28. November 2013
Lange war sie dünn, die Datenlage zur WM in Antalya – die offizielle Webseite der Veranstalter wackelte bereits gestern und bot der globalen Fangemeinde auch heute lange Zeit keinen Blick auf die Partien und Ergebnisse des Turniers. Am Abend aber war wieder alles bestens, und was wir sahen, war erfreulich, denn:
Türkiye – Almanya 1 : 3!
Es war die zweite Niederlage für das junge türkische Team, das gestern mit Aserbaidschan den aktuellen und heute mit Deutschland den ehemaligen Europameister als Gegner hatte. Morgen warten auf sie die Ägypter – da bietet sich die nächste Chance auf die ersten vollen Punkte im eigenen Land.
Die weiteren Ergebnisse des Tages:
Almanya also, was soll man sagen, sie sind gut in das Turnier gekommen! Ob es am Wetter liegt (14° gestern Abend, und teilweise wolkig), dem nahen Mittelmeer, oder dem guten türkischen Tee? Vielleicht haben auch Konstantin Sakajew als Interims-Coach und der Eröffnungstrainer Liviu-Dieter Nisipeanu solide vor Ort gearbeitet und die Mannschaft jeweils punktgenau vorbereitet. Der Auswärtssieg heute gegen Team Turkiye schien ungefährdet – sowohl Khenkin an Eins gegen Juniorenweltmeister Ipatov als auch Baramidze an Vier gegen Baris Esen blockten zwei Remisen, während Georg Meier mit dem gefürchteten Meier-Franzosen einmal mehr zu gutem Ausgleich kam. In der Partie mit Dragan Solak wurden im Mittelspiel alsbald die Damen getauscht, und dann begann die große Zeit der schwarzen Figuren: Meiers Türme täuschten mal links an und mal rechts, der Springer wanderte übers Brett auf der geduldigen Suche nach neuen Schwächen, und Solak musste abwarten, wo sein Gegner einen Durchbruch versuchen würde.
Tatsächlich folgte hier das elegante Qualitätsopfer 41….Txc3!, mit dem Meier erst einen, dann noch einen und bald einen dritten Bauern eroberte. Das Ringen aber ging weiter, Solak bewies einen großartigen fighting spirit, doch nützte es nichts, denn am Ende wurde er einfach mattgesetzt. Eine schöne Partie!
Auch Arkadij Naiditsch, der bei dieser WM im defensiven Mittelfeld (= am dritten Brett) aufgeboten ist, zeigte eine starke Partie. Nach seiner gestrigen Niederlage gegen den wendigen Samy Shoker richtete Naiditsch seine Schachwut heute ganz auf die schwarzen Figuren von Mustafa Yilmaz. Dieser riskierte viel und fischte mit seiner Dame den weißen Bauern b2 vom Brett – das soll man ja nicht, und wahrscheinlich erst recht nicht gegen Naiditsch, und auch gestern bedeutete es Ungemach für die schwarze Stellung. Yilmaz' König musste auf den Damenflügel flüchten, um sich dort hinter seinem Mehrbauern verstecken zu können, und tatsächlich gelang es ihm dadurch, seine umdrohte Stellung noch ganz passabel zusammenzuhalten.
Doch Naiditisch ist ein Praktiker, das lernt man ja in Baden-Baden und in der Bundesliga, und als solcher opferte er einfach mit 29. c4-c5 noch einen weiteren Bauern, drohte weiter und weiter mal hier und mal dort, und irgendwann musste Yilmaz dann seine Dame geben, um nicht matt zu werden. Das war natürlich nicht schön (für Yilmaz), und es half auch nichts, denn noch immer hatte er ja seinen Wanderkönig, und der kostete ihn schließlich auch die Partie.
3:1 für Deutschland – wer hätte das gedacht? Morgen schon geht es weiter gegen eigentlich bärenstarke Holländer, die bislang im Turnier aber nur null Punkte geholt haben (menschlich verständlich gegen China und Aserbaidschan). Die Bondsrepubliek Duitsland dagegen ist aktuell und möglicherweise auch nur vorübergehend Tabellenführer, zusammen mit Aserbaidschan. Doch das heißt wie immer nichts, und eine Prognose wagen wir darum mal lieber nicht für heute. Nur soviel – ein 2,5:1,5 würde schon reichen!
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Olaf Steffens
Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder in der Zweiten Bundesliga. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.
Während der Weltmeisterschaft in Antalya schreibt er für den Deutschen Schachbund.
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