10. November 2014
Der erste Turnierpulverrauch ist verflogen. Magnus Carlsen, norwegischer Sportstar und amtierender Schachweltmeister, gewinnt die Sonntagspartie gegen Herausforderer Viswanathan Anand. Tief durchatmen. Der indische Schachästhet steht bereits jetzt unter Druck. Doch in der 3. Partie hat Anand wieder den Anzugsvorteil wie bereits zum Auftakt der Schach-WM 2014.
Die FAZ titelt Thriller ohne Öffentlichkeit und verweist auf Putin und dessen Einfluss auf die Organisation der WM:
"Das Ambiente der Schach-WM in Sotschi hat Wladimir Putin persönlich eingefädelt. Als Russlands Präsident vor einigen Wochen den Gouverneur der Region Krasnodar traf, gab er unmissverständlich zu Protokoll: „Es ist von höchster Wichtigkeit, dass die Schachweltmeisterschaft optimal organisiert ist. Haben Sie mich verstanden?“ Zumindest was die Sicherheit betrifft, wirkt die Organisation eher zu perfekt. Gespielt wird im Medienzentrum der letzten Olympischen Winterspiele.“
Doch die von Stefan Löffler im Artikel der FAZ kritisierten Zuschauerzahlen vor Ort waren auch zum Beispiel 2010 in Sofia beim Schach-WM Kampf zwischen Topalov und Anand nicht überbordend. Fairerweise müssen bei der Betrachtung von Interesse an der WM auch die zahlreichen Internetzuschauer hinzugezogen werden.
Eric van Reem, niederländischer Kultblogger und jahrelang zum Team Anand gehörend, hat wieder die Pforten von Chess in Tweets geöffnet. Dort werden Nachrichten vom Kurznachrichtenkanal Twitter aufbereitet.
Die 2. Partie wird auch ausführlich auf ChessBase von André Schulz kompetent behandelt. Seinen Artikel mit Notation der Partie und zahlreichen Fotos leitet er mit den folgenden Worten ein, die ganze Tragik von Anand am Sonntag aufzeigend:
"Gegen Carlsen 1.e4 strebte Anand die Berliner Verteidigung an. Carlsen wählte mit 4.d3 den Anti-Berliner Weg. In einer ausgeglichen scheinenden Position kam Carlsen mit Hilfe eines schicken Turmmanövers (Ta1-a3-g3) zum Königsangriff. Anand konnte vereinfachen, erhielt aber das deutlich schlechtere Endspiel. Unter Druck machte er dann im 34. Zug einen groben Fehler, der die Partie sofort entschied.“
Für die von Schachpublizist und Blogger Johannes Fischer auf Zeit Online unter dem Titel Magnus Carlsen lässt sich nicht so einfach anspringen vor dem Match geäußerte Prognose, benötigt Magnus Carlsen jetzt noch 5 Punkte:
"Meine Prognose: Magnus Carlsen gewinnt 6,5:4,5 und bleibt Weltmeister.“
Er ist für mich die letzten Jahre der beste Schachreporter von WM-Kämpfen gewesen: Ulrich Stock. Er zelebriert die Schachatmosphäre, bringt textliche Feinheiten dem Lesepublikum auf dem Silbertablett. Im heute erschienenen Artikel auf Zeit Online setzt er seine WM-Form von Chennai fort. Aus Sotschi berichtend merkt Ulrich Stock mit Blick auf einen norwegischen Kollegen an:
"Für Aftenposten schreibt auch Kurt Haugli, der im WM-Presseraum in Sotschi sitzt. Er kennt sich mit Ski bestens aus, mit Schach noch nicht so. Haugli erzählt von der Abmachung, die Magnus mit dem norwegischen Fernsehen getroffen haben soll: Wenn sie ihn schon dauernd vor die Kamera zerren, dann sollen sie ihm, dem Weltreisenden, doch bitteschön ihren Sportkanal im Internet freischalten, der außerhalb Norwegens sonst geblockt ist. 'Haben sie gemacht', sagt Haugli.“
Ulrich Stock zeigt auch das vielfältige Interesse von Magnus Carlsen an anderen Sportarten auf. Die olympischen Winterspiele von Sotschi, die Tour de France, Baseball in Amerika oder die Fußball-WM.
Doch morgen geht es auch für den norwegischen Weltmeister mit hoch konzentrierten Schach weiter.
2. Partie nachspielen
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Michael Wiemer
Der 51-jährige Michael Wiemer erlernte einst in Leipzig bei MoGoNo unter Anleitung von Trainer Paul Gaffron die Feinheiten des königlichen Spiels. Mit 14 Jahren spielte er seine ersten internationalen Fernschachpartien. Schach ist für ihn immer wieder faszinierend. Seine private Schachbibliothek ist ein beredtes Zeichen davon.
Michael Wiemers Lieblingsspieler in der Schachgeschichte ist Bobby Fischer.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19087