1. Oktober 2014
Unter dem Motto der FIDE „Gens una Sumus: Wir sind eine Familie“, traten am 21. September 2014 in Hildesheim in der Aula des Scharnhorst-Schachgymnasiums 14 Teams aus Nah und Fern bei der Deutschen Familienmeisterschaft zum Wettkampf an. Die meisten Teilnehmer kamen naturgemäß aus Niedersachsen. Zwei Familienteams reisten sogar mit dem Flugzeug vom Starnberger See zu diesem Turnier nach Hildesheim an. Und für dieses Familienteam „Stangl“ hat sich diese Fahrt sogar richtig gelohnt, wie wir in diesem Bericht noch lesen werden.
Eröffnet wurde diese besondere Meisterschaft im Breitenschach-Bereich des DSB durch Dr. Werner Freier, geschäftsführender Vorsitzender des Hildesheimer SV, unter der Anwesenheit von Rektor, Reinhard Sell und von Frau Martina Donat als Vertretung der Stadt Hildesheim. Der schachlich sehr engagierte Schulleiter merkte in seiner Begrüßungsrede an, dass SCHACH in seinem Gymnasium einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, deshalb ist es auch kein Wunder, dass seine Schule den Titel „Deutsche Schachschule“ offiziell führen darf. Ferner fühlt er sich sehr geehrt, dass diese Deutsche Meisterschaft in seiner Schule durchgeführt wurde. Auch Frau Donat hat sich sehr gut auf ihre Begrüßungsrede vorbereitet, denn sie konnte den Teilnehmern doch einiges über den Schachsport und seinen positiven Auswirkungen hinsichtlich Leistung, Konzentration und Erfolg, insbesondere bei jungen Menschen, erzählen.
Walter Pungartnik, Breitensportreferent des DSB, wies die Hildesheimer im Vorfeld immer wieder auf die Wertung „Beste Familie“ hin, die mittels der sogenannten Dresdner Tabelle ermittelt werden sollte. Diese Wertung war ihm und den vorherigen Ausrichtern in Sachsen sehr vertraut. In Niedersachsen, wie auch im Rest der Republik, hatte man von dieser Wertung allerdings noch nichts gehört. Schade eigentlich, denn die Dresdner Tabelle erweist sich als ausgezeichnetes Mittel den schachlichen Nachwuchs zu fördern, denn es gibt den Gelegenheitsschachspielern und den Anfängern eine reale Chance auch einmal nach den Podestplätzen in einem Turnier zu greifen.
Doch zunächst zu den Einzelheiten. Beim Familienschachturnier kommt es selten vor, dass beide Partner im Vereinsschach aktiv sind. Zumeist gibt es einen erwachsenen Turnierschachspieler, der sich mit seinem Sohn – oder seiner Tochter – an den Start begibt. Der Junior hat vielleicht eine Schach-AG absolviert oder ist gerade in den Verein eingetreten. Da ist die Gefahr groß, dass er durch zu viele Verlustpartien die Lust am Schach verliert. Hier kommt die Dresdner Tabelle ins Spiel. Im 7-rundigen Schweizer-System-Turnier bekommen bestimmte Spieler schon einmal einen Punktebonus gutgeschrieben. Dieser wird nach dem Stand der Schachausbildung gestaffelt. Den maximalen Bonus von 6 Brettpunkten bekommt ein 6-9-Jähriger, der keine DWZ besitzt. Dieser junge Schachsportler liefert für seine Familienmannschaft so viele Punkte, wie sonst nur ein richtig starker Spieler. Diese gewollte Wettbewerbsverzerrung benachteiligt also die DWZ-starken Spieler, was aber nicht so schlimm ist, denn die DWZ-stärksten Teams finden ihren Meister in der normalen Swiss-Chess Tabelle.
Doppelte Buchführung ist also angesagt für jeden, der eine Deutsche Familienmeisterschaft ausrichten möchte. Die Hildesheimer machten das mit Swiss Chess in der Kategorie DWZ-beste Familie und mit Handauswertung in der Kategorie „Beste Familie“ (Dresdner Tabelle).
Und wer hat nun in Hildesheim den Deutschen Schachtitel „Beste Familie 2014“ - also die Wertung mit den Zusatzpunkten lt. Dresdner Tabelle - gewonnen? Ja, es war die Familie Markus und Robert Stangl aus dem fernen Starnberg, die als Team „Stangl 1“ antraten. Alle beiden Teams, Stangl 1 und Stangl 2 spielen für die Schachabteilung des FC Bayern München. Anita und Markus Stangl sind besonders in Bayern nicht ganz unbekannt, denn Fr. Dr. Anita Stangl ist WFM und Markus, ihr Mann führt den Großmeistertitel! Sie haben nun eine weitere deutsche Schachtrophäe zu Hause stehen. Den 2. Platz in dieser Wertungsgruppe belegte das Familienteam Jegor und Philipp Bickert vom SV Gifhorn vor den drittplatzierten Team, Fam. Kanbach vom Schachsport Plesse-Bovenden.
Titelträger in der DWZ-besten Kategorie „Spielstärkste Familie“ wurde das Team André und Matthias Wiege aus Bad Salzdetfurth (nahe Hildesheim). Hier hat ein Team gewonnen, wie es passender und bewegender nicht sein kann, denn diese beiden Schachspieler verbindet eine ganz besondere Geschichte mit Turnier und Ausrichtungsort. Der Vater von André und der Bruder von Matthias, Gerald Wiege, war erst vor einigen Monaten an einem Herzinfarkt gestorben. Gerald Wiege war einer der besten Spieler in der Region und beliebter Schachlehrer in der Schach-AG des Ausrichtergymnasiums. Es war für André und Matthias klar, dieser Sieg war dem Vater und Bruder, Gerald Wiege gewidmet. Den 2. Platz in dieser Wertung belegte das Team Sebastian und Claus-Peter Lämmel vom SV Cranzahl 1962 vor der Familie Haustein von der BSV Ehrenfriedersdorf, LSV Sachsen.
Um dieser Familienturnier noch interessanter und spannender zu gestalten, wurde schon vor einigen Jahren zwei weitere Wertungsgruppen eingeführt, zum einen die Kombinationswertung, Erwachsener mit einem Jugendlichen bis U18 und zum anderen die Kombinationswertung mit zwei Jugendlichen bis U18. Da aber eine Doppelpreisvergabe ausgeschlossen ist, wird es - in der 7. und letzten Runde - oft noch sehr spannend, welches Team welchen Preis erhält.
Bei der Kombination Erwachsener/Jugendlicher hatte das Team, Christian und Hannah Möller vom SV Lingen, am Schluss die Nase vorne und gewann diesen Titel samt Trophäe, Urkunde und Gutschein. Den 2. Platz erreichte das Team Andreas und Jan Helmer vom Hamelner SV vor den drittplatzierten Team Hoffmann/Schmidt vom Ausrichterverein.
Bei der Kombination 2 Kinder oder Jugendliche bis U18 hatten am Ende die Brüder Robin und Florian Luther vom SK Rinteln die besseren Mannschaftspunkte und wurden in dieser Kategorie Deutsche Meister, vor den Geschwistern Can und Hasan Kayki vom Ausrichterverein.
Der obligatorische Schiedsrichter, Jörg Witthaus, der auch bei einer Deutschen Familienmeisterschaft nach Recht und Ordnung sehen sollte, blieb mehr oder weniger arbeitslos – es gab keine Beanstandungen, er blieb also für die meisten Teilnehmer ein „Unbekannter“. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bei der Auslosung der 2. Runde, lief es danach wie am „Schnürchen“. Besonders die Fortschrittstabelle bei der Wertung "Beste Familie" wurde „sehr originell“ geführt, denn sie wurde, wie vor der Computerära, per Hand mit einem grünen Balkendiagramm nach jeder Runde erweitert. Die Teilnehmer konnten somit visuell Ihren Erfolg direkt von der Tabelle ablesen, dies wurde dann gegen Ende des Turniers immer spannender.
mit Zusatzpunkten lt. Dresdner Tabelle
Im Namen des Deutschen Schachbundes sprach Walter Pungartnik bei der Siegerehrung seinen herzlichsten Dank an die Hildesheimer Schachorganisatoren aus, für dieses familiäre und gut vorbereitete Schachturnier.
Dr. Werner Freier, Hildesheimer SV
Walter Pungartnik, Breitenschachreferent des DSB
(Redaktionell leicht bearbeitet)
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 18926