24. März 2025
Am Wochenende war wieder Bundesliga. GM Vincent Keymer erhielt sich als Tabellendritter mit Rekordmeister OSG Baden-Baden zumindest weiterhin die theoretische Chance auf den Meistertitel – auch wenn der Düsseldorfer SK, vor dem SC Viernheim, einsam an der Spitze thront. Die deutsche Nummer eins holte bei den Siegen gegen St. Pauli und Werder insgesamt 1,5 Punkte – gegen GM David Howell und GM Ivic Velimir. Alltagsgeschäft. Mittlerweile ist sein Schach-Leben aber auch mit sehr viel Glanz und Glamour gespickt. Das liegt an der Freestyle Grand Slam Tour, bei der ab dem 7. April der nächste Halt Paris ansteht. Danach wird Keymer auch beim Grenke-Turnier im hoch dotierten Freestyle-Wettbewerb mitspielen. Diese Form des Schachs übt einen großen Reiz aus - auf viele Top-Spieler. Warum das so ist - eine der Fragen von Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit an den 20-Jährigen. In dem zweiteiligen Interview geht es aber nicht nur um Freestyle, wo er zuletzt in Weisenhaus 200 000 Dollar Preisgeld abräumte, sondern – vor allem morgen - auch um Vincent Keymers Ziele im traditionellen Schach.
Glückwunsch nochmal zum Erfolg in der ersten Runde des Freestyle Grand Slam. Was hat sich für Dich verändert seit dem Turniersieg in Weissenhaus? Stichwort Medienrummel.
Alle Teilnehmer haben in Weissenhaus viel Medienarbeit gemacht, nicht nur am Media Day vor dem Turnier, sondern auch an den Spieltagen. Trotzdem bekam ich während des Turniers und nach dem Turnier zahlreiche weitere Anfragen. Es fühlt sich in der Tat so an, als würde viel öffentliches Interesse wiederum weiteres Interesse erzeugen.
Ich vermute mal, Du konntest gar nicht alle Interview-Wünsche erfüllen, oder?
Das stimmt. Ich konnte wirklich nur einen Teil dieser Anfragen positiv beantworten. Bis zum nächsten Turnier blieb mir nicht viel Zeit.
Du bist Schachprofi – wie wichtig sind solche Freestyle-Turniere, auch mit Blick auf die hohen Preisgelder, um die Karriere forcieren zu können?
Die Freestyle-Turniere sind mir aus mehreren Gründen sehr wichtig. Zunächst führen sie zu einer öffentlichen Aufmerksamkeit für Schach, die andere Turniere – vielleicht ausgenommen die Weltmeisterschaftskämpfe – nicht erreichen können. Das geht meiner Meinung nach genau in die richtige Richtung: Schach muss noch populärer werden. Die hohen Preisgelder sind zuerst einmal eine schöne Bestätigung dafür, dass die sportliche Tätigkeit als Schachspieler eine hohe Wertschätzung erfährt. Konkret helfen sie natürlich auch dabei, die Ausgaben, die notwendig sind, um auf sehr hohem Level zu spielen, zu bestreiten. Und dann gibt es noch einen Aspekt.
Und der wäre?
Der liegt im Schach selber - und mir persönlich am Herzen: Freestyle wird nahezu ohne Eröffnungsvorbereitung gespielt. Das bedeutet, ich muss nicht morgens vor der Partie mehrere Stunden lang Eröffnungen lernen oder wiederholen, sondern gehe zur Partie frischer ans Brett. Alle wesentlichen Entscheidungen finden dann während der Partie statt.
Viele fragen sich in diesen Tagen aber auch: Ist Freestyle das neue Schach? Wie siehst Du das?
Das klassische Schach wird meiner Meinung nach immer bestehen bleiben. Ich betrachte Freestyle als Erweiterung der Möglichkeiten und als willkommene Ergänzung.
Höhere Preisgelder, mehr Glamourfaktor - Spieler wie Hikaru Nakamura denken drüber nach, dem traditionellen Schach komplett den Rücken zu kehren? Ist das für Dich auch vorstellbar?
Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Wie schon gesagt, wünsche ich mir, dass beides nebeneinander existiert.
Abgesehen davon tauchen im Netz immer wieder Gerüchte auf: Es ziehe Dich privat und beruflich in die USA. Mehr als nur ein Gerücht?
Ich muss ganz offen sagen, dass es etliche Länder gibt, in denen die Bedingungen für Schachspieler besser sind als in Deutschland. An Gerüchten bezüglich eines Wechsels in die USA ist aber nichts dran.
Viele Fans fürchten, dass Du zu viel Energie beim Freestyle lässt – berechtigt? Bergen die vielen Freestyle-Turnier auch die Gefahr, anderswo wertvolle Elo-Punkte liegen zu lassen – auch mit Blick auf die Qualifikation fürs Kandidatenturnier?
Ich habe oftmals die Möglichkeit, mich zwischen mehreren Turniereinladungen zu entscheiden und bin mir dessen bewusst, dass das eine sportlich sehr angenehme Situation ist. Die Entscheidung, wo ich dann tatsächlich spiele, treffe ich immer in Absprache mit meinem langjährigen Trainer Peter Leko. Peter war 2004 Vizeweltmeister und kennt das Geschäft – wenn man es so nennen will - auf allen Ebenen. Er betreut mich seit ich 13 Jahre alt bin und hat immer besonders auf eine nachhaltige Entwicklung wert gelegt. Ich hoffe also, dass meine Entscheidungen sinnvoll sind, selbstverständlich besonders mit Blick auf eine mögliche Qualifikation für das Kandidatenturnier.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36344