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Adrenalin und Intuition: Lara Schulze vor der Mission Schnellschach-Titelverteidigung. „Die kritischen Momente zu finden liegt mir“

10. Oktober 2024

Lara Schulze bei der Schacholympiade in Budapest

Am Wochenende ist es soweit. Samstag, 12. Oktober, ab 13 Uhr und Sonntag, 13. Oktober, ab 9.30 Uhr findet in der Ravensberger Spinnerei in Bielefeld der Schnellschachgipfel des Deutschen Schachbundes statt: Die Deutsche Schnellschach-Amateurmeisterschaft, kurz DSSAM, wird gemeinsam mit der Deutschen Schnellschach-Einzelmeisterschaft (DSEM) und der Deutschen Schnellschach-Einzelmeisterschaft der Frauen (DFSEM) vom Brackweder Schachklub von 1924 und dem DSB ausgerichtet. Neun Runden, Schweizer System.

Professor Dr. Frank Riedel, Präsident des Brackfelder SK, feiert mit diesen Turnieren auch das 100-jährige Bestehen seines Vereins: „Wir haben uns überlegt, zum Jubiläum was Besonderes zu machen.“ Bei der DSB-Organisatorin Sandra Schmidt rannte er damit offene Türen ein. Jetzt verspricht Riedel bei freiem Eintritt den Zuschauern „dramatische Partien“, die es beim Schnellschach quasi automatisch gäbe. Bei Radio Bielefeld schlägt der Professor, der an der Universität Bielefeld das Institut für Mathematische Wirtschaftsforschung leitet, auch die Brücke zwischen Mathematik und dem Schachsport. Ein interessantes Interview, hier nachzuhören.

Podcast nicht mehr auffindbar bei Radio Bielefeld? Dann hier hören:

Lara Schulze bei der Schnellschachmeisterschaft 2023

Nicht dabei sein wird in Bielefeld der Titelverteidiger bei den Männern, GM Leon Mons. „Wir haben trotzdem ein attraktives Teilnehmerfeld, das einen spannenden Verlauf erwarten lässt“, sagt Bundesturnierdirektor Michael Rütten, „und natürlich wird aus so eine Veranstaltung auch vor allem für die Amateure wieder ein Event, wenn sie zusammen mit den Profis an einem Ort antreten.“ Knapp 300 Amateure treffen auf rund 60 Profis.

Bei den Frauen ist die Titelverteidigerin am Start. Schnellschach und FM Lara Schulze – das sind zwei Begriffe, die untrennbar miteinander verbunden sind. Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit hat darüber mit der für Werder Bremen startenden Spielerin gesprochen:

Lara, die Olympiade ist Geschichte. Hast Du Dich gut erholt von Budapest, wo die letzten beiden Runden ja enttäuschend verliefen? Und bist Du fit genug für Bielefeld?

Ja, alles bestens. Ich bin gut erholt – und fit. Ich freue mich auf Bielefeld.

Wieviel bedeutet Dir der Schnellschach-Titel, den Du in Ostwestfalen verteidigen kannst?

Für mich sind die Schnellschachtitel wichtig. Ich mag Schnellschach sehr gerne, habe den deutschen Meistertitel jetzt drei Mal hintereinander gewonnen. 2021 habe ich gar nicht damit gerechnet, obwohl ich zum Favoritenkreis gehörte. Dann wurde das zum Selbstläufer. Am Ende hatte ich 8,5 Punkte aus neun Partien – und stand schon eine Runde vor Turnierschluss als Titelträgerin fest. 2022 und 2023 habe ich auch relativ souverän den Titel gewonnen. Und dann will man das natürlich auch noch ein viertes Mal schaffen.

Schnellschach wird immer beliebter, auch bei Euch Profis. Warum ist das so?

Schnellschach ist ein Format, das auch für Zuschauer sehr attraktiv ist. Beim Schnellschach passiert ordentlich was für die Fans: Man muss nicht lange warten, bis ein Zug gespielt wird. Andererseits hat man als Zuschauer noch die Chance, mitzuerleben, was passiert – während man beim Blitzen oft gar keine Chance mehr hat, noch irgendwas zu erkennen. Deshalb wird das Format allgemein beliebter bei den Organisatoren. Schnellschach ist gut zu vermarkten – und bei den Profis gilt: Es ist mal was anderes, als immer klassisches Schach zu spielen.

Was macht für Dich die Faszination beim Schnellschach aus?

Ich mag diesen Mix aus schnellen Zügen, intuitivem Spiel und den kritischen Momenten, in denen man auch ab und zu mal ein paar Minuten drüber nachdenken muss, wie es jetzt weitergeht. An zwei, drei Stellen in einer Partie muss man dann schon mal ein paar Minuten investieren. Das liegt mir besonders gut, genau diese kritischen Momente zu finden.

Was geht in Deinem Körper vor, wenn die Bedenkzeit plötzlich nur noch 15 Minuten beträgt? Wie groß ist der Stressfaktor?

Beim Schnellschach ist wichtig, dass man die ganze Zeit maximal konzentriert ist. Im Langzeitschach hat man zwischendurch auch mal ein paar Pausen – und dann gibt es wieder Phasen, wo man voll da sein muss. Beim klassischen Schach muss man sich die Energie mehr einteilen. Beim Schnellschach hingegen gilt es, die komplette Partie voll da sein, von Start bis Ende. Das ist natürlich manchmal stressig, vor allem wenn die Zeitnotphase beginnt und jeder Zug mit zehn Sekunden erledigt werden muss. Dann ist das Superstress, Adrenalin pur. Aber das macht auch super viel Spaß. (lacht)

Kann man Schnellschach überhaupt mit normalem Schach vergleichen? Macht man nicht deutlich mehr Fehler aufgrund der kurzen Bedenkzeit?

Ja, natürlich macht man schon mehr Fehler - gerade wenn es am Ende noch zu einer Blitzphase kommt. Aber im Gegensatz zum Blitzen muss man beim Schnellschach auch sehr gutes Schach spielen können. Nicht falsch verstehen: Das heißt nicht, dass man beim Blitzen kein gutes Schach spielen muss – aber da sind natürlich noch mehr intuitive Züge gefragt als beim Schnellschach. Da hat man schon mal die Zeit für genaue Berechnungen, die einem beim Blitzen fast gar nicht bleiben.

Eigentlich magst Du ja Zeitnot nicht - aber Schnellschach ist dann doch Dein Ding. Wie passt das zusammen?

Zeitnot ist in der Tat mein Problem in der klassischen Partie. Aber tatsächlich gelingt es mir gut, in so einer Schnellschachpartie meine Zeit einzuteilen. Da weiß ich ja schon vorher: Ich darf wirklich nur in den kritischen Augenblicken länger überlegen. In der Langzeitpartie hingegen tendiere ich dazu, auch in Situationen länger nachzudenken, die vielleicht gar nicht so wichtig sind – und dann hat man plötzlich hinten raus zu wenig Zeit. Beim Schnellschach gelingt es mir sehr gut, mich auf meine Intuition zu verlassen.

Mit wieviel Vorfreude reist Du nach Bielefeld? Und wie genau hast Du Dich drauf vorbereitet?

Die Vorfreude ist groß. Und was die Vorbereitung angeht: Im Grunde habe ich das gemacht, was ich immer mache. Meine Partien analysiert, zum Beispiel die letzten von der Olympiade, Taktiktraining stand auch an. Aber ich habe durchaus auch ein paar Partien mit der Schnellschach-Bedenkzeit gespielt – um ein Gefühl für Bielefeld zu bekommen. Wie gesagt: Ich will wieder Erste werden. Wobei: Mit drei Titeln in der Tasche kann ich das entspannt angehen.

Der Deutsche Schachbund bietet für das Turnier einen Livestream an. Der in der Region bekannte FM Jasper Holtel (SK Doppelbauer Kiel) wird hier an der Seite von DSB-Mitarbeiterin Katharina Reinecke analysieren. (mw)

Übersicht zum Schnellschachgipfel

// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11533

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