunsten. Mit diesem Vergleich wurde eine Tradition fortgesetzt, die 1988 noch vor dem Fall der Mauer begann. Auch am Sonnabend dominierten die Hamburger - wenn ich meine Sicht mal auf die A-Gruppe beschränke, die von Hauke Reddmann gewonnen wurde.
Mehr zur Reise der Hamburger elbaufwärts kann man in Christian's Bericht auf der HSK-Website lesen. Herausheben möchte ich daraus sein Wiedersehen mit Jürgen König, einem ehemaligen Hamburger, der in Sachsen jetzt Vorsitzender des SV Ottendorf-Okrilla ist. Der 60-jährige König verließ mit 11 Jahren die Heimatstadt Richtung Köln, wo er später Rechtswissenschaften studierte. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Anwalt ging er 1995 nach Dresden. Vier Jahre später zog seine Kanzlei nach Ottendorf-Okrilla um - nachzulesen hier.
Pl. | Teilnehmer | TWZ | Verein/Ort | Pkt. | Buch |
---|---|---|---|---|---|
1. | FM Dr. Hauke Reddmann | 2213 | SK Wilhelmsburg | 4,5 | 12,0 |
2. | FM Christoph Serrer | 2193 | TV Fischbek Suederelbe | 3,5 | 13,5 |
3. | Julian Grötzbach | 2193 | Hamburger SK | 3,5 | 13,5 |
4. | Boris Rozov | 2083 | SV Dresden-Leuben | 3,0 | 16,0 |
5. | Daniel Grötzbach | 2067 | Hamburger SK | 3,0 | 13,0 |
6. | Hans-Jörg Jantzen | 2110 | Hamburger SK | 3,0 | 8,0 |
7. | Gengchun Wong | 1929 | SV Dresden-Leuben | 2,5 | 15,0 |
8. | Thomas Rudolf | 1919 | Grün-Weiß Dresden | 2,5 | 10,5 |
9. | Martin Kopisch | 2016 | Bille SC | 2,0 | 10,0 |
10. | Dr. Rainer Kempe | 1843 | SV Lok Dresden | 1,5 | 13,0 |
11. | Bernhard Scheuermann | 2072 | SV Dresden-Striesen | 1,0 | 12,5 |
Kurz vor halb acht Uhr abends machte ich mich wieder auf den Rückweg nach Berlin. Ein interessanter Tag mit vielen neuen Eindrücken neigte sich dem Ende entgegen.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - Breitenschach // ID 20312