25. Juni 2025
Das Thema gibt es schon lange, gefühlt ewig. Und jeder hat eine Meinung dazu. Mancher zweifelt auch, ob das gemeinsame Projekt von Deutschem Schachbund und Deutscher Schachjugend, Anfang des Jahres gestartet, überhaupt was bringt. Aber alle wissen: Es muss sich ändern, dass nur rund neun Prozent aller DSB-Mitglieder weiblich sind. Und den neuen Ansatz bei diesem Projekt bringt der DSB-Vizepräsident Verbandsentwicklung, Jannik Kiesel, auf den Punkt: „Zum ersten Mal gehen wir innerhalb des Verbandes das Thema auf einer wissenschaftlichen Ebene an. Wir wollen Daten und Fakten erheben – um dann möglichst effektive Maßnahmen ergreifen zu können.“ Kiesel bildet mit Tatjana Gallina, Karoline Gröschel und Lilli Hahn die Projektleitung. Hahn ist die Wissenschaftlerin im Team, die an der Universität in Oxford promoviert hat und aktuell noch dort arbeitet – an einer Impfstudie. Und ähnlich analytisch geht sie auch das Projekt an. Denn es ist nicht ihre erste Arbeit zum Thema Mädchen- und Frauenschach – aber die erste, die sie mit ihrem Team wie eine Studie angehen will. Lilli Hahn möchte die Basis mitnehmen – auch noch einmal Werbung machen für ihre Umfragen im Rahmen des Projektes. Um nicht nur zu diskutieren, sondern auch zu verstehen, was falsch läuft – und besser werden kann. „Das Thema polarisiert“, sagt Lilli Hahn, „es gibt viele Meinungen. Aber wenn wir das nicht kanalisieren und analysieren, bleiben das nur Schnappschüsse aus dem Umfeld.“
Vorneweg: Es geht auch um Transparenz. 10.000 Euro investieren DSB und DSJ in das Projekt. „Da wollen wir nicht nur hinter den Kulissen arbeiten“, sagt Lilli Hahn, „was wir in den Online-Konferenzen regelmäßig besprechen ist das eine, das andere ist die Mitnahme der Basis.“ Schon ab Ende August, Anfang September (genaue Termine und Orte folgen noch) wird es die erste Regionalkonferenz in Präsenz geben. Vier weitere sollen folgen bis Jahresende – und dann noch eine zentrale Bundeskonferenz. Dann, auch schon bis dahin, sind alle eingeladen, die zum Thema mitreden wollen. Trainer und Trainerinnen, Funktionäre und Funktionärinnen, Eltern, vor allem aber: Spieler und Spielerinnen. Das geplante Format: Ein Tag mit Workshops und Seminaren, die zur Diskussion und Ideenentwicklung anregen. Erste Ergebnisse aus Datenanalysen, Umfragen und Interviews sollen dabei als Impulse dienen. Auch eine Vernetzung der Interessierten soll erreicht werden.
Die Basis versucht man zudem, über Umfragen zu erreichen. Zahlen zu bekommen. In der ersten Projektphase liegt der Schwerpunkt auf einer fundierten Analyse der Gründe für den geringen Anteil von Mädchen und Frauen im organisierten Schachsport. Geplant sind dabei unter anderem: Statistische Auswertungen von Mitgliederzahlen, es werden Anmelde- und Abmeldezahlen systematisch nach Geschlecht ausgewertet. Auch weitere Einflussfaktoren wie Spielstärke und Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen sollen berücksichtigt werden. Parallel werden Vergleiche zu anderen Sportarten angestellt: „Wie ist dort die Mitgliederwanderung? Gibt es auch dort Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, zum Beispiel bei einem Schulwechsel? Wie ist das in Sportarten, bei denen auch noch Mädchen und Jungs gegeneinander antreten?“ Und, und, und. Schlicht: Es geht darum Ursachen zu verstehen.
Die Umfragen sollen dann in Interviews müden. „Wir wollen mit den Spielerinnen direkt sprechen können.“ Auch und vor allem mit Mädchen, „die aufgehört haben mit dem organisierten Schachspiel“. Aktuell sind es rund 80 Antworten, die bereits ausgewertet werden. „Aber wir sind noch lange nicht bei einer Analyse“, sagt Hahn. Das Projekt ist ja auch auf ein Jahr angelegt – und läuft aktuell erst rund fünf Monate. Seit dem Projektstart wurde das Team zudem um Kristin Wodzinski, Malte Ibs und Jörg Schulz erweitert, um zusätzliche Perspektiven und Expertise einzubringen
Am Ende soll der Schachsport signifikant weiblicher werden. Auf Zahlen will sich das Projektteam aber nicht festlegen lassen. „Was ist ein Erfolg? Ein Prozent mehr Frauen, zwei Prozent, zehn in ein paar Jahren?“, fragt Lilli Hahn, „ich mag keine Zahlen nennen. Am Ende sollten schlicht Maßnahmen stehen – aber auch die müssen dann erst greifen.“ Also: keine Hektik. „Es ist noch ein weiter Weg. Ein langer und langsamer Weg, um Konzepte zu entwickeln. Und keiner sollte das entscheidende Wundermittel erwarten oder denken, dass wir die Probleme in einem Jahr gelöst bekommen.“ Nur eines ist klar: Die Datenlage muss stimmen. Erst dann könnten auch strukturelle und kulturelle Hindernisse identifiziert und Maßnahmen ergriffen werden. In den ersten Wochen haben sich auch Vereine gemeldet, die Erfolgsmodelle aus der Praxis vorweisen können. Auch die werden ausgewertet. (mw)
Zu einem erfolgreichen Projekt können alle Mitglieder mithelfen. Beteiligt Euch gerne an den Umfragen! Die Links zu den Fragenbögen findet Ihr hier:
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11616