16. Juli 1998
Erstmals fanden die Damen- und Herrentitelkämpfe gemeinsam an einem Ort statt. Ausrichter war der rührige Dresdner SC 1898, der sein 100jähriges Jubiläum feiert. Die Rahmenbedingungen im Dresdner Treff-Hotel waren hervorragend. Die Zuschauer umrahmten ständig die Bretter des Dresdner SC 1898, an dessen Spitzenbrett der Kasparow-Herausforderer Alexej Schirow spielte, und des Deutschen Meisters SG Köln-Porz, der die nominell stärkste Besetzung aufwies und mit Christopher Lutz, Loek van Wely, dem Dresdner Zonenturnier-Sieger Ivan Sokolov, dem ehemaligen Spieler der absoluten Weltklasse, Rafael Waganjan, und der Schachlegende Jan Timman, ehemaliger Vizeweltmeister, gleich fünf Akteure mit einer Elo jenseits der 2600 aufbot.
Die Dramaturgie hätte Hitchcock nicht besser inszenieren können. Lange Zeit führte die Solinger SG. In der zweiten Turnierhälfte konnten Dresden und Porz aufschließen. Die 23. der 25 Runden brachte eine Vorentscheidung zuungunsten der Solinger, die dem Gastgeber mit 1½:2½ unterlagen. Damit war der Deutsche Vizemeister praktisch aus dem Rennen. In der Vorschlußrunde stolperte Porz gegen den SC Leipzig-Gohlis, der am Ende zwar „nur" Zehnter wurde, aber mit seinen Punkteteilungen gegen Porz, Solingen und Hamburg für Furore sorgte. Der Weg für Dresden schien frei zum Titel. Gegen den Elften, den SV RT Andernach aus Rheinland-Pfalz, sollte die Dresdner Top-Besetzung mit Schirow sowie den jungen Großmeistern Zoltan Almasi und Viktor Bologan und dem Brettbesten am vierten Brett, Jens-Uwe Maiwald, zum Sieg reichen. Doch Schirow remisierte, und Almasi mußte gar die Waffen strecken, was zum 2:2 führte. Porz nutzte diese unverhoffte Chance und verteidigte seinen Deutschen Meister-Titel im Blitzschach.
Brettbeste wurden Alexej Schirow (Dresdner SC 1898) am ersten Brett mit 20½ aus 25, der mehrfache Deutsche Blitzmeister Klaus Bischoff (Solinger SG) mit 20½ aus 25 am zweiten Brett, Markus Schäfer (Solinger SG) mit 20 aus 25 am dritten Brett und Jens Uwe Maiwald (Dresdner SC 1898) am vierten Brett mit 18½ aus 25. Der als Ersatz (!) gemeldete Jan Timman erreichte mit 18½ aus 21 ein überragendes Ergebnis am Schlußbrett. Nur zwei Spieler kamen ohne Niederlage durch diese Meisterschaft: Der Porzer Ivan Sokolov gewann 17 Mal und remisierte fünfmal. Dirk Hennig vom SV Castrop Rauxel gewann alle drei Spiele am vierten Brett. Die meisten Siege schafften die beiden Dresdner Alexej Schirow und Viktor Bologan, die ihre Gegner jeweils 19 Mal bezwangen. Hubert Schuh vom SK Freiburg-Zähringen war mit neun Punkteteilungen der Remis-König.
Die meisten Teams kamen aus der deutschen Hauptstadt: Gleich sechs Vertretungen aus Berlin hatten sich für dieses Championat qualifiziert. Nicht beteiligt waren Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
1. | SG Porz | 46: 4 | 79 |
2. | Dresdner SC 1898 | 46: 4 | 78 |
3. | Solinger SG | 45: 5 | 77½ |
4. | Hamburger SK | 40:10 | 69 |
5. | SV Castrop-Rauxel | 36:14 | 65 |
6. | SF Berlin-Neukölln 03 | 31:19 | 59½ |
7. | Godesberger SK | 31:19 | 57½ |
8. | SK König Tegel Berlin | 31:19 | 54 |
9. | SF Katernberg | 30:20 | 55½ |
10. | SC Leipzig-Gohlis | 29:21 | 55 |
11. | SV RT Andernach | 28:22 | 55 |
12. | SV Würzburg 1865 | 27:23 | 50 |
13. | TSG Berlin Oberschöneweide | 26:24 | 48 |
14. | Erfurter Schachklub | 23:27 | 49 |
15. | SK Freiburg-Zähringen | 23:27 | 47½ |
16. | SC Bayern München | 23:27 | 44½ |
17. | SF Baiertal-Schatthausen | 21:29 | 50½ |
18. | SC Empor Berlin | 21:29 | 42½ |
19. | Post-SV Ulm | 20:30 | 43½ |
20. | SK Bebenhausen | 19:31 | 40½ |
21. | USC Magdeburg | 13:37 | 36½ |
22. | SC Turm Illingen | 12:38 | 31½ |
23. | SC Steinbach/Ts. | 10:40 | 31½ |
24. | SC SW Berlin-Lichtenrade | 8:42 | 26½ |
25. | SC Berlin-Kreuzberg | 7:43 | 28½ |
26. | SF Übach-Palenberg | 4:46 | 24½ |
Ganz im Zeichen der sächsischen Vereine, die die Hälfte aller Mannschaften stellten, stand der Damentitelkampf. Leider waren nur drei Teams aus den alten Bundesländern am Start, was zumindest zum Nachdenken darüber führen sollte, wie ernst Deutsche Meisterschaften im Damenschach genommen werden. Selbst zwei Erstligavertretungen aus den neuen Ländern, Halle und Weimar, fanden den Weg nach Elbflorenz leider nicht. Sieben der zwölf Erstligisten fehlten bei dieser Meisterschaft, die offen war, also ohne Qualifikation bestritten werden konnte.
Was die Spannung betraf, stand das Damenchampionat dem Herrentitelkampf keineswegs nach. Der SC Leipzig-Gohlis stand in der Vorschlußrunde gegen den krassen Außenseiter SV Wolfen-Nord am Rande eines Punktverlustes, was zur Punktgleichheit der drei führenden Mannschaften geführt hätte. Mit einem Punkt Vorsprung ging der neue Deutsche Meister in die letzte Runde und mußte im Stadtderby noch einmal alles geben, um den Sieg und den damit verbundenen Titel zu sichern. Das nominell am stärksten vertretene Damenbundesligateam, Dritter der abgelaufenen Saison, setzte sich damit durch. Rodewisch lauerte, zumal das klar beste Brettpunkte-Konto hoffen ließ. Doch Gohlis meisterte die letzte Runde meisterlich. Die Gastgeberinnen legten für die Herren vor, so daß Dresden zwei Medaillenränge belegte - der Lohn für die gute Ausrichtung. Rotation Berlin, der souveräne Erstliga-Aufsteiger, mußte sich mit dem unglückichen vierten Rang hinter dem sächsischen Trio begnügen.
Was bei den Herren Berlin ist bei den Damen Leipzig, jedoch viel erfolgreicher. Vier Damenteams kamen aus der Messestadt und belegten mit den Rängen 1, 6, 7 und 9 eine Spitzenstellung im deutschen Blitzbereich.
Monika Bobrowska von den Rodewischer Schachmiezen konnte mit 11 aus 13 als Beste am Spitzenbrett geehrt werden. Martina Beltz und Birke Bielicki vom neuen Deutschen Meister waren die Besten an den Brettern zwei bzw. drei mit 12 bzw. 11 Zählern aus jeweils 13 Spielen. Schleswig-Holsteins neue Damenreferentin Britta Schumacher, im abgelaufenen Spieljahr noch in Diensten der Dresdnerinnen, spielte mit 10 aus 13 die meisten Zähler am vierten Brett ein. Mit neun aus elf war die dreifache DDR-Meisterin der 70er Jahre, Brigitte Burchardt, beste „Ersatzdame" dieser Meisterschaft. Mit Dr. Gabriele Just spielte am dritten Brett des SV Lok Leipzig übrigens eine weitere dreifache DDR-Meisterin, die den Titel 1964, 65 und 72 gewann.
Keine Dame kam ohne Niederlage durch die Meisterschaft. Die meisten Siege feierte die Internationale Meisterin Martina Beltz vom Deutschen Meister SC Leipzig-Gohlis, die zwölf ihrer 13 Blitzmatche siegreich gestaltete. Von einer Remiskönigin konnte keine Rede sein, da keine Dame mehr als zweimal den Punkt teilte.
Pl. | Mannschaft | MP | BP |
---|---|---|---|
1. | SC Leipzig-Gohlis | 23:3 | 38,5 |
2. | Rodewischer Schachmiezen | 22:4 | 41,0 |
3. | Dresdner SC 1898 | 22:4 | 38,5 |
4. | Rotation Berlin | 21:5 | 39,0 |
5. | Krefelder SK | 19:7 | 33,0 |
6. | Frauenschach Leipzig | 16:10 | 28,0 |
7. | Spielver. Leipzig 1899 | 15:11 | 31,5 |
8. | OTG Gera | 13:13 | 28,5 |
9. | SV Lok Leipzig-Mitte | 10:16 | 26,5 |
10. | USV Potsdam | 7:19 | 20,0 |
11. | SG Oesede | 5:21 | 13,0 |
12. | SV Görlitz | 5:21 | 12,5 |
13. | SV Wolfen-Nord | 2:24 | 9,0 |
14. | FC Alfdorf | 2:24 | 5,0 |
Andreas Weiß
DSB-Referent für Öffentlichkeitsarbeit
// Archiv: DSB-Nachrichten - Spielbetrieb // ID 10528