14. November 2014
Selbstverständlich ist Schach Sport. Hochleistungssport. Die Schachgenies Magnus Carlsen und Viswanathan Anand zelebrieren dies immer wieder aufs Neue im olympischen Medienzentrum von Sotschi. Das königliche Spiel auf 64 Feldern ist in den Ländern der beiden Schachhelden fest als Sportart anerkannt. Der Weltmeister wurde in Norwegen bei der Wahl zum Sportler des Jahres 2013 mit klaren Vorsprung vor Suzann Pettersen (Golf) und Tora Berger (Biathlon) bei der 66. Wahl des Sportjournalistenverbandes auf Platz 1 gewählt. Bemerkenswert in einer Wintersportnation. Die Biathletin Berger konnte unter anderen auf 4 Weltmeistertitel im vergangenen Jahr verweisen. Doch der smarte Magnus Carlsen sorgte für einen Schachboom. Auch Viswanathan Anand wurde in seinem Heimatland bereits Sportler des Jahres.
Vor 42 Jahren gab es von Bobby Fischer vor dem Schachmatch des Jahrhunderts gegen Boris Spasski folgendes Statement:
"Möglicherweise wird es das größte sportliche Ereignis der Geschichte. Bedeutender sogar als der Kampf Frazier-Ali…”
Schach ist IN. Heute schaffte es die Sportart auf das Titelblatt der Süddeutschen Zeitung. Inklusive ausführlicher Artikel auf Seite 2. Derweil begaben sich die Protagonisten Viswanathan Anand und Magnus Carlsen in die 5. Partie der Schach-WM 2014. Anders wie in Chennai vor einem Jahr, gab es diesmal keinen Sieg vom norwegischen Schachmozart. Es gab eine Punkteteilung, die in gewohnt kompetenter Art, Schachexperte André Schulz auf ChessBase mit folgenden einleitenden Worten zusammenfasste:
"In der heutigen 5. Partie konnte Carlsen zum ersten Mal im Wettkampf Anand in der Eröffnung überraschen. Mit 7...c6 in einer Variante der Damenindischen Verteidigung strebte der Weltmeister schnellen Ausgleich an. Anand fand im weiteren Verlauf zwar mit einem Bauernopfer noch einen Weg, Leben in die Partie zu bringen, doch nach dem Damentausch war das Endspiel schließlich totremis. Im 39. Zug wurde die Punkteteilung amtlich.“
Damit konstatiert die Schachwelt einen Zwischenstand von 2,5:2,5. In den nächsten beiden Begegnungen hat Weltmeister Magnus Carlsen den Anzugsvorteil.
Bernd Schroller schaute im Live-Ticker von Spiegel Online auch auf die Pressekonferenz und merkt an:
"In der anschließenden Pressekonferenz sieht Anand sich im Endspiel nach dem Damentausch im Vorteil. 26. Txa7 war dann aber wohl der falsche Plan. Der Inder hoffte, auf der a-Linie dann aktiv zu werden. Doch das Gegenspiel des Springers verhinderte diese Pläne. Daher traf er die Entscheidung, weiter ins Remis abzuwickeln.“
Viswanathan Anand hat in den letzten Jahren zahlreiche WM-Turnierorte erlebt. Vor der WM im bemerkenswerten Interview mit Ulrich Stock auf Zeit Online wurde der mehrfache indische Sportler des Jahres gefragt:
"Sie haben in der Bonner Bundeskunsthalle gespielt, im Sofioter Militärclub, in der berühmten Tretjakow-Galerie in Moskau, in einem Fünf-Sterne-Hotel in Chennai – dieses Jahr wird im Medienzentrum von Sotschi gespielt. Haben Sie, was den Spielort betrifft, irgendeine persönliche Präferenz?“
Der Schachästhet Anand ist um die Antwort nicht verlegen gewesen. Er favorisiert keinen Spielsaal.
"Nein. Man sieht ein Brett und die Figuren, das reicht.“
Der Herausforderer hat offensichtlich gegenüber Chennai auch wieder Spaß am Schach gefunden. Matthias van Baaren schrieb für die Wiener Zeitung:
"Als Vishy Anand vor ziemlich genau einem Jahr seinen Weltmeistertitel im heimatlichen Chennai gegen Magnus Carlsen verlor, berichtete er im Nachhinein von fehlendem Selbstvertrauen, unerklärlichen Fehlern und qualvollen, schlaflosen Nächten. Sein Schach war damals in der Krise, meinte er. Doch nun sei alles anders, er sei spielerisch wieder viel stabiler, es mache wieder Spaß.“
Spaß macht der WM-Kampf auch den zahlreichen Schachfreunden. Im Vorfeld gab es durchaus auch Befürchtungen ein arg einseitiges Match mit der Dominanz von Weltmeister Carlsen zu erleben. Der bisherige Verlauf hat eine interessante Verlaufskurve. Der Herausforderer hat daran seinen Anteil. Am Samstag geht es in die mit Spannung erwartete 6. Partie.
Bleiben Sie mir gewogen.
Michael Wiemer
Der 51-jährige Michael Wiemer erlernte einst in Leipzig bei MoGoNo unter Anleitung von Trainer Paul Gaffron die Feinheiten des königlichen Spiels. Mit 14 Jahren spielte er seine ersten internationalen Fernschachpartien. Schach ist für ihn immer wieder faszinierend. Seine private Schachbibliothek ist ein beredtes Zeichen davon.
Michael Wiemers Lieblingsspieler in der Schachgeschichte ist Bobby Fischer.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19107