12. Oktober 2021
Georg Meiers Wechsel zum uruguayischen Schachverband ist perfekt. Der 34-Jährige wird ab dem 1. November 2021 unter der Flagge des südamerikanischen Staates bei Schachwettbewerben an den Start gehen. Meier besitzt neben der deutschen die uruguayische Staatsbürgerschaft, die er seiner dort aufgewachsenen Mutter verdankt, deren Eltern wiederum vor dem Nationalsozialismus aus Hamburg nach Südamerika geflohen waren.
DSB-Präsident Ullrich Krause: "Georg Meier ist ein verdienter Nationalspieler. Als Highlight sei an den Europameistertitel der Nationalmannschaft 2011 mit ihm an Brett 2 erinnert. Das Präsidium des Deutschen Schachbundes respektiert, aber bedauert seinen Wechselwunsch und wünscht Georg Meier für die Zukunft alles Gute."
Obwohl Georg Meier schon im Alter von drei Jahren Schach von seiner Mutter beigebracht bekam, fand er erst sechs Jahre später, Anfang 1997 den Weg in einen Schachverein - in seiner Heimatstadt Trier beim inzwischen nicht mehr existierenden Schachklub Zewen 1975. Bemerkenswert ist, das sich Meier trotz der Vereinsmitgliedschaft bis 2001 fast nur autodidaktisch weiterbildete. Seine DWZ konnte er bis dahin auf über 1900 steigern. Mit den Großmeistern Lev Gutman und Wladimir Tschutschelow als Trainer ging es danach rasant aufwärts. 2005 erklomm er erstmals die 2400er DWZ-Marke und kam zu seinem Debüt in der Nationalmannschaft.
123 Länderspiele für Deutschland stehen auf Georg Meiers Vita. Seine Karriere in der Nationalmannschaft begann am 21. Mai 2005 an Brett drei im Mitropacup in Steinbrunn (Österreich) gegen Kroatien. Sein Debüt begann mit nur einem Punkt in den ersten fünf Partien nicht sehr hoffnungsvoll. Doch dem noch titellosen 17-Jährigen mit immerhin 2438 Elo saßen nur Titelträger gegenüber.
In den beiden nächsten Jahren gewann Meier, der inzwischen Internationaler Meister war, im Mitropacup weitere Sicherheit, bevor es 2008 zu einem weiteren Höhepunkt in seiner noch jungen Laufbahn kam: Im November 2008 gehörte er der Jugend-Olympiamannschaft von Deutschland bei der Schacholympiade in Dresden an. Der frischgebackene Großmeister war am ersten Brett in neun Partien selbst von den stärksten Spielern der Welt nicht zu bezwingen. Gegen Ivan Cheparinov (Elo 2696, Bulgarien) gewann er und den 2700ern Leinier Dominguez Perez und Magnus Carlsen (damals mit Elo 2786 Nr. 3 der Welt und fünf Jahre später Weltmeister!) trotzte er eine Punkteteilung ab. Mit fünf Siegen und vier Remis bei null Niederlagen und einer Elo-Leistung von 2779 war er einer der besten Spieler der Olympiade am ersten Brett!
Mit dem Sieg gegen Cheparinov in Runde eins überzeugte nicht nur Meier, sondern die gesamte zweite deutsche Mannschaft, zu der beim 2½:1½ gegen den Setzlistensechsten(!) Bulgarien noch Arik Braun, Falko Bindrich und Sebastian Bogner gehörten.
Cheparinov hatte mit seinem letztem Zug Lb7 den Figurengewinn auf g2 auf später vertagt und Weiß damit unverhofft die Chance gegeben, die Partie zu drehen. 25. Td1 Le7 26. Sf6+! Kf8 26. ... gxf6 wäre das kleinere Übel gewesen. Nach 27. exf6 muß sich Schwarz mit 27. ... Ta8 zurückziehen, um das weiße Damenschach auf b8 abzuwehren. Das war der Nachteil des Zuges Lb7... 27. Td7 Lxg2 28. Txa7 Th6 29. Txe7 1:0
Mit dem Abschneiden bei der Olympiade 2008 hatte sich Georg Meier in die erste Riege der Nationalmannschaft hochgespielt. Knapp ein Jahr später spielte er bei der Europameisterschaft in Novi Sad (Serbien) schon an Brett eins und zwei. Von 2010 bis 2013 gehörte er zum A-Kader des Deutschen Schachbundes, ein Status der nur wenigen Schachspielern in Deutschland vergönnt ist.
Rund zwei Jahre nach Novi Sad stand die nächste Europameisterschaft auf dem Programm. Gespielt wurde in der Hotelanlage Porto Carras auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki. Der Deutsche Schachbund hatte eine schlagkräftige Mannschaft mit Arkadij Naiditsch, Daniel Fridman, Jan Gustafsson, Rainer Buhmann und natürlich Georg Meier (an Brett 2) nominiert. Deutschland startete nahezu optimal mit 7:1 Punkten in das Turnier. In Runde fünf "rächte" sich Bulgarien für die Niederlage in Dresden 2008 und besiegte den deutschen Vierer mit 3:1. Georg Meier mußte dabei wieder gegen Cheparinov spielen und er quittierte am Ende seine einzige Niederlage in Porto Carras.
Von der Niederlage gegen Bulgarien ließen sich die Deutschen nicht beirren und setzten ihren Siegeszug fort. Nach dem sensationellen 2½:1½ gegen Titelverteidiger Aserbaidschan in der vorletzten Runde lag Deutschland mit 13:3 Punkten auf Platz zwei hinter Armenien mit ebenfalls 13:3, aber einem Brettpunkt mehr. Die letzte Runde brachte beide Länder zusammen und Deutschland brauchte "nur" zu gewinnen, um erstmals Gold abzuräumen!
An allen vier Brettern wurde hart gekämpft. Brett drei und vier (Fridman - Akopjan und Naiditsch - Aronjan) endeten remis. Sergej Movsesjan hatte sich mit Weiß gegen Georg Meier für eine künstliche Rochade entschieden und Jan Gustafsson kämpfte gegen Gabriel Sargissjan. Würde einer der beiden gewinnen können und der andere Remis halten?
Mit dem ungestümen Bauernvormarsch am Königsflügel hat Movsesjan den Kampf an zwei Flügeln aufgenommen. Und das trotz des unsicher platzierten Königs auf f2. Danach stand der Armenier mit dem Rücken zur Wand und kämpfte verzweifelt um den Ausgleich: 17. ... Sc4 18. gxf5 exf5 19. Tg1 Tab8 20. Tg3 Sd8 21. Tb1 Sb2 22. Dg1 Se6 23. Ta1 Lxe2 24. Kxe2 Da6+ 25. Kf2 Sd3+ 26. Kg2 Sdxf4+ 27. Lxf4 Sxf4+ 28. Kh1 Dh6 29. Lf1 c4 30. Df2 Tb6 31. Dc2 g5 32. Da4 g4 33. Dxa7 De6 34. Tg1 Kh8 35. Sd2 Tb2 36. Td1 Tg8 37. Lg2 Lh4 38. Da5 Lf2 39. Tgf1 Le3 40. Txf4 Lxf4 41. Sf1 Dh6 42. Dxd5 Lxh2 43. Dc6 Dxc6 44. Lxc6 Lf4 45. Te1 g3 46. Lg2 Tgb8 47. a4 Tb1 48. Te2 T8b2 49. Txb2 Txb2 50. a5 Ta2 51. Lc6 Kg7 52. e6 Kf6 0:1
Meiers Sieg war der Grundstein für die Goldmedaille. Jan Gustafsson brauchte danach "nur noch" einen halben Punkt nach Hause schaukeln, um den Sack zuzumachen.
Am 1. November 2019 bei der Europameisterschaft in Batumi (Georgien) hatte Georg Meier seinen 123. Einsatz, den vermutlich letzten in der deutschen Nationalmannschaft. Wenige Monate später hatte die Corona-Pandemie die Welt im Griff und der sportliche Wettbewerb kam zum Erliegen.
In der uruguayischen Nationalmannschaft wird Georg Meier mit Elo 2628 der mit Abstand stärkste Spieler sein. Die derzeitige Nummer 1 ist GM Andres Rodriguez Vila mit Elo 2484. Mit Alejandro Hoffman hat Uruguay noch einen weiteren Großmeister (mit Elo 2438) unter seinen Spitzenleuten. Der Uruguayische Schachverband (Federacion Uruguaya de Ajedrez) hat rund 1900 Mitglieder.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 10764