16. November 2014
Schachweltmeister Magnus Carlsen versüßt sich den heutigen Ruhetag in Sotschi. Mit den weißen Steinen spielend, erzielte der ehrgeizige und smarte norwegische Champion in der 6. Partie einen Sieg gegen Herausforderer Viswanathan Anand. Damit verzeichnet der WM-Kampf einen Zwischenstand von 3,5:2,5 für den Titelverteidiger. Bevor es am Montag mit der 7. Schachpartie weitergeht lohnt ein Blick auf die Samstagpartie.
Im Nachgang ist viel von dem doppelten Patzer im 26. Zug gesprochen worden. Chefredakteur André Schulz, titelt auf ChessBase Anand übersieht Gewinn und verliert und führt aus:
"In der 6. Partie der Schach-WM packte Carlsen den Stier bei den Hörnern und spielte mit 3. d4 die Offene Variante gegen Anands Sizilianer. Im Paulsen-Aufbau kam es zu frühem Damentausch und Carlsen erhielt einigen Druck am Königsflügel. Dann machte der Norweger mit 26. Kd2 einen groben Fehler, den Anand nicht ausnutzte: Mit 26...Sxe5 hätte er Gewinnstellung erhalten. Eine zweite Chance gab es für Anand nicht. Im 38. Zug gab er auf.“
In gewohnter kontinuierlicher Qualität berichten die Hamburger wie immer mit ausführlicher Bildstrecke und Bonusmaterial obendrein in Form des Videos von Daniel King. Schachexperte André Schulz ist seit 1991 aktiv bei ChessBase. Seit 1997 ist er der verantwortliche Chefredakteur der deutschsprachigen ChessBase-Schachnachrichten-Seite und hat den Puls am Schachgeschehen.
Ulrich Stock nimmt das 6. Schachspiel zwischen Magnus Carlsen und Viswanathan Anand im olympischen Medienzentrum für Zeit Online unter die Lupe und titelt Das Mysterium von Sotschi. Auch dort wird Carlsen Patzer im 26. Zug thematisiert sowie die doppelte Schachblindheit der beiden Protagonisten:
"Dann kommt der 26. Zug, und eine Schockwelle läuft über die Flure des Medienzentrums. Sie kommt just in dem Moment, da die Live-Kommentatoren eine Pause einlegen. Der siebenfache russische Meister Peter Swidler, der fürs Netz auf Englisch kommentiert, sieht das Desaster, just als der Werbeblock beginnt. Er stößt einen Schrei aus, der gerade nicht mehr übertragen wird. Sergej Schipow rudert im russischen Kommentarraum mit den Armen, um die Regie aufmerksam zu machen – er möchte wieder auf Sendung! Vergeblich.“
Anand sieht den gewinnbringenden Zug 26. --- Sxe5 nicht. Der Kelch ging nochmals am norwegischen Schachgenie vorbei. In der Heimat von Carlsen stockte vielen Schachfreunden der Atem. Ulrich Stock zeichnet die Hochspannung auf:
"Sein Herausforderer könnte dieser Partie jetzt eine unerwartete Wendung geben. Vielleicht wäre sie dann sogar schon gewonnen für ihn. Was macht Anand? Ganz Norwegen, von den Reportern in Sotschi im Nu informiert, hält den Atem an. Magnus Carlsens Weltmeistertitel – er scheint an einem seidenen Faden zu hängen.“
Nach der vergebenen Chance vom indischen Schachästhet schlug dann Carlsen zu. Er baute seine Position aus und gewann dann noch die Partie. Auf der Pressekonferenz wirkten beide Schachhelden nicht glücklich. Diese doppelte Schachblindheit wird ein Thema für zahlreiche psychologische Betrachtungen im Nachgang werden.
Auch die Neue Zürcher Zeitung nimmt sich des Zwischenfalls von Sotschi im 26. Zug an und bemerkt:
"Beide Spieler bemerkten die sehr einfache Möglichkeit unmittelbar nach der Ausführung ihres jeweils 26. Zugs und waren durch den Zwischenfall sichtlich aus der Ruhe gebracht. Für Carlsen ging es glimpflich aus, konnte er seinen Vorteil trotz einigen Unsicherheiten im weiteren Verlauf festhalten und weiter ausbauen. Für Anand hatte der Schock stärkere Konsequenzen. Es gelang ihm nicht mehr, sich vollständig auf den Spielverlauf zu konzentrieren, mehrfach schüttelte er den Kopf und schliesslich nahm er zu einem waghalsigen Gegenangriff Zuflucht, der schnell scheiterte.“
Am heutigen Sonntag hat der eine oder andere Schachfreund vielleicht auch ein paar Minuten mehr Zeit zum Lesen. Daher von mir noch ein Empfehlung des sehr gut geschriebenen Artikels von Johannes Aumüller, der in der Printausgabe der Süddeutschen Zeitung auf Seite 2 am Freitag erschien, und den Schachfreunden auch online zur Verfügung steht. Der Sportjournalist Aumüller hat unter dem Titel Wahnsinn am Brett liebevolle, nachdenkenswerte und interessante Zeilen verfasst. Die Einleitungsworte:
"Im Schach gab es immer große Denker, große Strategen, große Duelle. Aber zeigen die aktuellen Großmeister Magnus Carlsen und Viswanathan Anand in Sotschi auch großen Sport? Es ist sogar mehr. Über den Kampf zweier Philosophien.
Was bedeutet der Zwischenstand von 3,5:2,5 Im Schach-WM Duell zwischen Magnus Carlsen und Viswanathan Anand? Es fehlen dem Norweger noch 3 Punkte zur erfolgreichen Titelverteidigung. In der 7. Partie am Montag hat er erneut den Anzugsvorteil mit den weißen Steinen. Der indische Herausforderer, gern auch von den Medien in den letzten Jahren Tiger von Madras genannt, muss angreifen. Der Weltmeister ist nicht unangreifbar und dem indischen Schachkönner gelang in Sotschi bereits der unmittelbare Konter auf den ersten Sieg von Carlsen.
Bleiben Sie mir gewogen.
6. Partie nachspielen
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Michael Wiemer
Der 51-jährige Michael Wiemer erlernte einst in Leipzig bei MoGoNo unter Anleitung von Trainer Paul Gaffron die Feinheiten des königlichen Spiels. Mit 14 Jahren spielte er seine ersten internationalen Fernschachpartien. Schach ist für ihn immer wieder faszinierend. Seine private Schachbibliothek ist ein beredtes Zeichen davon.
Michael Wiemers Lieblingsspieler in der Schachgeschichte ist Bobby Fischer.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19111