Bronze - Respekt ist geboten.

31. Oktober 2025

Die deutschen Frauen in Batumi kurz vor der Siegerehrung

Raj Tischbiereks Kolumne: Ein Rückblick auf die Team-EM in Batumi, der zur Einordnung wird. Auch mit Blick auf die Frauen-Medaille.

Im Schach ist der Respekt üblicherweise noch nicht so weit gediehen, dass bei der Berichterstattung über parallel ausgetragene Wettbewerbe beider Geschlechter, wie bei der Mannschafts-Europameisterschaft, mit den Frauen begonnen wird. Im vorliegenden Fall ist diese Form der Wertschätzung aus deutschem Blickwinkel jedoch unbedingt geboten, wie GM Raj Tischbierek in seiner neuesten Kolumne findet.

Während die Männer (heute wird deren Turnier als »Open« tituliert, da Frauen hier – theoretisch – auch mitspielen dürfen) ihre ersten kontinentalen Team-Titelkämpfe 1957 austrugen, gesellten sich die Frauen erst 1992 hinzu. Bei der 16. Austragung in der ersten Oktoberhälfte im georgischen Batumi gewannen Dinara Wagner, Hanna Marie Klek, Josefine Safarli, Lara Schulze, Kateryna Dolzhykova und Neu-Bundestrainer Zahar Efimenko zum ersten Mal eine Medaille für Schwarz-Rot-Gold!

Die Grundlage dafür legten vier Auftaktsiege, darunter die gegen das an eins gesetzte Georgien und die stark eingeschätzten Aserbaidschanerinnen. Augenfällig – und das gegenüber den Vorjahren prägende Merkmal – war die geschlossene Mannschaftsleistung: alle fünf Spielerinnen trugen zum Erfolg bei, man hatte keine »Ausfälle« zu beklagen.

Dinara Wagner, Hanna Marie Klek, Kateryna Dolzhykova, Zahar Efimenko, Lara Schulze und Josefine Safarli
Br. Spielerin Elo 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Pkt. Gegn. Lstg.
1 IM Dinara Wagner 2410   ½ ½ ½ ½ ½ 1 0 ½ 4,0/8 2420 2420
2 WGM Hanna Marie Klek 2328 ½ ½ 1 ½   ½ 1 1 ½ 5,5/8 2325 2466
3 WGM Josefine Safarli 2276 1 ½ ½   ½ ½ ½ 1 0 4,5/8 2301 2344
4 FM Lara Schulze 2319 ½ 1   ½ 0 ½   1 ½ 4,0/7 2240 2290
5 WGM Kateryna Dolzhykova 2300 1   ½ 1 ½   ½     3,5/5 2277 2426
Hanna Marie Klek

Dabei ragte Hanna Marie Klek noch heraus! Die Art und Weise, wie ihre 5½/8 zustande kamen (es waren »dolle Dinger« dabei), ist schon jetzt in Vergessenheit geraten. Ebenso wie der Fakt, dass Hannas letzte gute Vorstellung im Nationaldress von der Mannschafts-EM 2019 in … Batumi stammte! Dort habe sie wohl »eine besonders gute Verbindung zu Caissa«, sagte mir die 26-Jährige, die Schach als einzige des deutschen Quintetts nicht professionell betreibt.

Eine weitere Parallele: Elisabeth Pähtz, unsere jahrzehntelange Spitzenkraft, fehlte diesmal; in Erwartung eines Kindes war ihr die Reise nach Batumi zu riskant (zu den Gründen vgl. The blog of Irina Bulmaga : The Grand Batumi Experience). Zum letzten Mal hatte sie … 2019 nicht für uns gespielt. Ohne sie performte Klek also zweimal stark, dazwischen, mit ihr, allenfalls durchwachsen. Zufall? Nicht, insofern Hanna dadurch ein Brett weiter nach vorn rückte und ihr eigener Aussage nach gleich- bzw. stärkere Gegnerinnen besser liegen als Underdogs. 

Eine langjährige Nr. 1 muss fast automatisch eine Sonderstellung einnehmen. Sie erzielte über die Jahre hinweg bei den großen Mannschaftsturnieren zum Teil Resultate weit oberhalb dessen, wozu ihre Kolleginnen befähigt waren und sind. Kaum jemand wird in Frage stellen, dass Elisabeth eine gute Teamspielerin ist, die versucht, ihren Einfluss im Interesse des Gemeinwohls geltend zu machen. Häufig spielte sie mehr Partien, als es ihrer körperlichen Verfassung zuträglich war. Einmal eine Medaille war das große Ziel.

Ebenso klar ist jedoch, dass ihr Fokus anderer Natur als der der restlichen Mannschaftsmitglieder war und ist. Während sie zum Beispiel offensiv für die gleiche Honorarregelung wie die der Männer stritt (erfolglos), ging es für die anderen (heute mit Ausnahme von Wagner) vordringlich darum, den Sprung ins Team zu schaffen. Für sie waren Olympiaden sowie Mannschaftswelt- und Europameisterschaften stets absolute Höhepunkte und finanzielle Aspekte eher zweitrangig. Daneben hat Elisabeth einen international geprägten Freundes- und Bekanntenkreis in der Szene, was sich auf die Freizeitgestaltung auswirkt. Klek: »Wir hatten während der Turniere nie viel Kontakt. Aber das hat mich nicht gestört, es war halt so.«

Eine anderes Mannschaftsklima also ohne Pähtz? Ja. Aber jede Wertung von meiner Seite wäre Küchenpsychologie.

Dinara hielt an Brett 1 mit 50 Prozent die Kasse. Da die erste Partiephase ihre große Stärke ist und sie ausgangs der Eröffnung – egal gegen wen – fast immer gut steht, entsteht immer wieder der Eindruck, dass bei ihr noch viel Luft nach oben ist. Vielleicht ist das etwas zu optimistisch. Im Gegensatz zum vorgeschalteten Grand Swiss gelang es ihr diesmal jedoch, sich in (mindestens) zwei wichtigen Partien nach zwischenzeitlichen Verfehlungen neu zu sammeln, was sich gegen die abgezockte Nana Dzagnidze (Georgien) als (mit)entscheidend für den Teamerfolg erwies und uns gegen Polen (Alina Kashlinskaya) um ein Haar das Match gerettet hätte.

Etwas gewundert hat mich, dass Neuling Kateryna Dolzhykova vergleichsweise selten zum Einsatz kam (fünf Partien). Es mag Efimenko einige Nerven gekostet haben, ihrer Eröffnungsbehandlung zu folgen, aber Katerynas praktische Stärke hat mich durchaus beeindruckt.

Pl. Nr. Mannschaft Land MP SoBe S R N
1 2 Polen 16 240,5 8 0 1
2 3 Ukraine 14 216,0 5 4 0
3 6 Deutschland 13 205,0 6 1 2
4 5 Bulgarien 12 197,5 6 0 3
5 8 Armenien 12 183,5 5 2 2
6 1 Georgien 1 11 206,0 5 1 3
7 7 Spanien 11 172,5 3 5 1
8 17 Rumänien 11 172,5 5 1 3
9 9 Frankreich 11 167,5 4 3 2
10 4 Aserbaidschan 10 188,5 4 2 3
11 10 Schweiz 10 179,0 4 2 3
12 13 Ungarn 10 158,5 5 0 4
13 26 Estland 10 155,5 3 4 2
14 20 Italien 10 155,0 4 2 3
15 19 Georgien 2 10 137,0 4 2 3
16 16 Türkei 9 159,0 4 1 4
17 14 Griechenland 9 159,0 3 3 3
18 11 Serbien 9 151,5 2 5 2
19 15 Niederlande 9 147,5 3 3 3
20 21 Österreich 9 137,0 3 3 3
21 23 Tschechien 9 125,0 3 3 3
22 12 England 8 153,0 2 4 3
23 27 Belgien 8 122,5 4 0 5
24 24 Georgien 3 8 119,5 3 2 4
25 22 Slowenien 8 118,0 2 4 3
26 25 Slowakei 8 116,0 3 2 4
27 29 Litauen 8 107,5 4 0 5
28 32 Island 8 93,5 3 2 4
29 28 Montenegro 8 88,0 4 0 5
30 35 Finnland 8 75,5 2 4 3
31 18 Israel 7 134,0 3 1 5
32 30 Kroatien 6 61,5 3 0 6
33 31 Portugal 5 71,5 2 1 6
34 33 Monaco MNC 4 61,0 1 2 6
35 34 Schweden 4 41,5 2 0 7
36 36 Schottland 1 61,5 0 1 8

Bei aller Freude - es bleibt Luft nach oben

Bei aller Freude über die erste deutsche Frauenmedaille seit der Olympiade 1978 (auch damals Bronze) wachsen die Bäume nicht in den Himmel. Augenscheinlich lief diesmal vieles zusammen und wir hatten häufig das nötige (nicht nur Quäntchen) Glück. Um darauf aufzubauen und die vielbeschriebene »Krise« aus den Köpfen zu verbannen, bedarf es nachhaltiger individueller Klasse auf breiter(er) Front. Während sich für den bevorstehenden Weltcup im indischen Goa gleich sieben unserer Männer qualifiziert haben, war im Sommer beim Weltcup der Frauen keine deutsche Vertreterin am Start (geschuldet allerdings auch den ungleichen Teilnehmerfeldern bei Weltcups: 206 Männer, 107 Frauen). Für die im November stattfindende Mannschafts-Weltmeisterschaft mit zwölf teilnehmenden Nationen sind wir nicht qualifiziert.

Hier ist definitiv Luft nach oben!

Titel für die Männer in unerreichbarer Ferne

Die deutschen Männer notierten, an eins gesetzt, nach fünf Runden bei ernüchternden 5:5 Mannschaftspunkten. Nach zwei 1½:2½-Niederlagen gegen Dänemark und die Ukraine sowie einem 2:2 gegen Bulgarien war der angestrebte Titel in unrealistische Ferne gerückt. Halbwegs versöhnlich gedieh das Finale, welches das Team noch auf einen, dennoch enttäuschenden, vierten Platz klettern ließ.

Pl. Nr. Mannschaft Land Pkt. SoBe S R N
1 9 Ukraine 15 220,5 7 1 1
2 4 Aserbaidschan 13 195,0 5 3 1
3 7 Serbien 13 181,5 6 1 2
4 1 Deutschland 12 195,0 5 2 2
5 15 Rumänien 12 177,5 5 2 2
6 29 Georgien 2 12 168,0 5 2 2
7 2 Niederlande 11 220,0 4 3 2
8 8 Spanien 11 182,5 3 5 1
9 5 England 11 181,0 5 1 3
10 18 Türkei 11 170,5 4 3 2
11 3 Ungarn 11 162,0 4 3 2
12 21 Dänemark 10 166,0 2 6 1
13 13 Polen 10 156,5 3 4 2
14 23 Georgien 1 10 154,5 4 2 3
15 20 Italien 10 153,5 4 2 3
16 22 Bulgarien 10 148,0 4 2 3
17 16 Kroatien 10 147,0 3 4 2
18 26 Litauen 10 135,5 3 4 2
19 6 Armenien 9 182,0 2 5 2
20 14 Tschechien 9 171,0 1 7 1
21 27 Montenegro 9 142,0 3 3 3
22 17 Österreich 9 138,5 4 1 4
23 34 Portugal 9 86,0 4 1 4
24 11 Frankreich 8 160,5 4 0 5
25 10 Griechenland 8 159,5 3 2 4
26 12 Slowenien 8 140,5 3 2 4
27 24 Slowakei 8 133,0 3 2 4
28 19 Israel 8 127,5 2 4 3
29 33 Island 8 121,0 3 2 4
30 30 Moldawien 8 121,0 2 4 3
31 31 Belgien 8 118,0 4 0 5
32 35 Georgien 3 8 79,5 4 0 5
33 25 Schweden 7 128,5 3 1 5
34 28 Schweiz 7 121,5 2 3 4
35 32 Finnland 7 80,5 2 3 4
36 38 Georgien 4 7 66,5 2 3 4
37 37 Kosovo 5 76,0 1 3 5
38 36 Färöer FAI 3 73,0 1 1 7
39 40 Irland 3 22,0 1 1 7
40 39 Schottland 2 36,0 0 2 7
Frederik Svane, Dmitrij Kollars, Rasmus Svane, Jan Gustafsson, Vincent Keymer und Matthias Blübaum

Identisch mit 2023 (Silber) lag am Ende die Brettpunktausbeute (21½/36), gegen diesmal allerdings aufgrund der blassen ersten Turnierhälfte schwächere Gegnerschaft. Wie vor zwei Jahren setzte Bundestrainer Jan Gustafsson den stocksoliden Rasmus Svane ans zweite Brett. Was sich damals als kluge Taktik erwies, griff diesmal nicht. Aufgrund des verpatztes Starts wurden wir lange nicht mit Spitzenteams gepaart. Somit bekam er nicht die erwartet guten Gegner und remisierte dennoch sechs seiner acht Partien, obwohl mehrere volle Punkte greifbar waren. Anders als 2023 konnte sich Rasmus zudem nicht schadlos halten, die Niederlage gegen Alexej Sarana (Serbien) und das resultierende 2:2 raubten uns in der Vorschlussrunde die letzten Medaillenchancen.

Dazu gesellten sich die eineinhalb Ausfälle von Matthias Blübaum und Dmitrij Kollars. »Eineinhalb«, weil sich Matthias in der zweiten Turnierhälfte fing. Diskutabel war die scharfe Eröffnungswahl unseres WM-Kandidaten gegen Andrei Volokitin (Ukraine), die uns – objektiv gut, aber nicht zu seinem Stil passend – das Match gegen den späteren überraschenden Goldmedaillengewinner kostete (bei dem der beurlaubte Frontsoldat Igor Kovalenko mit 6½/8 die Geschichte des Turniers schrieb).

Was funktionierte, war einzig die »Flügelzange«: Frederik Svane spielte ein gutes, Vincent Keymer ein weiteres überragendes Turnier (obwohl ihm Sekundant Péter Lékó fehlte, der für Ungarn spielte).

Br. Spieler Elo 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Pkt. Gegn. Lstg.
1 GM Vincent Keymer 2755 ½ 1 1 ½ ½ 1 1 1 ½ 7,0/9 2618 2838
2 GM Rasmus Svane 2614 ½ ½ 1   ½ ½ ½ 0 ½ 4,0/8 2571 2571
3 GM Matthias Blübaum 2687   1 0 0   ½ 1 ½ 1 4,0/7 2560 2610
4 GM Dmitrij Kollars 2642 0     ½ 0         0,5/3 2549 2276
5 GM Frederik Svane 2638 ½ ½ 1 ½ 1 1 ½ ½ ½ 6,0/9 2527 2652

Alles in allem ein verkraftbarer, kleiner Rückschlag, zumal Favoriten bei Mannschafts-Europameisterschaften häufig einen schweren Stand hatten. Die deutschen Schachprofis befinden sich in illustrer Gesellschaft:

Ort/Jahr Europameister
(Setzlistenplatz)
Setzlisten-1. Eloschnitt Platzierung
Léon 2001 Niederlande (3) Israel 2667 6.
Plowdiw 2003 Russland (1) Russland 2724 1.
Göteborg 2005 Niederlande (6) Russland 2700 14.
Heraklion 2007 Russland (1) Russland 2730 1.
Novi Sad 2009 Aserbaidschan (2) Russland 2740 2.
Porto Carras 2011 Deutschland (10) Russland 2758 5.
Warschau 2013 Aserbaidschan (6) Russland 2747 3.
Reykjavik 2015 Russland (1) Russland 2743 1.
Hersonissos 2017 Aserbaidschan (2) Russland 2744 2.
Batumi 2019 Russland (1) Russland 2722 1.
Catez 2021 Ukraine (7) Russland 2728 6.
Budva 2023 Serbien (10) Aserbaidschan 2701 18.
Batumi 2025 Ukraine (9) Deutschland 2681 4.

Eine Statistik, die uns auch die in der Folge der russischen Aggression gegen die Ukraine veränderte Schachlandschaft vor Augen führt. Inzwischen ist kein Spieler der jahrzehntelangen Schachnation Nr. 1 mehr unter den Top-10 der Welt platziert. Einige Mannschaften haben aufgrund der Zuwanderung ehemaliger Russen bzw. Russinnen ihr Antlitz verändert, am signifikantesten Serbien bei den Männern (+ Predke und Sarana) und Polen bei den Frauen (+ Kashlinskaya und Maltsevskaya).

Vincent kommt...

Vincent Keymer

... von Vincentius abgeleitet, aus dem Lateinischen und heißt soviel wie »der Siegende« oder »der Überwinder«. Überwunden hat Keymer kürzlich die Elogrenze von 2750 – und hielt sich nicht lange in diesen Regionen auf. Vor einem halben Jahr, in der Mai-Liste der FIDE, lag er mit einem Rating von 2720 noch auf Platz 25, seitdem hat er 53 (!) Elopunkte gewonnen und sich auf Platz 4 der Weltrangliste hinter Carlsen, Nakamura und Caruana katapultiert! Aus deutscher Sicht war zuvor nur Robert Hübner 1981 kurzzeitig besser platziert, hinter Karpow und Kortschnoj auf Platz 3.

Vincents Weg in die absolute Weltelite:

Turnier Platz Resultat Leistung Elo±
Gesamt:   34½/46
(+26, =17, -3)
   
Deutsche Meisterschaft
München, 15.-23. Mai
1. 7/9
(+6 =2 -1)
2810 +10
Quantbox Grandmasters
Chennai, 7.-15. August
1. 7/9
(+5 =4 -0)
2917 +21
Grand Swiss
Samarkand, 4.-15. September
4. 7½/11
(+5 =5 -1)
2796 +7
Bundesliga
27./28. September
1/2
(+0 =2 -0)
2645 -3
Mannschafts-EM
Batumi, 5.-14. Oktober
7/9
(+5 =4 -0)
2838 +9
Europapokal
Rhodos, 19.-25. Oktober
5/6
(+5 =0 -1)
2882 +9
Zwei die Wasser aus Stein pressen können: Magnus Carlsen und Vincent Keymer

Bemerkenswert sind die für das klassische Schach relativ wenigen Punkteteilungen, was für eine gesteigerte Risikobereitschaft spricht. Eröffnungsmäßig ist Keymer, der am 15. November 21 Jahre alt wird, deutlich breiter aufgestellt als zu den Zeiten, da er parallel noch die Schulbank drücken musste. Dadurch ist er schwerer ausrechenbar (die konkrete Vorbereitung auf Partien gegen ihn wird merklich komplexer/kraftraubender), ohne dass man den Eindruck gewinnt, dass er auf diesem Gebiet Vorteile gegenüber der 2700er-Konkurrenz generiert. Auffällig ist dagegen seine an Carlsen erinnernde Befähigung, in »0.00er-Endspielen« Wasser aus einem Stein zu pressen, was besonders beim Grand Swiss ins Auge stach und vermutlich auf seiner durch Léko geförderten klassischen Ausbildung basiert. Betont wird daneben häufig seine praktische Stärke, das Vermögen, nicht darin nachzulassen, seine Gegner vor Probleme zu stellen. Dazu gehört es auch, ein Gefühl für die richtigen Momente, Risiken einzugehen und damit remisträchtige Vereinfachungen zu vermeiden, zu entwickeln. Offenkundig auch seine starke Physis, selbst Seeschlangen hindern Vincent nicht daran, am nächsten Tag wieder anzugreifen. Somit sollte es auch kein Problem sein, dass er zwischen Mannschafts-EM und Weltcup noch den Europapokal eingeschoben hat.

All das scheint mir als Erklärung für seinen grandiosen Aufstieg der letzten Monate jedoch noch etwas zu allgemein gefasst. Eine schachlich fundiertere Analyse überlasse ich mangels erforderlicher Expertise gern berufenerem Munde.

worldcup2025.fide.com

In unmittelbarer Folge seiner Leistungsexplosion geht Keymer beim im K.o.-System ausgetragenen Weltcup im November in Goa (Indien) mit der höchsten Elozahl der 206 Teilnehmer ins Rennen. Die ersten drei lösen das Ticket für das Kandidatenturnier im nächsten Jahr.

Er und der dafür bereits qualifizierte Blübaum zählen zu den 50 topgesetzten Spielern, erhalten zum Auftakt ein Freilos und steigen am 4. November in Runde 2 in den Mammutwettbewerb ein. Frederik und Rasmus Svane, Alexander Donchenko, Dmitrij Kollars und Niclas Huschenbeth gehen am 1. November durchweg als Favoriten in ihre Erstrundenpaarungen. Gespielt werden jeweils zwei klassische Partien und, bei einem resultierenden 1:1, ein Stichkampf mit im Falle anhaltenden Gleichstands immer kürzer werdenden Bedenkzeiten (15+10, 10+10, 5+3, 3+2, Armageddon) am dritten Tag. Rundenbeginn ist jeweils 10.30 Uhr MEZ.

Ein weiterer spannender Schachmonat steht uns bevor! (rt)

// Archiv: DSB-Nachrichten - Kolumne Raj Tischbierek // ID 11683

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