8. September 2021
Mit seinem zweiten Platz bei der Europameisterschaft in Reykjavik hat Vincent Keymer am vergangenen Wochenende einen der größten deutschen Einzel-Erfolge der letzten Jahre gefeiert. Dabei kam Vincent punktgleich mit dem neuen Europameister Anton Demchenko und als Teilnehmer mit den meisten Siegen ins Ziel. Im Interview hat er uns kurz vor Beginn der Online-Olympiade noch einige Fragen zur EM, zum anstehenden Turnier und zu seinem Verhältnis zu den Medien beantwortet.
Herzlichen Glückwunsch zu Deinem zweiten Platz bei der EM! Mit welchen Erwartungen bist Du in das Turnier gegangen?
Vielen Dank! Natürlich war mir bewusst, dass es bei der EM auch um die Qualifikation für den nächsten World Cup und zusätzlich für mich als U20er noch um die Qualifikation für einen Platz beim Grand Swiss in Riga dieses Jahr geht. Eine dieser beiden Qualifikationen wäre schon ein Erfolg für mich gewesen.
Ab welchem Punkt im Turnier hast du daran geglaubt, mit um den Titel spielen zu können?
Dieses Gefühl entstand so langsam nach der Partie gegen David Navara. Es macht das Spielen aber nicht unbedingt leichter.
Du hast bis zum Schluss auf Angriff gespielt und nicht das schnelle Remis gesucht, um einen guten Platz zu „sichern“. Kann man sagen, dass das deine Herangehensweise an solche Turniere ist?
Ich versuche einfach so zu spielen, wie es die Stellung auf dem Brett erlaubt. Wenn es möglich und sinnvoll ist, greife ich auch gerne an.
Schwingt bei der Freude über den zweiten Platz auch ein wenig Trauer mit, dem Titel in der Partie gegen Demchenko vielleicht ganz nahe gewesen zu sein?
Bei elf Runden und so vielen starken Gegnern gibt es immer wieder die Möglichkeit, dass bei so vielen großen Kämpfen auch mal Chancen liegen bleiben.
Welchen Erfolg würdest Du höher einschätzen, den Sieg beim Grenke Open 2018 oder die Silbermedaille bei der EM?
Ich habe das Gefühl, dass der Gewinn des Grenke-Opens 2018 noch überraschender war, weil ich mich seitdem weiterentwickelt habe.
Deutschland war nach dem Gastgeber Island mit den meisten Teilnehmern ins Rennen gegangen. Gab es sowas wie ein Team-Gefühl? Hattet ihr Kontakt während des Turniers oder bist Du eher für dich geblieben?
Das Teamgefühl ist auf jeden Fall da, auch wenn wir nicht immer viel miteinander reden. Ich spiele schließlich mit einigen deutschen Spielern zusammen in einer Bundesligamannschaft, andere treffe ich auf Turnieren oder online.
Du hast in den letzten anderthalb Jahren pandemiebedingt viel online gespielt, dann auch hybrid und nun wieder einige „klassische“ Turniere am Brett. Wie fühlt sich das an?
Es ist großartig, dass man wieder die Möglichkeit hat, am Brett zu spielen.
Ab heute spielst Du mit Deutschland bei der Online-Olympiade in der Top-Division. Wie siehst Du dort eure Chancen?
Um weiter zu kommen müssen wir zweiter in unserer Gruppe werden. Wir haben aber eine sehr schwere Gruppe erwischt mit unter anderem Russland und der Ukraine. Das wird also nicht einfach.
Mit dem Gewinn beim Grenke Open, dem Titel als jüngster Großmeister Deutschlands und nun dem 2. Platz bei der EM werden immer mehr Medien auf Dich aufmerksam und berichten über Dich, zuletzt sogar RTL in den Nachrichten. Freust Du Dich darüber oder wird es Dir manchmal auch zu viel?
Für mich geht es immer wieder um die Abwägung, ob ich einen halben Tag für einen Dreh investiere oder ob ich in der Zeit lieber Schach trainiere und in meinem Arbeitsmodus bleibe. Es ist wichtig, die richtige Balance zu finden. Natürlich freue ich mich über die öffentliche Aufmerksamkeit und das Interesse der Medien. Das hilft, Schach in Deutschland populärer zu machen, was sehr wichtig ist und ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen.
Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg bei der Online-Olympiade!
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