17. April 2025
Acht Tage noch bis zum großen Ereignis. Die schlechte Nachricht für alle Fans der Schach-Bundesliga zuerst: Der Größte unter den Großmeistern, GM Magnus Carlsen, kommt leider nicht. Der Grund ist für Kenner der Szene einfach: Spiele des Weltranglisten-Ersten sind für seinen Verein FC St. Pauli kein Schnäppchen – und außerdem ist der Aufsteiger mit vier Punkten Vorsprung zur Abstiegszone quasi gerettet. Der FC St. Pauli selbst sagt, der Nichtantritt Carlsens bei der Zentralen Endrunde sei seit Saisonbeginn bekannt und habe "keine finanziellen Gründe, sondern lediglich terminliche". Wie auch immer, die gute Nachricht lautet für die Fans: Es kommen aber viele andere Weltklassespieler zur gemeinsam vom Deutschen Schachbund und der Schach-Bundesliga veranstalteten Endrunde der Bundesliga und der Frauenbundesliga ins bayerische Deggendorf - vom 25. bis 27. April. Detektivisch hat so mancher in der Schachszene schon hergeleitet: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Weltmeister GM Dommaraju Gukesh (bisher null Partien für den Düsseldorfer SK) in die große Kreisstadt in Niederbayern kommt, ist nicht gering. Indizien dafür gibt es jedenfalls, nun ja: zuhauf.
Indiz Nummer eins: GM Jan Gustafsson, der Bundestrainer, der schon zehn Partien für den Topfavoriten absolviert hat, wird diesmal nicht für den Düsseldorfer SK spielen. Er kommentiert. Dazu später mehr. Soll heißen: Der Tabellenführer denkt groß, besetzt seine Bretter weiträumig mit den Über-2700-Elo-Spielern, die er ja zuhauf (genau gesagt: zehn Mann) im Kader hat. Denn wer sonst könnte den Bundestrainer ersetzen?
Indiz Nummer zwei: Chessbase India erwägt die Anreise. Klar, Düsseldorf hat mit GM Arjun Erigaisi, GM Rameshbabu Praggnanandhaa und GM Santosh Gujrathi Vidit weitere indische Topleute unter Vertrag – aber die sieht man ja öfter. Gukesh hingegen würde sein Debüt geben. Und ja: So ein Weltmeister schüchtert doch alle ein, oder? Dass der souveräne Tabellenführer schwer auf der Hut ist, lässt sich an einer Aussage herauslesen. Da hakte Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit beim Düsseldorfer Teamchef Jan Werner nach, der nur vielsagend sein Pokerface aufsetzte: „Ich verrate nix. Wir stehen gut da, aber wir sind noch nicht durch.“ Soll heißen: Man neigt dazu, das Reglement voll auszureizen und erst zwei Stunden vorher seine Aufstellung bekannt zu geben. Zwar ist das Duell gegen den amtierenden Meister SC Viernheim erst am Sonntag, aber am Freitag geht es gegen die SG Solingen. Und vor denen, sagt Werner, habe man ordentlich Respekt. Womöglich, das sei mal angedeutet, einigen sich Viernheim und Düsseldorf noch – und geben ihr Aufgebot früher bekannt (was ab der neuen Saison nach Anpassung des Reglements sowieso zwingend nötig ist). Zwecks besserer Vermarktung der Endrunde. Man kann sich das jedenfalls lebhaft vorstellen: Kommt wirklich Gukesh, wird in Niederbayern Indisch gesprochen...
Insgesamt gilt für diese drei letzten Runden: Ein bisschen mehr Meister-Spannung hätte es schon sein dürfen. Das Knistern, wer holt den Pott – das fehlt ein bisschen. Fast wie im Fußball. Nur, dass im Schach die Verhältnisse andere sind, ungewohnt für Freunde großer Sport-Marken: Die berühmten Bayern aus München sind nicht meisterlich, sondern mitten im Abstiegskampf. „Natürlich“, sagt Markus Schäfer, Präsident der Schach-Bundesliga, „gehen fast alle davon aus, dass Düsseldorf das Rennen macht. Da genügt ein Blick auf die Tabelle und die bisher starken Auftritte.“ Die Weste des Tabellenführers ist mit 22 Mannschaftspunkten aus elf Partien blitzsauber, Viernheim hat schon drei Mannschaftspunkte Rückstand. Aber Viernheim hat auch angekündigt, mit der besten Mannschaft zu kommen. „Viernheim will das letzte Spiel gegen Düsseldorf unbedingt gewinnen“, weiß Schäfer.
Ja, sagt Viernheims Teamchef Stefan Martin. Er wolle den Düsseldorfern „wenigstens eine Niederlage zuzufügen“. Da haben wir es: Indiz Nummer drei dafür, warum Düsseldorf die volle Kapelle ankarren wird.
Wobei sich Martin einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen will, im Gespräch mit Wolf: „Die finanzielle Schlagkraft ist hier die entscheidende Komponente für den Titelgewinn“, sagt er, fügt aber kritisch hinzu: „Man wird sehen müssen, wie lange das gut geht. Aus meiner Erfahrung nur eine Zeitlang, dann nutzt sich das mit den vielen Topstars ab. Der Zauber des Neuen verfliegt, es kehrt Routine ein. Auf lange Sicht ist ein guter Teamgeist für nachhaltigen Erfolg wichtiger.“ Eine Mannschaft, gespickt mit internationalen Stars, werde auf lange Sicht gesehen „irgendwann satt“. Deshalb müsse das Viernheimer Team ein Mix aus internationalen Topstars und Spielern bleiben, „die jung und hungrig sind“. Versteckte Kampfansagen des Meisters 2024, vielleicht auch mit Blick auf die neue Saison. Das Salz in der Suppe jedes Wettkampfes und ein probates Mittel zur Verunsicherung des Gegners - Fakt ist aber auch: Spannung gibt es in diesem Jahr vor allem noch im Tabellen-Keller.
Ergebnisse: DSB-Ergebnisdienst | Schachbundesliga e.V.
Live-Partien: Lichess | Chess
Pl. | Mannschaft | MP | BP | 25.4. | 26.4. | 27.4 |
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1. | Düsseldorfer SK (N) | 22:0 | 63,5 | Solingen (6.) | Heimbach (10.) | Viernheim (2.) |
2. | SC Viernheim (M) | 19:3 | 56,5 | Heimbach (10.) | Solingen (6.) | Düsseldorf (1.) |
3. | OSG Baden-Baden | 18:4 | 53,5 | Deizisau (4.) | Kirchweyhe (11.) | Mülheim (15.) |
4. | Schachfreunde Deizisau | 15:7 | 48,5 | Baden-Baden (3.) | Mülheim (15.) | Kirchweyhe (11.) |
5. | Hamburger SK | 11:13 | 50,0 | - | Mergentheim (13.) | Dresden (7.) |
6. | SG Solingen | 11:11 | 46,0 | Düsseldorf (1.) | Viernheim (2.) | Heimbach (10.) |
7. | USV TU Dresden | 11:13 | 42,0 | Mergentheim (13.) | - | Hamburg (5.) |
8. | SV Werder Bremen | 10:12 | 43,5 | St. Pauli (9.) | Deggendorf (12.) | Bayern (14.) |
9. | FC St. Pauli (N) | 10:12 | 40,5 | Bremen (8.) | Bayern (14.) | Deggendorf (12.) |
10. | SC Heimbach-Weis-Neuwied | 8:14 | 40,5 | Viernheim (2.) | Düsseldorf (1.) | Solingen (6.) |
11. | SK Kirchweyhe | 8:14 | 39,0 | Mülheim (15.) | Baden-Baden (3.) | Deizisau (4.) |
12. | SV Deggendorf (N) | 7:15 | 38,5 | Bayern (14.) | Bremen (8.) | St. Pauli (9.) |
13. | SF Bad Mergentheim (N) | 6:18 | 38,0 | Dresden (7.) | Hamburg (5.) | - |
14. | FC Bayern München | 6:16 | 36,5 | Deggendorf (12.) | St. Pauli (9.) | Bremen (8.) |
15. | SV Mülheim Nord | 6:16 | 35,5 | Kirchweyhe (11.) | Deizisau (4.) | Baden-Baden (3.) |
16. | SK Doppelbauer Turm Kiel | - | - | - |
Auch bei den Frauen ist der Titelkampf im Grunde entschieden. „Ich wüsste nicht, wer sie jetzt noch aufhalten soll“, sagt GM Elisabeth Pähtz über den SC Bad Königshofen: „Sie sind schon sehr konstant und auch gut besetzt.“ Pähtz liegt mit der OSG Baden-Baden aktuell auf Rang zwei – bei zwei Mannschaftspunkten Rückstand vor der zentralen Endrunde mit ihren drei Duellen. In Bad Königshofen im Grabfeld, einer Kleinstadt im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld, ist man sich auch bewusst, dass man als Titelfavorit ins Abschlussrennen geht. „Wir haben eine gute Ausgangsposition“, sagte WGM Jana Schneider, „aber wir werden garantiert nicht nachlässig.“ Zumal auch den Unterfränkinnen klar ist, dass sie zwar Top-Favorit Schwäbisch Hall abgehängt haben – aber Baden-Baden ein zäher Verfolger ist. Und auf großer Bühne in Deggendorf wolle man sich auch gut präsentieren, so Schneider: „So eine Endrunde ist grundsätzlich ein tolles Event, auf das ich mich die letzten Jahre immer gefreut habe. Jetzt sogar gemeinsam mit den Männern - das wird sehr groß.“ Sie hoffe, dass trotz des Star-Aufgelopps bei der Bundesliga auch mancher einen Blick zum Frauenschach richtet. „Da gibt es auch guten Sport zu sehen.“ Vor allem: einen spannenden Abstiegskampf, wie der Blick aufs Tableau zeigt.
Lassen wir auch hier mal eine Spielerin zu Wort kommen. Claudia Meffert ist Präsidentin des Landesschachverbandes Sachsen-Anhalt und tritt in Deggendorf für die SG 1871 Löberitz an, die derzeit den ersten Abstiegsplatz belegt. Gleich am Freitag kommt es womöglich bereits zu einer Art Endspiel um den Ligaerhalt – gegen das SZ Seeblick aus Dippoldiswalde. Jenes sympathische Familienprojekt der Familie Peglau. Meffert sagt: „Ich werde als Gastspielerin vor Ort sein, will in jedem Fall meine Mannschaft unterstützen und gemeinsam mit ihr den Klassenerhalt feiern.“ Die Endrunde, sagt sie, sei eine „wunderbare Veranstaltung, die ich mir ungern entgehen lassen würde.“ Ein Stelldichein von Schach-Freundinnen. Immer wieder wird die besonders faire Atmosphäre in der Frauenbundesliga gelobt.
Ergebnisse: DSB-Ergebnisdienst | Schachbundesliga e.V.
Live-Partien: Lichess | Chess
Pl. | Mannschaft | MP | BP | 25.4. | 26.4. | 27.4 |
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1. | SC 1957 Bad Königshofen | 16:0 | 37,5 | Rodewisch (5.) | Harksheide (7.) | Hamburg (4.) |
2. | OSG Baden-Baden | 14:2 | 33,0 | Bayern (11.) | Deizisau (8.) | Hall (3.) |
3. | SK Schwäbisch Hall (M) | 11:5 | 32,5 | Deizisau (8.) | Bayern (11.) | Baden-Baden (2.) |
4. | Hamburger SK | 11:5 | 28,0 | Harksheide (7.) | Rodewisch (5.) | Königshofen (1.) |
5. | Rodewischer Schachmiezen | 11:5 | 27,5 | Königshofen (1.) | Hamburg (4.) | Harksheide (7.) |
6. | SG Solingen | 7:9 | 23,0 | Hemer (12.) | Löberitz (10.) | Dippoldiswalde (9.) |
7. | TuRa Harksheide | 7:9 | 23,0 | Hamburg (4.) | Königshofen (1.) | Rodewisch (5.) |
8. | Schachfreunde Deizisau | 7:9 | 22,5 | Hall (3.) | Baden-Baden (2.) | Bayern (11.) |
9. | Seeblick Dippoldiswalde (N) | 4:12 | 14,0 | Löberitz (10.) | Hemer (12.) | Solingen (6.) |
10. | SG 1871 Löberitz | 3:13 | 16,5 | Dippoldiswalde (9.) | Solingen (6.) | Hemer (12.) |
11. | FC Bayern München (N) | 3:13 | 16,0 | Baden-Baden (2.) | Hall (3.) | Deizisau (8.) |
12. | SV Hemer 1932 (N) | 2:14 | 14,5 | Solingen (6.) | Dippoldiswalde (9.) | Löberitz (10.) |
Auch die sonst medial nicht so verwöhnte Frauenbundesliga wird von einer besonderen Konstellation in Deggendorf profitieren. Das bekannte Viernheimer Medien-Team mit GM Ilja Zaragatski und Angelika Valkova wird live kommentieren – im Gespann mit GM Jan Gustafsson. Drei echte Könner! Der Livestream wird auch bei SchachdeutschlandTV zu sehen sein und hat einige Besonderheiten zu bieten, so Markus Schäfer: „Durch dieses dreiköpfige Kommentatoren-Team gibt es diesmal keine Pause bei der Übertragung.“ Zahlreiche Kameras aus dem Innenraum der Deggendorfer Stadthalle werden die Endrunde zu einem Live-Erlebnis machen. Hinzu kommt ein Kameramann aus dem Viernheimer Team, der die Veranstaltung begleitet. Und auch das ist neu: Zuschauer in Deggendorf dürfen über Mikrofone live Fragen an die Kommentatoren stellen. „In Sachen Liveübertragung setzen wir in Deggendorf neue Maßstäbe“, so Schäfer: „Die Fans sollen sich trauen, jede Frage wird beantwortet.“ Ob auch auf Indisch, bleibt abzuwarten. Das DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit ist jedenfalls auch vor Ort und nimmt für das Interview mit Gukesh einen Google-Übersetzer mit. (mw)
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11576