20. Dezember 2024
Mit seinem großen Sprung in der Weltrangliste, den beiden Medaillen bei der Olympiade und bei der Einzel-EM ist er zweifellos: Der Mann des Jahres 2024. Und das nicht nur aus Sicht des Deutschen Schachbundes. Aber das Schach-Jahr ist noch nicht zu Ende für GM Frederik Svane. Für ihn steht noch ein spektakuläres Turnier in New York an. Viele der weltbesten Spieler – darunter der Weltranglistenerste Magnus Carlsen – kommen zur Schnell- und Blitzschach-Weltmeisterschaft, die mit einem Preisgeld von fast 1,5 Millionen US-Dollar auch wirklich verlockend ist. Die WM findet zum ersten Mal überhaupt in den USA statt, vom 26. bis 31. Dezember im Herzen der Wall Street – eine tolle Kulisse für einen hoffentlich spannenden Showdown in der Stadt, die bekanntlich niemals schläft.
Das gilt dann vermutlich auch für die weiteren deutschen Starter unter den etwa 300 Teilnehmern und Teilnehmerinnen: GM Rasmus Svane, GM Matthias Blübaum, GM Michael Bezold, GM Dennis Wagner und im Frauenturnier GM Elisabeth Pähtz, IM Dinara Wagner und WGM Josefine Heinemann. Frederik Svane wird sich mit seinem Bruder Rasmus schon früher auf den Weg nach New York machen, will die Stadt vor dem Turnier genießen. Vor der Abreise stellte er sich noch den Fragen von Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit. Ein ausführliches Interview mit einem 20-Jährigen aus Lübeck, der derzeit vor Selbstbewusstsein nur so strotzt – zweifellos zu Recht.
Frederik, eine Frage vorneweg: Wie hast Du die WM in Singapur erlebt – und wie verdient ist aus Deiner Sicht der Titelgewinn für Gukesh, auch wenn der am Ende durch einen krassen Fehler von Ding zustande kam?
Die WM war dieses Mal sehr spannend. Gukesh ist sehr ambitioniert an das Match herangegangen und Ding wollte auch Schach spielen -. deswegen gab es nicht viele Partien, die schnell verflacht sind. Es war ein Match auf Augenhöhe und beide Spieler hatten alle Chancen, zu gewinnen. Am Ende wollte Gukesh es wahrscheinlich etwas mehr, womöglich der ausschlaggebende Grund für seinen Sieg. Für mich war es aber ein wenig komisch mit anzusehen, wie dann das Match endete.
Kommen wir zu Dir. Du hast den größten Elo-Zugewinn in den Top 100 geschafft, bist von Platz 72 auf 58 in der Weltrangliste gerückt. Wie sehr freut Dich das? Eine Momentaufnahme – oder ein Trend? Wo soll es noch hingehen in der Weltrangliste?
Natürlich freut es mich, dass ich in der Weltrangliste Plätze gut gemacht habe - aber noch viel wichtiger für mich ist, dass ich gutes Schach spiele und mich weiter verbessere. Anfang des Jahres war ich aus verschiedenen Gründen in einem kleinen Leistungstief. Am Schachbrett konnte ich mich überhaupt nicht wiedererkennen, aber durch gutes und konstantes Training habe ich mich davon erholt und habe viele wichtige Erfahrungen in diesem Jahr gemacht. Ich wage zu behaupten, dass der Aufwärtstrend kein Zufall ist - aber das wird die Zukunft zeigen.
Wie beurteilst Du selbst Dein Schach-Jahr?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Jahr 2024, besonders mit der zweiten Hälfte. Ich arbeite viel an meinem Schach, deswegen kommt der Leistungssprung für mich nicht sehr überraschend. Aber wichtig ist es jetzt, das Level zu halten - und dann langsam einen Schritt nach dem anderen nach vorne zu gehen.
Gold bei der Olympiade, Bronze bei der EM – hattest Du selbst mit solchen Erfolgen gerechnet?
Kurz vor der Olympiade hatte ich privat viel zu tun und konnte nicht ganz so intensiv trainieren, wie ich es normalerweise tue. Deshalb hatte ich nicht das Gefühl genauso gut vorbereitet auf das Turnier zu sein, wie ich es normalerweise bin. Aber da ich gleich erfolgreich in das Turnier gestartet bin, konnte ich in einen guten Rhythmus kommen. Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, so gut zu spielen - aber ich hatte schon das Gefühl, gut spielen zu können. Manchmal hat man Phasen, in denen alles funktioniert. Das war dann tatsächlich bei der EM der Fall.
Was war Dein persönliches Highlight 2024?
Das Highlight für mich war natürlich Budapest. Es war mein Olympiade-Debüt - und besonders bei so wichtigen Turnieren will man auch gut abschneiden. Wenn man in einer Mannschaft spielt, fühlt es sich für mich persönlich noch viel besser an, wenn man wirklich einen wichtigen Punkt zum Team-Ergebnis beitragen kann. Die EM war natürlich auch ein Highlight - aber das Ziel für mich war dort hauptsächlich sich für den World Cup zu qualifizieren.
Und was war für Dich Deine spannendste Partie des Jahres, mit welchem Knackpunkt?
Die spannendste Partie für mich in diesem Jahr war mit Abstand meine Partie gegen GM Yagiz Kaan Erdogmus bei der Europameisterschaft. Die Partie war ziemlich wichtig für mein Turnier und das Mittelspiel in der Partie war sehr komplex und spannend. Wir hatten beide große Zeitnot und die Stellung war sehr chaotisch, aber ich habe es trotzdem irgendwie geschafft gute Züge zu finden. Außerdem konnte ich in der Partie in einen Springer unterverwandeln - ich glaube mein erstes Mal in einem Over-the-Board-Turnier.
Schach-Deutschland träumt von einem zweiten 2700-Elo-Spieler. Wie realistisch ist dieser Traum?
Das wird die Zukunft zeigen - aber ich denke, ich bin auf jeden Fall in der Lage dazu. Ich weiß, woran ich arbeiten muss, um die 2700 zu erreichen und bin auch noch ziemlich jung - deshalb bin ich hoffnungsvoll. Noch viel wichtiger als eine bestimmte Elo-Zahl zu erreichen ist für mich aber in wichtigen Turnieren abzuliefern.
Verspürst Du auch Druck angesichts der Erwartungen in Schach-Deutschland an Dich?
Ich selbst mache mir keinen Druck. Ich habe mir noch nie bestimmte Ziele gesetzt, sondern mich eher darauf fokussiert, das Beste aus der Situation zu machen.
Was möchtest Du 2024 noch erreichen – Stichwort Rapid- und Blitz-WM in New York, oder auch auf anderen Feldern?
Bei der Rapid- und Blitz-WM will ich natürlich gut abschneiden. Nachdem ich Ende 2023 beim World Cup im Tiebreak gegen GM Ivan Cheparinov untergegangen bin, habe ich mir zum Ziel gesetzt, auch in den schnelleren Disziplinen auf einem guten Level zu spielen. Ich hoffe, das wird der Fall in New York sein - aber die Gegner sind sehr stark, es wird sicher ein umkämpftes Turnier werden.
Wer hat den größten Anteil an Deinem Erfolg? Wie wichtig ist die Familie? Und welchen Anteil haben welche Trainer? Oder ist es Dein persönlicher Ehrgeiz, der automatisch zu solchen Erfolgen führt?
An meinem Erfolg haben viele verschiedene Personen einen sehr wichtigen Anteil. Ich habe mit verschiedenen Leuten in diesem Jahr trainiert, von denen ich sehr viel gelernt habe - und ansonsten hat mein Bruder Rasmus auch einen sehr großen Anteil daran, wie gut ich geworden bin. Nachdem ich 2022 meine Arbeit mit IM David Lobzhanidze beendet habe, habe ich keinen persönlichen Trainer, auch wenn ich gelegentlich mit verschiedenen Trainer trainiere. Deshalb ist meine Entwicklung größtenteils meiner eigenen Arbeit zu verdanken. Meine Familie ist auch sehr wichtig für mich und gibt mir die Kraft, die ich brauche.
Welche Ziele hast Du Dir selbst für 2025 gesetzt? Oder sollen wir von Wünschen sprechen?
Bestimmte Ziele setze ich mir, wie gesagt, nicht. Ich versuche einfach mein Bestes zu geben und viel mehr noch über Schach zu lernen und zu verstehen.
Wie beurteilst Du selbst Deine Stärken und Schwächen – also woran möchtest du nächstes Jahr arbeiten?
Als starker Großmeister muss man alles können - und in allen Bereichen exzellent sein. Ich habe natürlich meine Stärken und Schwächen. Das Ziel für mich ist es, in allen Bereichen stärker zu werden.
Das Jahr geht zu Ende. Bleibt für einen Schach-Profi, bei all den Reisestrapazen, überhaupt Zeit, mal durchzuatmen? Innezuhalten – und auf das Erreichte schauen?
Das Leben als Schachprofi hat seine positiven Seiten und negativen Seiten. Ich reise viel und bin ungefähr 40 Prozent des Jahres unterwegs. Wenn man dann Zuhause ist, kann man sich mal eine kleine Pause vom Schach nehmen - aber trotzdem sollte man die Zeit auch zum Training nutzen. Ich denke nicht viel an meine Erfolge in der Vergangenheit, sondern schaue in die Zukunft.
Wie wirst Du Erholung suchen an den Feiertagen?
Rasmus und ich reisen ein wenig früher zur WM und genießen New York als Touristen kurz vor dem Turnier. Ich habe mir nicht viel Auszeit vom Schach genommen, deshalb wird es wahrscheinlich guttun, sich jetzt mal etwas zu erholen.
Nachgefragt: Bleibt Zeit für etwas Besinnung an Weihnachten?
Hoffentlich. In New York an Weihnachten zu sein ist etwas Besonderes - und ein Geschenk an sich (lacht).
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36240