11. November 2014
Sotschi, 2014. Gestern war der 1. Ruhetag für die Schachhelden Magnus Carlsen und Viswanathan Anand. Wer im Vorfeld des Kampfes die WM-Seite vom Deutschen Schachbund inklusive Spielplan verfolgte ist gut informiert und im Bilde: Diese Woche wird am Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag in Sotschi gespielt.
Ist der WM-Kampf bereits schon entschieden? Diese Frage kommt vielleicht nach den ersten beiden Partien zu früh. Bobby Fischer lag einst 1972 im Schachmatch des Jahrhunderts gegen Boris Spasski in Reykjavik mit 0:2 im Rückstand. Am Ende gab es einen phänomenalen 12,5:8,5 Erfolg vom amerikanischen Schachgenie gegenüber dem Titelträger aus Leningrad. Doch dieser WM-Kampf wird keine Blaupause für das Duell in Sotschi 2014 sein können.
Die Neue Zürcher Zeitung bringt die Zeitkomponente ins Spiel und merkt an:
"Anand bleiben noch zehn Spiele, um das Blatt zu wenden. Nach einer soliden Darbietung zum Auftakt muss ihm die einseitige Niederlage vom Sonntag zu denken geben. Es war Anand nicht gelungen, einen zweischneidigen Kampf heraufzubeschwören. In ruhigen, technischen Stellungen fühlt sich Carlsen aber wie ein Fisch im Wasser.“
Viswanathan Anand geht heute in die 3. Partie mit dem Eröffnungsvorteil der weißen Figuren. Magnus Carlsen wird alles daran setzen, seinen Punktevorsprung nicht aus der Hand zu geben. Den hatte sich der norwegische Schachweltmeister in der 2. Partie erarbeitet. André Schulz von ChessBase titelte im Nachgang des ersten Sieges vom Titelverteidiger in Sotschi Carlsen wie Capablanca:
"Möglicherweise ist Anands Fehler psychologischer Natur. Er wollte mit Schwarz - nach alter Schule - auf Ausgleich spielen und geriet in eine rein positionelle Stellung, in der Carlsen seine gewaltigen strategischen Fähigkeiten ausspielen konnte. Der Norweger erinnert dabei stark an Capablanca. Auch der Kubaner erreichte mit großer Leichtigkeit Gewinnstellungen und hinterher wusste niemand so recht, wie ihm das eigentlich gelungen war.“
Die Wiener Zeitung nimmt sich ebenfalls der 2. Partie zwischen den Schachrivalen von Sotschi an. Dabei schauten sie auch genau auf Finger und Gesichter:
"Obwohl in der ersten Stunde scheinbar nicht viel Nennenswertes passierte. Anand nestelte stoisch an seinen Fingern. Magnus Carlsen trug seine charakteristischen Augenringe, die durch die steile Deckenbeleuchtung noch tiefer wirkten als sonst. Doch während er wie gewohnt an seiner Unterlippe kaute, braute sich auf dem Brett etwas zusammen. Unscheinbar zunächst, quasi im Verborgenen. Wie ein fernes Grummeln, aus dem ein großes Unwetter entstehen könnte.“
Ein Blick auf den fleißig gepflegten Twitter-Account von Magnus Carlsen zeigt heute früh um 8.50 Uhr die bemerkenswerte Zahl von 82.200 Followern an.
Sein Herausforderer Viswanathan Anand ist ebenfalls mit einem gut gefüllten Kurznachrichtenkanal Twitter unterwegs. Der indische Schachästhet kommt auf 31.500 Followern.
Doch heute, die Aktivitäten der Schachspieler auf Twitter hin oder her, hat die 3. Partie für Magnus Carlsen und Viswanathan Anand Vorrang. Dabei ist Frage, ob beide den Account selber mit Content füllen, nochmal eine ganz anderes Thema. In Deutschland gibt es Agenturen, die zum Beispiel regelmäßig die Twitter-Accounts von Fußballbundesligaspielern mit Nachrichten füllen.
Die Kunst der Prognose ist ja immer einfach … Nach dem Ereignis. Dennes Abel wagt sich auf Zeit Online dennoch an das Unterfangen und legt sich fest:
"Das wird eine schier unlösbare Aufgabe für Anand werden. Bereits nach der zweiten Partie in Rückstand gegen einen grandios spielenden Carlsen. Anand muss am Dienstag mit den weißen Steinen sofort zurückschlagen, ansonsten wird er sich kaum davon erholen können.“
Einen schönen Dienstag mit einer spannenden Schachpartie.
Michael Wiemer
Der 51-jährige Michael Wiemer erlernte einst in Leipzig bei MoGoNo unter Anleitung von Trainer Paul Gaffron die Feinheiten des königlichen Spiels. Mit 14 Jahren spielte er seine ersten internationalen Fernschachpartien. Schach ist für ihn immer wieder faszinierend. Seine private Schachbibliothek ist ein beredtes Zeichen davon.
Michael Wiemers Lieblingsspieler in der Schachgeschichte ist Bobby Fischer.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19092