9. September 2024
Die deutschen Teams sind gut gelandet in Budapest. Zwar in unterschiedlichen Hotels, was ein Thema für sich ist – und bei vielen Nationen Kritik am Weltverband FIDE auslöste – aber: alle fühlen sich sehr gut untergebracht vom Deutschen Schachbund. Während beim Männerteam noch GM Vincent Keymer fehlt (er reist erst Dienstag an), sind die Frauen komplett: GM Elisabeth Pähtz komplettierte Sonntagnacht die Equipe mit IM Dinara Wagner, FM Lara Schulze, WGM Josefine Heinemann und WGM Hanna Marie Klek. Das Quartett war vorher bereits gemeinsam losgezogen, um ein bisschen ungarische Luft zu schnuppern – und zum gemeinsamen Essen zu gehen. „Wir sind nicht beste Freundinnen, aber wir verstehen uns alle sehr gut“, sagte Josefine Heinemann, die auch Aktivensprecherin ist: „Hier geht es vor allem darum., möglichst viel Zeit miteinander zu verbringen und sich gegenseitig zu unterstützen.“ Es werde niemals ein böses Wort fallen, wenn mal eine Spielerin schlecht performe. „Wir sind ein Team.“
Die 26-Jährige, die man am Montag auch schon frühmorgens beim Laufen im Park sah, baten Katharina Reinecke und Matthias Wolf vom Team Öffentlichkeitsarbeit zum ersten Interview in unseren Raum im Hotel „Lion`s Garden“, von wo auch gestreamt werden wird. Zuschauer sind willkommen. An ihrer Seite, beim Auftaktgespräch in Budapest: Bundestrainer (seit 2021) GM Yuri Yakovich, der seine Frauen immer nur „Girls“ nennt. Das Verhältnis ist sehr vertrauensvoll, gut zu beobachten für uns auch am Sonntagnachmittag, als er zum Training auf sein Zimmer bat.
Der Sammler von hochrangigen Turniersiegen als Spieler konnte seine größten Trainer-Erfolge mit Frauennationalmannschaften erringen. So arbeitete er zwischen 2000 und 2006 als hauptverantwortlicher Trainer der Frauen für die Russische Föderation, welche unter seiner Leitung bei den Europäischen Mannschaftsmeisterschaften und Olympiaden immer eine Medaille gewann. Hinzu kommt, dass er bei den Schacholympiaden 2014 (Tromsö) und 2018 (Batumi) hauptamtlich für Vorbereitung, Training und Turnierbetreuung der kasachischen Frauennationalmannschaft verantwortlich zeichnete. In beiden Turnieren konnte Yuri mit seiner Mannschaft starke geteilte vierte Plätze erreichen – unter anderem bei der Schacholympiade 2014 mit einem Nachwuchsteam, dessen Durchschnittsalter bei gerade einmal 21 Jahren lag.
Der Talenteschmied ist zweifellos der richtige Mann für unser junges Team. Das meint selbst unser Routinier, Elisabeth Pähtz: „Er ist einfach ein richtig guter Trainer, mit dem wir uns super verstehen. Er macht das klasse.“ Aber: Ist er auch ein echter Frauenversteher? Dieser Frage gingen wir in unserem Video-Interview auf den Grund, bei dem es vorher nur eine Bedingung von Yuri gab: Er wolle nicht über Internet-Trolle reden. Das Netz mit den Sozialen Medien ist nicht seine Welt – weder um Geld dort zu verdienen, noch um sich mit Freund und Feind auseinanderzusetzen, oder gar Unwahrheiten zu kommentieren. „Ich habe meine Freunde, viele Freunde, in der realen Welt.“ Außerdem ist er ein Familienmensch, verheiratet seit vierzig Jahren. Im Interview erfahren Fans zum ersten Mal auch viel Privates über den 61-Jährigen.
Zurück zur Frage, ob er auch ein Frauenversteher ist. „Es ist komplett unmöglich, Frauen zu verstehen“, sagt er mit einem Lächeln. „ich kann nur versuchen, ihnen zu helfen.“ Josefine Heinemann ist da anderer Ansicht, nennt ihn einen „Menschenversteher“ und berichtet davon, wie „einfühlsam“ er die Athletinnen immer wieder aufbaue. „Ich denke nur an die Olympiade vor zwei Jahren und meine Partie gegen Rumänien. Ich stand auf Gewinn und habe eine ganze Menge Mist gespielt – da gibt es Trainer, die wütend werden, aber er hat versucht mich aufzubauen.“
Bleibt die Frage nach Prognosen für Budapest 2024. Favoriten sind andere, sagt Yuri Yakovich. Indien, Georgien vorneweg genannt, im Grunde: „Es seien zehn bis 20 Teams auf einem ähnlichen Level.“ Er selbst denke auch immer nur von Spiel zu Spiel. „Es starten hier 184 Teams. Und wenn Du eine Runde verlierst, kann Dich das zehn Plätze kosten.“ Aber, dann entlockten wir ihm doch noch den Satz: „Unter die Top Ten wäre gut.“ Pause. „Natürlich träumen wir von mehr, aber wir reden nicht drüber.“
Dann verriet er noch seine erste Startaufstellung: 1. Wagner, 2. Pähtz, 3. Heinemann, 4. Klek, 5. Schulze.
Im Laufe des Tages gibt es noch mehr Infos vom Männerteam. Dann sprechen wir im Video-Interview mit Bundestrainer GM Jan Gustafsson. Für alle aber gilt, was Josefine Heinemann so formuliert: „So langsam kommt die Aufregung.“ Mittwoch beginnen die Partien. (mw)
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