18. November 2014
Neuer Zwischenstand im WM-Match ist 4,5-3,5 für Carlsen - insgesamt trotz einer Schreckminute nicht unverdient. Nach acht Partien (von maximal zwölf mit klassischer Bedenkzeit) ist es zu früh, Bilanz zu ziehen - einige Rekorde haben wir bereits oder auch nicht. War die dritte Partie die grösste Eröffnungskatastrophe aller Zeiten in einem WM-Match? Da gibt es durchaus Konkurrenz (auch in diesem Jahrtausend), das will ich nicht vertiefen. Enthielt die sechste Partie den grobsten Doppelfehler aller Zeiten in einem WM-Kampf? Zumindest "unklar", siehe unten. War die siebte Partie die nach Zügen längste seit (inbegriffen) Steinitz-Zukertort anno 1886? Nein, knapp daneben ist vorbei. War Carlsen heute in der achten Partie der schläfrigste Spieler jemals? Vielleicht in einem WM-Kampf, aber Vlad Tkachiev hatte das mal besser hinbekommen, und für ihn hatte es damals Konsequenzen. Tkachiev hat übrigens interessante Einblicke und Meinungen zum WM-Match - im russischen Original auf seinem neuen Blog, in autorisierter englischer Übersetzung auf chess24. War die Pressekonferenz hinterher die kürzeste und einsilbigste seit es Pressekonferenzen gibt? Das kann durchaus sein ... .
Ob das Match generell "in die Annalen eingehen wird", abwarten ... . Meine heutige Aufgabe ist ja, die fünfte bis achte Partie zu besprechen:
Anand begann wieder mit 1.d4, und Carlsen spielte heute Damenindisch. Das wurde mitunter als grosse Überraschung bezeichnet [z.B. Giri auf Twitter: "If this doesn't surprise Vishy, then nothing will surprise him... :) ]. Mit klassischer Bedenkzeit spielte Carlsen zuletzt anno 2012 Damenindisch, u.a. auch gegen Anand in Bilbao - das ist noch nicht sooo lange her? Wie dem auch sei, Anand ist Überraschungen in WM-Matches gewöhnt (vor allem Grünfeld von Gelfand). Carlsen wählte danach ein seltenes Abspiel - wohl um gegnerischer Vorbereitung auszuweichen, offenbar glaubte er selbst nicht, seinen Gegner bereits mit 3.-b6 auf dem falschen Bein zu erwischen .... . Anand hatte auch darauf etwas vorbereitet - allerdings eher nicht speziell für dieses Match, daher verbrauchte er relativ früh Bedenkzeit um das aus dem Gedächtnis hervor zu kramen.
Eine andere Überraschung war durchaus angenehm: im Livekommentar bekam Svidler Gesellschaft von Nepomniachtchi, oder sollte ich sagen "Konkurrenz"? Das Rededuell war intensiv und endete etwa unentschieden. "Nepo" war, wie noch einige andere, zum Tal Memorial Blitz angereist. Sopiko Guramishvili pausierte, was den Kommentar betrifft, da sie eben dieses Blitzturnier live kommentiert hatte. Vor der Runde war Nepomniachtchis Antwort auf die Frage ob oder eher These, dass er Carlsen sekundiert, übrigens diese: "Was soll ich sagen? [Original "hard to comment upon"]. Nicht dass ich wüsste, aber vielleicht wissen Sie ja mehr als ich selbst ...". Das Thema 'heimliche Sekundanten' ist generell ebenso 'interessant' wie spekulativ und daher müssig!?
Nach einigen Komplikationen erreichte Weiss ein besseres Endspiel mit starkem Läufer gegen Randspringer auf a5, und dann verflachte die Partie doch schnell zum in der Schlusstellung offensichtlichen Remis. Mit (statt 26.Txa7) 26.g3 oder 26.Tc7 konnte Anand vorläufig auf den Rückgewinn des geopferten Bauern verzichten und mehr Druck ausüben - "automatische Reaktion" hier und da im Internet: Carlsen mit Weiss hätte sicher so gespielt und seinen Gegner noch stundenlang gequält. Anand hatte beides erwogen, fand aber nichts Konkretes und spielte dann einen dritten Zug der noch weniger versprach - kenne ich ähnlich aus eigenen Partien ... . Da prallen auch zwei Schachphilosophien aufeinander - ist Schach Wissenschaft oder Sport? Wissenschaft betrachtet die Lage objektiv (soweit man am Brett objektiv ist), Sport integriert auch den menschlichen Faktor - vielleicht findet der Gegner ja nicht die beste Verteidigung? Generell ist Carlsens Ansatz: "Ich mache keine Fehler [noch wusste niemand, was tags darauf passieren würde ...], der Gegner vielleicht schon". Es ist ein bisschen Geschmackssache, ob man darauf spekuliert und für (subjektiv geschätzt) 10% Gewinnchancen stundenlang weiterspielen will. Nach der Partie war Carlsen relativ gut gelaunt und sprach, im Gegensatz zu Runde 4, auch mit norwegischen Reportern.
Das ist die Überleitung zu einem kleinen Exkurs. Deutschsprachige Presseschau ist generell Sache meines Kollegen Michael Wiemer, aber einen Zeit-Artikel von Ulrich Stock will ich hier erwähnen (was er bereits tat) und ein bisschen aus eigener Sicht kommentieren. Generell ist es bemerkenswert, dass eine Wochenzeitung einen eigenen Reporter vor Ort hat, der nicht nur erfahrener Journalist sondern auch fortgeschrittener Hobby-Schachspieler ist und dann täglich im Internet berichtet. Ebenso bemerkenswert sind/waren die drei extra hervorgehobenen "Aktuelle(n) Themen" auf www.zeit.de: Ukraine, Raumsonde Rosetta und ... Schach-WM 2014. Schach hat mit Politik und speziell Ukraine zu tun (sagen jedenfalls einige, darunter ein Ex-Weltmeister); ausserdem wurde der amtierende FIDE-Präsident von Ausserirdischen entführt - daher passt das schon ... . Das war Stand Sonntag - inzwischen wurde Raumsonde Rosetta durch "Islamischer Staat" ersetzt. Ulrich Stock schreibt auch über das 'Drumherum' - würde ich vielleicht ähnlich machen wenn ich denn vor Ort in Sotschi wäre.
Nun ein Stock-Zitat: "kein guter Journalist stellt eine gute Frage auf einer Pressekonferenz. Die Antwort würden ja alle hören." Ich war selbst als Reporter in Wijk aan Zee eher stolz oder zumindest angenehm überrascht, dass zwei meiner Fragen in Pressekonferenzen (bzw. die Antworten) anderswo erwähnt wurden - im zweiten Fall gar als Unter-Überschrift. Bin ich deswegen kein guter Journalist? Das mögen andere beurteilen ... . Es könnte eine Rolle spielen, dass ich gar kein Journalist bin, jedenfalls nicht nach der auf Wikipedia zitierten Definition des Deutschen Journalistenverbandes. Demnach ist Journalist zwar kein geschützter Beruf, aber auf jeden Fall ein Beruf - und ich mache es nur nebenbei. Unabhängig davon: In Wijk aan Zee war es ansonsten schwierig und Glückssache, die Spieler zu "erwischen" - oft waren sie nur einige Minuten oder gar nicht im Pressebereich. Und in Sotschi war es - siehe Foto unten - auch ausserhalb der Pressekonferenz schwierig, Carlsen alleine zu sprechen. Dann konnte man ihn zwar auf Norwegisch befragen, aber auch das verstanden wohl diverse wenn nicht (hier) alle Kollegen-Konkurrenten. Das Foto entstand genau genommen nach der sechsten Partie, aber hier passt es zu meinem Bericht:
In der Einleitung habe ich den 'Höhepunkt' dieser Partie bereits genannt; ausserdem verfolgt der eine Leser oder die andere Leserin die WM wohl auch tagesaktuell - oder zumindest die bereits erwähnte Presseschau hier auf schachbund.de . Daher wissen sie bereits, dass sich die Stellungsbeurteilung innerhalb von 123 Sekunden um 360 Grad (2*180) drehte. Aber ich fange am Anfang an. Es begann wieder mit 1.e4 c5 2.Sf3 e6 und nun (nicht unbedingt eine Überraschung, da 3.g3!? nichts einbrachte) 3.d4, also ein offener Sizilianer. Eher überraschend war (3.-cxd4 4.Sxd4) 4.-a6 - nicht die Taimanov-Variante mit -Sc6 und -Dc7 (so spielt die Weltspitze bevorzugt, so spielte Anand bis ca. 2005 gelegentlich), sondern ein Kan oder Paulsen. Für mich unangenehm - Taimanov spiele ich selbst seit einigen Monaten und habe mir ein gewisses (un)gesundes Halbwissen angeeignet, Kan kenne ich gar nicht. Aber das konnte Anand nicht wissen, und es beeinflusst seine Eröffnungswahl ohnehin eher nicht. Giri reagierte mit "Wow, Vishy spielt die Kan-Variante? Das ist bekannterweise eine gute Wahl gegen Patzer in offenen Turnieren. :)". Da war noch nicht klar, welches Abspiel aufs Brett kommen würde - Carlsen und Anand entschieden sich für eine Nebenvariante mit frühem Damentausch. Nakamura dazu: "Ich hasse Anands Eröffnung!", und Kramnik (heute Gast in der Liveübertragung) später "Vielleicht kann man das remis halten, aber die Ausgangsstellung ist nicht so schlecht für Schwarz, dass man so ein Endspiel ansteuern muss."
Was war genau das Problem? Schwarz musste sich passiv verteidigen, während Weiss "alles" hatte: Raumvorteil, aktivere Figuren, Läuferpaar, und - OK - einen isolierten Doppelbauern auf der c-Linie, aber der war kaum angreifbar. Derlei Stellungstypen hatten Schwarzspieler bereits in WM-Matches freiwillig erlaubt: bis zu einem gewissen Grad Kramnik mit der Berliner Mauer gegen Kasparov (aber da hat Schwarz zumindest das Läuferpaar), dann zunächst Kramnik und später Anand das "Elista-Endspiel" gegen Topalov - eine mehr oder weniger vergleichbare Variante im slawischen Damengambit. Da war die Idee, dass die 'dynamischen' Weisspieler nicht die Geduld haben, um Vorteil/Initative langsam auszubauen - aber Carlsen hat Geduld [zunächst hatte ich aus Versehen "Carlsen ist Geduld" geschrieben], und das ist "sein" Stellungstyp!? Wenn Anand dachte "schau her Magnus, wir spielen Dein Schach und ich habe alles unter Kontrolle" (ähnlich hatte er sich nach dem WM-Match in Chennai geäussert), war es zumindest provokativ und riskant ... .
Dann die 123 Sekunden ... . Carlsen brauchte deren 63 für 26.Kd2??, Anand spielte nach genau einer Minute 26.-a4?? - viel besser war 26.-Sxe5 was ein zwei Bauern und sehr wahrscheinlich die Partie gewinnt. Mitunter kann Schwarz aus einer scheinbar passiven Stellung heraus (z.B. Igel-Aufbau) plötzlich kontern und ist das so geplant, hier war es ein zufälliges Ergebnis von Carlsens Lapsus. Die offizielle Liveübertragung hatte da gerade Pause - das brauchen die Kommentatoren ab und zu, und ein bisschen Reklame zwischendrin gehört zu einem Service, der gratis angeboten wird? Natürlich war es der verkehrteste Moment, aber damit konnte nun wirklich niemand rechnen. Die Reaktionen von Peter Svidler und Sergej Schipow haben Ulrich Stock ("Das Mysterium von Sotschi") und sekundär Michael Wiemer bereits erwähnt, einige andere habe ich auch aus dem Internet. Unter den norwegischen Journalisten herrschte erst Panik, dann Erleichterung - ich weiss nicht, wieviel Ahnung sie alle vom Schach haben, aber es reicht ja wenn einer ruft "unser Liebling hat gepatzt und kann nun verlieren" ... . Karjakin musste sich zurückhalten: "Als Magnus mit Kd2 patzte, sass ich im Turniersaal und wollte SE5!!! herausschreien. Ich denke, es hätte die Schachgeschichte verändert:-)." Tat er natürlich nicht, aber offenbar drückt er Anand die Daumen - obwohl sein Manager letztes Jahr noch sagte "gut, dass Carlsen Weltmeister ist, ein Konkurrent weniger für Karjakin im Kandidatenturnier". Die spanische Liveübertragung von chess24 - IMs Lawrence Trent und David Martinez, über Skype zugeschaltet Paco Vallejo - blieb dran (Video-Ausschnitt in diesem Artikel). Auch wenn man gar kein Spanisch versteht (oder sogar wenn man den Ton ausschaltet und nur die Gestik betrachtet) ist die 'Dramatik' der zweiten Minute fühlbar. Das Videoarchiv der Turnierseite hat nachträglich "Two Minutes of Blackout" dokumentiert. Leider sieht man die Gesichter der Spieler nicht ... Carlsen realisierte sofort, was er gerade angerichtet hatte. Ulrich Stock und, unabhängig davon, mir selbst fiel auf, dass er zögerte, diesen Zug aufzuschreiben - als ob das was ändern könnte. Das kann ein Screenshot kaum dokumentieren, aber ich bringe ihn trotzdem:
Später bemerkte Anand auch, welche Chance er verpasst hatte. Der Rest der Partie war beiderseits etwas konfus, aber vor allem Anand litt darunter und ging recht chancenlos unter - sein Gegenspiel war durchaus kreativ, aber völlig unzureichend.
Schwerpunkt der Pressekonferenz waren diese zwei Minuten - so sehr, dass Gastgeberin Anastasia Karlovich irgendwann meinte "gibt es auch Fragen NICHT zu König d2?". Anand: "wenn man ein Geschenk nicht erwartet, nimmt man es auch nicht an ...". Carlsen auf eine entsprechende Frage eines Journalisten: "Ja, ich hätte hier das WM-Match verlieren können." Soweit habe ich den Artikel bereits Sonntag abends geschrieben - aber erst Dienstag wird er komplettiert und veröffentlicht, dann kennen wir vielleicht die längerfristigen Konsequenzen der bizarren 123 Sekunden. Aktuell hatten es zwei kibitzende Grossmeister auf Twitter so (funktioniert nur im englischen Original) zusammengefasst:
Anish Giri: "Historical game!"
Jan Gustafsson: "@anishgiri Did you misspell horrible?"
Giri: "@GMJanGustafsson Hysterical. rather :)"
Gustafsson: "@anishgiri Touche."
War das der schlimmste Doppelfehler aller WM-Zeiten?? Konkurrenz hat er zumindest von der zweiten WM-Partie zwischen Kramnik und Topalov: Kramnik erlaubte ein forciertes Matt, Topalov spielte anders weiter und verlor die Partie später.
Zur (geplanten) Halbzeit im Match werden die Farben getauscht bzw. eben nicht - Carlsen hatte zum zweiten Mal hintereinander Weiss. Sinn der Sache ist, dass nicht immer derselbe Spieler nach dem Ruhetag zunächst Weiss bekommt. Würde Carlsen mit einem Doppelschlag das Match quasi entscheiden? Er war nahe daran oder auch nicht - einerseits hatte er im Partieverlauf materiellen Vorteil, andererseits war dieser schwierig bis objektiv womöglich gar nicht gewinnbringend zu verwerten. Wieder habe ich den Ereignissen vorausgegriffen und beginne nun wieder zu Anfang der Partie: 1.e4 e5 (heute kein 'aufregender' Sizilianer) 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 (Berliner Mauer?) 4.0-0 (ja, heute das berühmt-berüchtigte Endspiel!) . Carlsens 4.d3-Konzept aus der zweiten Partie war offenbar doch keine 'Widerlegung' von 3.-Sf6 ... .
Zwei niederländische GMs standen im Twitter-Mittelpunkt, zunächst Giri mit diesen drei Tweets: 1) "Yay, the Berlin Endgame!!! #exciting #not #CarlsenAnand" - ich dachte spontan (oder zumindest nun beim Schreiben dieses Artikels) an mein allererstes Kurzinterview mit einem GM: TR "Not too much to say about your game, I suppose?" Giri "No" - das war nach dessen souverän-langweiligem Schwarzremis gegen Dominguez in der ersten Runde in Wijk aan Zee, er hatte die Berliner Mauer gespielt, nach 31 Zügen war es totremis. Die Partie heute sollte länger dauern und Giri war als Weisspieler beteiligt, denn lange folgten sie seiner Partie gegen Radjabov, gerade vor ein paar Wochen beim FIDE Grand Prix in Taschkent gespielt. Mitunter hat Chessbase (konkret GM Ramirez) unrecht: 24.g4 war keine von Team Carlsen vorbereitete Neuerung, erst 25.-Sf7 von (Team?) Anand war neu. Ich gebe wiederum Giri das Wort, und nun doppelt: 2) "Magnus knows who is the man to follow in the Berlin. :) Giri-Radjabov #modest #CarlsenAnand" [der ebenfalls betroffen-beteiligte Radjabov reagierte mit "hahahahaha"], 3) "All they talk about in the Norwegian #CarlsenAnand studio now is how great and nice @anishgiri is :) #vgsjakk" . Ist Giri (etwas zu) arrogant, oder hat er einen köstlich-eigenen Humor? Da gehen die Meinungen auseinander, ich tendiere zu Letzterem.
Kurz danach opferte Anand seinen Läufer für zwei weisse Bauern am Königsflügel, vielleicht im höheren Sinne erzwungen. Auf dem Brett verbleiben für Weiss Turm, Springer und zwei Bauern, für Schwarz Turm und vier Bauern, alle Bauern am Damenflügel. Ist das remis oder kann Weiss gewinnen? War das noch Anands Vorbereitung? Nicht unbedingt, da er in der Phase direkt davor viel Zeit verbrauchte. Lange geschah wenig, es wurde eben manövriert, dann wurde es konkret und - ohne auf alle Feinheiten eingehen zu können - Anand schaffte es, alle weissen Bauern zu eliminieren. Was sich bereits zuvor abzeichnete: übrig blieb ein Endspiel Turm und Springer gegen Turm. Das ist, sicher auf GM-Ebene, recht trivial remis, aber Carlsen hatte so ein Endspiel schon einmal gewonnen bzw. sein grossmeisterlicher Gegner hat es verloren - dieser Mann ist Niederländer und heisst Erwin l'Ami. Das haben einige (war der indische GM Gupta der Erste?) auf Twitter erwähnt, später auch l'Ami selbst. Ich folge seiner Bitte, diese Partie nicht zu finden und zu verlinken, und erwähne stattdessen die (englischsprachige) Video-Analyse von GM l'Ami und IM Robert Ris - nicht weil sie unbedingt "besser" ist als diverse andere Angebote im Internet, sondern um den Lesern etwas anzubieten, das sie vielleicht noch nicht kennen (und auch weil ich beiden bereits persönlich begegnet bin).
Im 77. Zug verschwand der letzte weisse Bauer, im 104. Zug der letzte schwarze Bauer, und nach 122 Zügen wurden auch die Türme abgetauscht und damit natürlich remis vereinbart. War es respektlos von Carlsen, sooo lange weiterzuspielen? Da gehen die Meinungen auseinander; ich zitiere einen Zweifler: " "Es ist an der Grenze zur Respektlosigkeit", sagt [der spanische Schachjournalist] Leontxo García. "Ich weiß nur nicht, auf welcher Seite der Grenze." " (hier gefunden). Ein WM-Rekord war es nicht, den behalten weiterhin Kortschnoi und Karpov mit 124 Zügen.
In der 'symbolischen' letzten Partiephase unterhielten sich Svidler und Guramishvili u.a. darüber, ob sie schon einmal am Brett geschlafen haben. Svidler: "allenfalls mal ein Sekundenschlaf". Guramishvili: "Ja, mit 12 Jahren bei einer Jugend-WM, nach langer Anreise nebst Jetlag. Nach 15-20 Minuten hat meine Gegnerin mich freundlicherweise aufgeweckt." Da wussten sie noch nicht, was tags darauf passieren würde.
Zur Partie selbst fasse ich mich kurz: Aufs Brett kam wiederum Damengambit mit Lf4, aber diesmal war Carlsen "etwas" bzw. sehr viel besser vorbereitet als in der dritten Partie. Anand erreichte aus der Eröffnung rein gar nichts, die Stellung verflachte schnell, und Remis war unvermeidlich. Natürlich war das Carlsen recht und Anand vermutlich nicht - da Vishy Weiss hatte und einen Rückstand im Match aufholen muss. Carlsen spulte seine Züge flott herunter und schien zwischendurch, während Anand - auf der vergeblichen Suche nach zumindest ein bisschen Vorteil - länger nachdachte, am Brett quasi einzuschlafen.
Was war los mit Carlsen? Hatte die Partie gestern ihn mehr ermüdet als seinen Gegner? Es kann auch sein, dass er Theater spielte - bei ihm bin ich mir nie ganz sicher, was spontan-authentisch ist und was Inszenierung. Und generell, auch früher in diesem WM-Kampf und bei anderen Gelegenheiten, ist sein Verhalten am Brett mitunter Geschmackssache.
Die Pressekonferenz hatte ich bereits erwähnt. Wie geht es weiter im WM-Match? Zunächst mit einem Ruhetag, und dann wird wieder gespielt, soviel steht fest. Es sei denn, Carlsen verschläft den Partiebeginn - dann wird er genullt.
Thomas Richter
// Archiv: Nachrichten Thomas Richter // ID 19117
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