22. November 2014
Am Freitag stand die fünfte Runde und damit die Halbzeit des German Masters der Frauen in Dresden an. Diese Halbzeit motivierte vielleicht die eine oder andere Spielerin das Tempo noch etwas zu erhöhen und so ging es auf den Brettern hoch her.
Zunächst aber die Bitte um Entschuldigung, wir hatten gestern Probleme mit der Internetverbindung, deshalb gab es nur gegen Ende der laufenden Partien eine Live-Kommentierung, wir sind frohen Mutes, dass heute zur sechsten Runde die Technik wieder steht.
Die Damen bekamen von diesen Problemen natürlich nichts mit, zumindest stand Jonathan Carlstedt in der frei gewordenen Zeit als Kaffeelieferant und Taschentuch-Holer (mit größter Freude) zur Verfügung. Nach der Halbzeit steht Elisabeth nach einem Sieg weiter auf dem ersten Rang, die Einzige mit einem halben Punkt Rückstand ist Marta Michna.
Ihr Berichterstatter traf Marta kurz vor der Runde an der Hotelbar, wo natürlich Kaffee und nichts anderes als Kaffe getankt wurde. Marta erzählte, dass sie etwas müde sei. Wer daraus schloss, dass sie damit am Brett weniger gefährlich sein könnte wurde umgehend eines Besseren belehrt. Ein wenig Schützenhilfe bekam sie durch Hanna Maries Eröffnungswahl, denn sie spielte ausgerechnet jene Variante, die sich Marta in ihrer 5-Minuten-Vorbereitung angeschaut hatte. Trotz eines relativ frühen Damentausches stand der schwarze König in der Mitte gefährdet. Das wusste Marta gekonnt auszunutzen, indem sie immer mehr Spannung gegen die zu unsicher stehenden schwarzen Figuren aufbaute, das führte kurz nach dem 20. Zug zu einem Figurenverlust und in der Konsequenz im 24. Zug zur Aufgabe.
Eine sichtlich erleichterte und freudige Marta konnte also am Abend zum Essen angetroffen werden. „Mmh lecker Essen, schöner Urlaub, Partie gewonnen“ erklärte Marta ihre derzeit gute Lage und ihr gutes Schach. Hanna Marie wird sich indes durch diese Niederlage nicht aus der Bahn bringen lassen. Auf meinen Hinweis, dass sie 100% mit Weiß habe sagte sie lächelnd: „Normalerweise ist ja eher Schwarz meine starke Farbe.“ Beeindruckend, dass sie die Niederlage so entspannt wegsteckt und nach jeder Partie die Fragen des Kommentators geduldig und mit viel Witz beantwortet.
Nach der vierten Runde äußerte Melanie Ohme noch ihre Verwunderung, dass sie bisher kaum sehr lange Partien gespielt hat. Caissa scheint ihr Flehen gehört zu haben und versorgte sie heute wieder mit der längsten Partie des Tages. Heute jedoch wird sie nicht so zufrieden mit dem Ergebnis gewesen sein. In einem beschleunigten Drachen wählte Filiz einen soliden Aufbau, den man sonst mit vertauschten Farben gegen 1. c4 häufig antrifft. Melanie startete schnell mit konkreten Aktionen und gab das Läuferpaar für eine bessere Bauernstruktur. Da der Autor dieser Zeilen diese Struktur selber schon erfolgreich gespielt hat, wähnte er Melanie bereits auf dem Weg zum Vorteil.
Filiz weiß jedoch mit dem Läuferpaar umzugehen und stellte Melanie vor diverse Probleme bis im Endspiel mit zwei Leichtfiguren und Dame, Melanie auf einmal dem Matt nicht mehr entrinnen konnte und somit die Segel streichen musste.
Filiz spielte sich somit zurück auf 50% und die Nummer 1 der am häufigst gehörten Sätze beim German Masters ist und bleibt sinngemäß „Die Filiz, die spielt extrem stark!“ Heute muss sich dann Marta etwas einfallen lassen um gegen die jüngste Teilnehmerin zu bestehen.
Ein Partie über die eigentlich alles gesagt ist, wenn klar wird, dass Sarah die Partie in 12 Zügen verloren hat. Zunächst ein Glückwunsch an Zoya, die sich durch diesen Sieg auf den ungeteilten 3. Platz schob. Eine solche Niederlage ist bitter und es erfordert Kraft, diese wegzustecken. Wer jedoch ohne eine schnelle Niederlage ist, der werfe den ersten Stein. Sarah wird sich zurückkämpfen, da bin ich mir sicher.
Von dieser Partie werden vermutlich beide noch lange Zeit träumen. Beide Seiten hatten ihre Chancen. In einem Königsinder schloss sich die Stellung von der d- bis zur h-Linie relativ schnell. Dementsprechend eilig hatte es Ketino ihren König von c1 an den Königsflügel zu bringen um dann ihre Chancen am Dameflügel zu suchen. Tatjana kam ihr mit der Öffnung am Damenflügel zuvor, was zu ihrem Vorteil war. Wenig später konnte sie durch einen kleinen taktischen Trick eine vorteilhafte Bauernstruktur und damit Stellung erreichen. Dank sehr umsichtiger Spielweise schaffte es Ketino jedoch eine Blockade auf den weißen Felder aufzubauen und somit fiel der Mehrbauer, den sich Schwarz in der Zwischenzeit erarbeitet hatte nicht mehr ins Gewicht. Die Punkteteilung war die logische und Folge und beide liegen mit 2 Punkten noch aussichtsreich im Rennen um die großen Preisgelder.
Überraschung, Überraschung, eine Überraschung. Nicht wirklich wie Judith nach der Partie bemerkte. "Ich hatte mir schon gedacht, dass Elisabeth mich überraschen würde, eventuell sogar mit Aljechin. Aber mit Skandinavisch? Damit hatte ich nicht gerechnet.“ Beide gaben nach der Partie aufschlussreich und informativ ihre Bewertungen zu der Stellung ab. Judith spielte eine starke Fortsetzung gegen Elisabeth's Dd6-System. Relativ früh bot Judith den Damentausch an, den zunächst aber beide ablehnten ihrerseits zu tätigen, bis Judith dann dazu gezwungen war, den Damentausch zu forcieren. Der Vorteil für Elisabeth war ein klarer Plan an dem sie sich orientierte und relativ bald den weißen d4-Bauer aufs Korn nahm. Nachdem Judith vermutlich die ein oder andere Stelle verpasst hatte, etwas genauer zu spielen, war sie gezwungen den d-Bauern gefährlich weit nach vorne zu schieben. Das führte zwangsläufig zu einem Bauerngewinn für Elisabeth. In dem entstandenen Endspiel hatte Elisabeth dank des Mehrbauern eine überlegene, wenn auch nicht einfach gewonnene, Stellung.
Doch dank starker Technik stand am Ende des Tages die 1 für die deutsche Nummer 1, die das Feld weiter anführt.
Es bleibt weiter sehr spannend und da mir gerade der Überraschungsgast für heute einen guten Abend gewünscht hat, kann sich das schach.de-Publikum, aber auch das Publikum vor Ort nun zu 100% auf fachkundige Unterstützung des Kommentators freuen, um 14 Uhr bei schach.de!
Pl. | Spielerin | DWZ | Elo | Verein | Pkt. | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 0 |
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1. | IM Elisabeth Pähtz | 2470 | 2480 | SV Hockenheim | 4,0 | x | ½ | 1 | ½ | 1 | 1 | ||||
2. | WGM Marta Michna | 2287 | 2343 | SK Norderstedt | 3,5 | ½ | x | ½ | 1 | ½ | 1 | ||||
3. | WGM Zoya Schleining | 2318 | 2351 | SV Letmathe | 3,0 | x | 1 | 0 | 0 | 1 | 1 | ||||
4. | WIM Filiz Osmanodja | 2297 | 2322 | USV TU Dresden | 2,5 | 0 | 0 | x | 1 | 1 | ½ | ||||
5. | WGM Melanie Ohme | 2322 | 2322 | SF Neuberg | 2,5 | ½ | ½ | 0 | x | 1 | ½ | ||||
6. | Hanna Marie Klek | 2223 | 2219 | SC Erlangen | 2,0 | 0 | 0 | 1 | 0 | x | 1 | ||||
7. | IM Ketino Kachiani-Gersinska | 2282 | 2343 | OSG Baden-Baden | 2,0 | 1 | 0 | x | 0 | ½ | ½ | ||||
8. | WGM Sarah Hoolt | 2312 | 2334 | Spfrd. Katernberg | 2,0 | ½ | 0 | 0 | 1 | x | ½ | ||||
9. | WGM Tatjana Melamed | 2315 | 2323 | AE Magdeburg | 2,0 | 0 | ½ | ½ | ½ | x | ½ | ||||
10. | WIM Judith Fuchs | 2271 | 2289 | Hamburger SK | 1,5 | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | x |
Jonathan Carlstedt
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19149