9. September 2016
Auch Klaus Deventer, DSB-Vizepräsident und FIDE Commission Member, hat momentan Arbeitseinsatz in Baku. Er passt auf, dass alles mit rechten Dingen zugeht, heißt keine fremde Hilfsmittel verwendet werden, um ein besseres Spielergebnis zu erzielen. Wie muss man sich das vorstellen? Wir haben nachgefragt.
DSB: Kein Sport ohne Regeln, keine Regeln ohne Überwachung. Klaus, Du bist bei der Olympiade Chef eines Teams von „Anti-Cheating-Schiedsrichtern“. Kannst Du uns erklären, was sich hinter dem Begriff „Anti-Cheating verbirgt?
Es geht kurz gesagt darum, zu verhindern, dass Spieler auf verbotene Hilfsmittel zurückgreifen. Im Mittelpunkt steht natürlich die missbräuchliche Verwendung von Handys und Computerprogrammen, also das, was etwas unjuristisch als Betrug oder „E-Doping“ bezeichnet wird. Auch das Vorsagen von Zügen gehört natürlich hierher. Es hat in den vergangenen Jahren ja eine Reihe von – ich verwende jetzt auch den Ausdruck – Betrugsfällen gegeben. Ich denke etwa an den Fall Feller, den französischen Spieler, der sich bei der Schacholympiade 2010 Computer-Zugvorschläge über seinen Mannschaftskapitän hat übermitteln lassen. Es gibt etliche weitere Fälle, auch in Deutschland, die ebenfalls die Aufmerksamkeit der Schachöffentlichkeit erweckt haben. Das hat dazu geführt, dass Spieler zunehmend misstrauisch geworden sind und sich, anstatt sich auf die Partie zu konzentrieren, mit der Frage beschäftigen, warum denn etwa der Gegner jetzt zum dritten Mal einen Toilettengang macht.
Die FIDE hat das Problem erkannt und schon vor drei Jahren ein Komitee gegründet, dem ich angehöre, das verschiedene Bereiche des Turnierschachs - Spieler, Trainer, Organisatoren und Schiedsrichter - abbildet. Es wurden diverse Vorschläge und Maßnahmen erarbeitet, die in den „Anti-Cheating Guidelines“ der FIDE zusammengefasst sind.
DSB: Was sind denn konkret Deine Aufgaben in Baku?
K.D.: Wir haben bei der jetzigen Schacholympiade erstmals eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen ergriffen, um das Cheating zu bekämpfen. Zeitverzögerte Übertragung und Eingangskontrollen gab es ja auch schon bei den Olympiaden davor. Mein Team, bestehend aus 15 Schiedsrichtern aus 8 verschiedenen Ländern, kontrolliert die Toilettenbereiche, die Raucherzonen, die Getränkebereiche und die Gänge zwischen den einzelnen Sektoren, in denen gespielt wird. Erstmals dürfen sich Spieler nicht mehr unterhalten. Das steht zwar schon lange in den Regeln, wurde aber bisher kaum ernsthaft durchgesetzt. Uns stehen insgesamt 6 Metall-Scanner zur Verfügung und gelegentlich wird ein Spieler, der sich außerhalb der Bretter aufhält, gebeten, einen kurzen Check über sich ergehen zu lassen, was nur wenige Sekunden dauert. Außerdem werden pro Runde etwa 15 Spieler ausgewählt, die nach Beendigung ihrer Partie einem etwas gründlicheren Check in einem abgesonderten Bereich unterzogen werden. Entgegen der Befürchtung vieler Schachspieler muss dabei aber niemand die Hosen ausziehen.
DSB: Ich nehme an, Du bekommst trotzdem viele Beschwerden von Spielern, die damit nicht einverstanden sind?
K.D.: Nein, ganz im Gegenteil. Natürlich ist nicht jeder glücklich, wenn er vielleicht gerade die Partie verloren hat und jetzt auch noch zum Anti-Cheating-Checkpoint soll. Trotzdem hat sich darüber noch niemand beklagt. Vielmehr bekomme ich immer wieder zu hören, dass es eine gute Sache sei, dass die FIDE endlich entschlossen gegen Betrug vorgeht.
DSB: Für Dich und das gesamte Team sind die Tage in Baku sicher randvoll mit Arbeit. Darf sich der Schiedsrichter denn an einer aus seiner Sicht tollen Partie auch mal erfreuen?
K.D.: Es gilt der Grundsatz „erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Natürlich haben meine Schiedsrichter auch einmal Gelegenheit, an einem Brett zu verweilen. Ich selbst komme meistens erst dann dazu, wenn schon fast alle Partien beendet sind und nur noch vereinzelt mehr oder minder interessante Endspiele geübt werden.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 21310