27. Dezember 2018
Am 23. Dezember ging unser zwölftes und letztes Monatsquiz zum Lasker-Jahr 2018 zu Ende. Die Fragen des DSB-Beauftragten für Schachgeschichte Dr. Michael Negele waren wie immer sehr anspruchsvoll und erwiesen sich auch für die Experten unter den Teilnehmern als teilweise sehr schwierig.
Der in der Gesamtwertung führende Wolfgang Dröser (Frankfurt/Main) investierte in unsere 14 Dezemberfragen noch einmal richtig viel Geduld und Zeit und konnte letztendlich nicht nur das Monatsquiz zum dritten Mal (nach März und April) gewinnen, sondern war dadurch natürlich auch im gesamten Jahr der punktbeste Teilnehmer. Ein gesonderter Abschlußbericht folgt.
Wir gratulieren dem Monatsgewinner mit dem Buch "Geniales Schach im Wiener Kaffeehaus 1750 - 1918" von Michael Ehn. Als Sieger des großen Jahrespreises kann er sich auf den gerade erschienenen ersten Band der englischsprachigen Lasker-Trilogie freuen!
Frage | Antwort | Punkte |
---|---|---|
1. Am 2. Dezember 1925 gewann Emanuel Lasker beim großen Moskauer Turnier gegen einen 15 Jahre jüngeren Großmeister-Kollegen, der ihm eine besondere Verehrung zukommen ließ. Wer war Laskers Gegner (vollständiger Name und Lebensdaten, Gesamtbilanz der beiden Kontrahenten - der Gesuchte fehlt übrigens auf dem nachfolgenden Turnierbild)? Wodurch blieb seine Teilnahme jedoch besonders im Gedächtnis? | Rudolf Spielmann (* 5. Mai 1883 in Wien; † 20. August 1942 in Stockholm), +1, =3 für Lasker. Spielmann wirkte 1925 als Statist im Stummfilm "Schachfieber" mit. | 0,5 |
2. Wo findet sich folgendes Zitat dieses Lasker-"Verehrers" (Titel, Verlag, Erscheinungsjahr, Kapitelüberschrift, Seite): "Bewunderswert ist Laskers Vielseitigkeit. Überall kommt ein Zug von echter Größe zum Vorschein. So elastisch, großzügig und mutig wie sein Spiel, sein Kampf, ist auch seine Schreibweise, sein Vortrag, seine liebenswürdige Plauderei, sein Humor. Dabei ist er kein Puritaner, er läßt sich ruhig gehen, denn er weiß sich Halt zu gebieten. Er geht als Schächer und Mensch seine Wege mit wunderbarem Balancegefühl."? | In "Ein Rundflug durch die Schachwelt", Walter de Gruyter Berlin und Leipzig 1929 (Band 13 von Veits kleine Schachbücherei), in der Rubrik "Schachmeister als Privatmenschen" auf S. 53. | 0,5 |
3. Wen charakterisierte der Gesuchte in gleicher Quelle mit folgenden, nicht unbedingt wohlwollenden Worten: "Maßhalten ist eine große Kunst. Mister X verstand sie in tausend Dingen, nur im Selbstbewußtsein nicht. Einer aber versteht das Maßhalten in tausend und einem Ding! Es ist Dr. Lasker."? Wo lief der Autor jenem Mister X (Wer war es, Name?) in zwei Einzelpartien "den Rang ab" und bewahrte sich als einer der ganz Wenigen eine ausgeglichene Bilanz gg. Mister X? |
Spielmann hat gegen José Raúl Capablanca y Graupera (* 19. November 1888 in Havanna; † 8. März 1942 in New York City) als einer der ganz wenigen Gegner eine ausgeglichene Bilanz und mehr als einen Sieg zu verzeichnen. Er gewann in Bad Kissingen 1928 und Karlsbad 1929. | 0,5 |
4. Der Gesuchte galt in jungen Jahren als "Wunderkind", sein älterer Bruder ebenfalls. Wie hieß der Bruder, was war aber dessen besondere Befähigung? | Leopold Spielmann (* 5. August 1881 in Wien; † 10. Dezember 1941 im Ghetto Theresienstadt) war ein musikalisches Wunderkind, das schon mit 9 Jahren Klavierkonzerte für die kasierliche Familie gab. | 0,5 |
5. Was war der Hintergrund eines Artikels mit dem Titel "Zur Abwehr", den der Gesuchte 1929 veröffentlichte? | Rudolf Spielmann beklagte sich als "Meister von Deutschland" über seine Nicht-Einladung zum Meisterturnier des Deutschen Schachbundes in Duisburg 1929. (WSZ 1929 S. 185) | 0,5 |
6. Emanuel Lasker dürfte den Zwanzigjährigen - ungefähr wie auf nachfolgendem Bildnis dargestellt - zum ersten Mal zu Gesicht bekommen haben. Wo und aus welchem Anlaß könnte dies der Fall gewesen sein, ohne das es belegt ist? |
Rudolf Spielmann war ab Herbst 1903 in Berlin und beteiligte sich am Berliner Meisterschaftsturnier 1903/04, wo er hinter Horatio Caro mit Ossip Bernstein den zweiten Platz teilte (DSZ 1904, S. 121). Emanuel Lasker lebte ab Ende 1902 bis Frühjahr 1904 für einige Zeit in Berlin. |
0,5 |
7. Ganz gewiß trafen sich die beiden fünf Jahre später (Ort, Monat und Jahr, Anlaß). Weshalb kam der Gesuchte dorthin, welche Funktion nahm er dort u.a. wahr.? | Spielmann war dann ab Ende 1904 dauerhaft in München, seine ursprüngliche Absicht war ein Mathematikstudium. Bis 1914 lieferte Spielmann sehr viele Beiträge für die beliebte Schachrubrik der Münchner Neuesten Nachrichten. Somit war er Augenzeuge und Berichterstatter bei der ab Anfang September 1908 ausgetragenen Weltmeisterschaft zwischen Emanuel Lasker und Siegbert Tarrasch. |
0,5 |
8. Im Folgejahr saßen sich dann Lasker und sein "Verehrer" zum ersten Mal am Brett gegenüber. Wo war dies, und was ist das Besondere an dieser Partie? | In St. Petersburg 1909 spielte Lasker mit Schwarz in der fünften Runde gegen Spielmann und kam in einer Wiener Partie deutlich in Vorteil. Für der Weltmeister war es ungewöhnlich, dass er sein klares Plus nicht umsetzte und nach sieben Stunden Spielzeit ins Remis einwilligen mußte. | 0,5 |
9. Die nächste Partie der beiden ließ über 14 Jahre auf sich warten. Wo fand diese statt, was hat es mit dem nachfolgendem Foto auf sich? Der Gesuchte steht hier hinter Lasker. Wer sitzt neben Lasker? Welcher der 14 Turnierteilnehmer fehlt auf diesem Bild? | Diese Partie fand in Mährisch-Ostrau am 8. Juli 1923 statt und endete ebenfalls Remis. Das Foto entspricht nicht dem bekannten Turnierbild (Feenstra Kuiper nach S. 112), auf dem Tartakower und Rubinstein fehlen. Hier fehlt Heinrich Wolf. Neben Lasker sitzen links seine Frau Martha und rechts Ernst Grünfeld. | 1 |
10. Ihre letzte Partie spielten Lasker und der Gesuchte zehn Jahre später erneut in Moskau. Was ist dem Gesuchten gegen einen der beiden Turniersieger widerfahren? | Rudolf Spielmann verlor in der ersten Runde gegen Michail Botvinnik in elf Zügen. | 0,5 |
11. Wo trafen sich Lasker und der Gesuchte dann ein letztes Mal (Ort, Tag, Monat, Jahr, was war der Anlaß dieses Treffens)? Wer nahm an diesem Treffen sonst noch teil, in welchem Verhältnis stand eine dieser Personen zum Gesuchten? Welche Veröffentlichung basiert auf diesem Treffen? (Namen aller Teilnehmer, eingehende Erläuterung) | WSZ 1937, S.142: Während des Döry-Thematurniers trafen am 26. Mai 1937 Dr. Emanuel Lasker und Frau in Wien ein. Jacques Hannak berichtete: "An einem wundervollen Maienabend saß er (Lasker) da im Vorgarten des Hotel de France, zusammen mit Martha, mit Spielmann, mit Sonja Graf und mit mir selbst und plauderte bis tief in die Mitternacht hinein, bis noch ein letzter Gast zu der kleinen Gesellschaft stieß: Paul Keres, das estländische Schachgenie ..." Spielmann trainierte mit Sonja Graf für den Weltmeisterschaftskampf gegen Vera Menchik auf dem Semmering. |
1 |
12. Später am Abend kam noch ein junger Weltmeisterschafts-Aspirant hinzu, der ein paar Jahre später nochmals Laskers Aufmerksamkeit erregte. Wer war es, und womit hat Lasker sich beschäftigt? | Lasker kommentierte im Frühjahr 1940 für den New Yorker Schachhändler Albrecht Buschke in dessen Broschüre zum Wettkampf Keres-Euwe, Holland 1939/40 die fünfte Partie, gespielt am 30. Dezember 1939 in Amsterdam, und die neunte Partie, gespielt am 5. Januar 1940 in Rotterdam. Keres gewann mit 6-5 bei 3 Remis. |
0,5 |
13. Welches Schicksal teilte der Gesuchte dann mit Lasker? | Rudolf Spielmann konnte nach dem "Anschluß" Österreichs an Nazideutschland nicht zurück nach Wien, ging zuerst nach Prag und von dort im Januar 1939 noch vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Tschechoslowakei nach Schweden. Dort starb er mittellos in Stockholm. | 0,5 |
14. Wann und aus welchem Anlaß äußerte sich der Gesuchte zum letzten Mal zu Lasker (Datum, Titel und Erscheinungsort des Artikels)? | Rudolf Spielmann schrieb in der schwedischen Tidskrift för Schack Nr. 1 Jaunar 1941 (S. 3-5) einen ausführlichen Nachruf auf Lasker unter dem Titel "Några minnesord". | 0,5 |
Nur ein Teilnehmer nannte nicht die Besonderheit, durch die Spielmann im Gedächtnis blieb.
Alle Teilnehmer lagen richtig, wenn nichts fehlte. Etwas Kopfzerbrechen verursachte uns die von allen genannte "Seite 59" (statt 53). Der Monatssieger half der Jury mit seiner ausführlichen Antwort aus der Patsche: Seite 53 war es im Original, Seite 59 im Nachdruck von Jens-Erik Rudolph.
Fast alle Teilnehmer bekamen die kompletten 0,5 Punkte gutgeschrieben. In einer Lösung war eine Jahreszahl falsch.
Penibel ging die Jury auch hier zu Werke. Leopold Spielmann und Pianist war noch einfach. "9 Jahre" kam zwar in keiner Lösung vor, aber Hinweise auf den Wunderkind-Status brachten auch schon die volle Punktzahl.
Ab dieser Frage blieben die sehr ausdauernden Experten unter unseren Teilnehmern weitgehend unter sich. Es entwickelte sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Monatssieg.
Diese sehr spekulative Frage, wo sich Lasker und Spielmann das erste Mal sahen, beantworteten die Fachleute wie von Michael Negele vorgegeben (oder besser vorgeschlagen). Doch es gibt auch zwei andere Thesen: bei einem Fußballspiel von Tennis Borussia (eher unwahrscheinlich, wie unser Löser anmerkt) oder am 30.09.1900 bei einem Blindsimultan von Lasker in Wien!
Unser Monatsgewinner verlor hier fast entscheidenden Boden. Oder war Spielmann beim WM-Kampf 1908 wirklich schon in Düsseldorf Augenzeuge und Berichterstatter und nicht erst ab der 5. Partie in München, wo er auch lebte?!
(Korrektur: Spielmann war bereits in Düsseldorf dabei)
Daß Lasker eine Gewinnstellung nach sieben Stunden zum Remis verdarb, darauf kam niemand. Eine interessante (falsche?) Lösung war: "Lasker benötigte für die Analyse der Partie 6 Monate."
Ernst Grünfeld neben Lasker auf dem Foto nannte keiner unserer Teilnehmer.
Fast alle Teilnehmer kannten die kurzzügige Niederlage von Spielmann gegen Michail Botwinnik. Gespielt wurden allerdings nur 11 und nicht 12 Züge.
Unser Monatsgewinner schrieb gleich einen ganz Aufsatz mit mehreren Lösungsvorschlägen. Dafür bekam er als Einziger den vollen Punkt und die Führung im Dezemberwettbewerb.
Reuben Fine soll auch noch dagewesen sein, spekulierte ein Teilnehmer. Bei der Frage zuvor nannte er den Namen des "Gesuchten" (Keres), weswegen ihn Frage 12 wohl auf die falsche Fährte führte. Unser Monatsgewinner bekam als Einziger Punkte.
75 Prozent der Teilnehmer hatten die richtige Lösung.
Das gleiche Antwortenbild wie bei Frage 13.
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - Laskerjahr // ID 8796