Gesellschaft des Schaffzabelspiels zu Heidelberg

Einladung

Der Rieser Heimatbote vom 30.11.1929

Die nachfolgende "Übersetzung" der Einladung wurde u.a. in "Schach - Eine Kulturgeschichte" (Autor: Joachim Petzold, Leipzig 1986) veröffentlicht und war Grundlage des nachfolgend von Thomas Binder (Berlin) auf seiner Homepage bereitgestellten Textes. Die Anmerkungen in Klammern stammen von Thomas Binder.
Ich habe die Petzold'sche Version allerdings nachträglich auf die Version des Rieser Heimatboten von 1929 angepaßt.

Faksimile der Einladung

"Den ehrsamen, weisen, unseren besondern und guten Freunden, Bürgermeister, Rat und Gemeinde zu Nördlingen, entbieten wir, die Gesellschaft des Schaffzabelspiels (eine von mehreren damals üblichen Bezeichnungen) zu Heidelberg, unseren freundlichen, willigen Dienst und alles Gute zuvor und tun Euch zu wissen, daß wir von dem durchlauchtigen, hochgeborenen Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich, Pfalzgrafen bei Rhein, Herzog in Bayern, des heiligen Römischen Reiches Erztruchseß und Kurfürst, unserm gnädigen, lieben Herrn (Auch heute geht oft noch viel Platz für die Nennung der Sponsoren drauf), erworben haben eine Gesellschaft und ein Schaffzabelspiel vorzunehmen, und darin mit seinen Gnaden (Der Fürst spielt also selbst mit.), mit Euch und anderen guten Freunden und Gesellen zu üben.
Und von denselben seinen fürstlichen Gnaden haben wir erlangt, dass seine Gnade zu voraus ein Kleinod oder 22 Gulden Wert dazu geben (Es gab also Geld- und Sachpreise.); daß sie denen, die also zu dem Schaffzabelspiel kommen und um das Kleinod ziehen werden, Futter und Mahle die Zeit über, die das Spiel anfangen und währen wird, geben (Kostenlose Verpflegung gibt's heute nur für Großmeister.) und auch allen denselben in seiner Gnaden Land und Gebieten seiner Gnaden sicheres Geleit in einem besonderen Brief zuschicken will. (Oft scheitern heute noch Turnierstarts am fehlenden Visum.)

Wikipedia
Gulden, hier aus Gold, gab es bis 1873. 1871 wurde die Mark eingeführt.

Demnach bitten wir Euch mit freundlichem Ernst, Ihr wollet auch denjenigen in Eurer Stadt, sie seien edel oder unedel, die Schaffzabelspiel und gute Gesellschaft pflegen und üben wollen, solches offenbaren und auch Euren Nachbarn bei Euch herum zu wissen tun, dass sie sich her gen Heidelberg verfügen, auf den nächsten St. Matthäustag (21. September) zu Nacht hier zu sein, um auf den andern Tag eins zu werden, wie es mit dem Ziehen gehalten werden soll. (Man brauchte also noch eine Abstimmung über die Regeln des Turniers.) Wie das dann die Gesellen, die ziehen wollen, sich miteinander vereinen, sämtliche oder der größere Teil (also einstimmig oder mit Mehrheit beschlossen), das soll also geschehen und auf denselben Tag anfangen.
Und zu den Kleinoden, die unser gnädiger Herr zu voraus geben wird, soll von einem jeglichen Zieher ein Gulden eingelegt werden oder mehr, wie sich des die Gesellen oder der größere Teil miteinander vertragen. (Startgeld war also auch schon zu zahlen. Die Höhe wurde ausgehandelt.) Und was man also eingelegt, soll man zu Gaben machen (= Startgeld wird als Preisgeld wieder ausgeschüttet.), so daß möglichst viele Gaben daraus werden mögen, damit nicht allein die Meister, sondern die Mittelmäßigen und andere Gewinner auch zu Gewinnen und Gaben kommen mögen. (Noch heute gibt es z.B. gesonderte Jugendpreise, DWZ-Gruppen usw.)
Und wollet zu solchem Abenteuer und Spiel nicht ausbleiben, daß ihr unserm gnädigen Herrn Euern guten Willen dazu beweiset. Das wollen wir zur Beweisung guter Gesellschaft freundlich und williglich gern verdienen.
Gegeben und versiegelt unter unseren Diethers von Wilar, Marschalls etc., Hansen von Bubenhofen und Konrads von Lamersheim, Ingesiegeln von unser aller wegen auf Montag nach assumptionis Mariae (Mariae Himmelfahrt, 15. August) anno domini 1467."

Anmerkungen in Klammern: Thomas Binder, Berlin

Ein Schachturnier von 1467

S/W-Kopie der Einladung

Vom nur schwer lesbaren Original der Einladung einmal abgesehen, ist selbst die Übersetzung für die heutige Generation nur schwer zu verstehen. Man muß den Text schon mehrfach lesen und öfters innehalten, um den Sinn zu begreifen. Ich möchte nachfolgend versuchen, das Wesentliche aus der Einladung herauszugreifen.

Schaffzabelspiel

Für das Schachspiel existierten im Mittelalter mehrere Bezeichnungen. Schaffzabel wird übersetzt mit Schachtafel und bedeutet demzufolge das Schachbrett. Das Wort Zabel spielte lange Zeit eine Rolle in der Kombinationsecke (Kurt Richter, später Albin Pötzsch) in der Zeitschrift SCHACH. Dort ließen sie einen fiktiven Dr. Zabel Partien vorführen. Dabei gab es einen Schachspieler namens Zabel auch wirklich...

Gesellschaft des Schaffzabelspiels zu Heidelberg

Die Heidelberger Schachspieler der Gesellschaft des Schaffzabelspiels zu Heidelberg richteten ihre Einladung an die Freunde, den Bürgermeister, den Rat und die Gemeinde von Nördlingen. Der Wettkampf sollte am 22. September 1467 in Heidelberg stattfinden und die Anreise sollte am Tag zuvor erfolgen.
An wen die Einladung direkt gerichtet war, kann man leider nicht herauslesen. Dafür durfte aber jeder Bürger Nördlingens der Einladung folgen, egal welcher Schicht sie angehörten (also Adlige und Nichtadlige). Die Nachbarn waren ebenfalls eingeladen. Damit waren womöglich Nachbargemeinden gemeint.

Sponsoren

Wikipedia
Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz (Gemälde von Albrecht Altdorfer)

Sponsor des Schachwettkampfes war Friedrich, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Bayern, des heiligen Römischen Reiches Erztruchseß und Kurfürst. Erztruchseß bedeutet Erzamt. Diesen Titel verlieh der Kaiser ausgewählte Kurfürsten.
Friedrich gab ein Kleinod oder 22 Gulden. Der Rieser Heimatbote gibt an, das ein Gulden vor dem 1. Weltkrieg etwa 40 Mark entsprach. Eine Goldmark bzw. Mark um 1913/14 entspricht etwa 8 €. Daraus ergibt sich, das der Kurfürst umgerechnet einen Preis im Wert von etwa 7.040 € in Aussicht stellte!

Startgeld

Die Teilnehmer des Wettkampfes mußten einen Gulden (also etwa 320 €) oder mehr berappen. Das Startgeld wurde als Preisgeld zusammen mit dem Betrag vom Kurfürsten wieder ausgeschüttet.

Die Unterzeichnenden

Über die Initiatoren ist nur wenig im Internet zu erfahren. Diethers von Wilar mußte wohl später als Namensgeber von Zuchthunden ("von Wilar") herhalten.
Hansen von Bubenhofen könnte Hans Kaspar von Bubenhofen sein. Über dieses Adelsgeschlecht findet man schon mehr.
Konrad von Lamersheim aus Lamerssheim war verheiratet mit Ottilia von Venningen (Venyngen).

Email Thomas Binder

in der Anlage schicke ich dir das mir vorliegende Bild der genannten Einladung. Bild und Text stammen aus dem Buch "Schach - Eine Kulturgeschichte" von Hilmar Petzold noch aus DDR-Zeiten (1986), welches dir doch sicher auch vorliegt. Aus dem Buch stammt auch der Text, ist also keineswegs meine Übersetzung. Nur die kursiven Anmerkungen sind von mir. Selbstverständlich darfst du beides für deine Zwecke verwenden. Im ausklingenden Mittelalter fand 1467 das erste deutsche Schachturnier statt, veranstaltet von der Heidelberger Gesellschaft des Schachzabelspiels. Dasselbe ist sogar urkundlich belegt! Ein zweites Turnier folgte 10 Jahre später - 1477 - in Nürnberg. Die Regeländerungen gehen konform mit der Unruhe der Geister jener Epoche im zu Ende gehenden Mittelalter: Wie überhaupt Schach nicht von den anderen Kulturgütern zu trennen ist.

Aus der Frühzeit des Schachspiels