27. Juni 2025
Wer sind die Referenten und Referentinnen des DSB? Beim Bundeskongress in Paderborn wurden kürzlich gleich mehrere neu in ihr Amt gewählt. Wir wollen sie und ihre Pläne in loser Folge und Interview-Form näher vorstellen. Zuerst beantwortet der neue Leistungssport-Referent Dr. Carlos Hauser die Fragen von Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit. Der 37jährige Hauser ist Senior-Software-Entwickler und Scrum-Master bei SAP, kann auf eine lange Schach-Vita beim SV 1947 Walldorf verweisen, wo er auch Trainer (mit A-Lizenz) und Mannschaftsführer war – und seit 15 Jahren, aktuell als Jugendleiter, im Vorstand mitarbeitet. Er hat Lehrgänge geleitet und den badischen D-Kader betreut. Im Interview demonstriert er bereits sehr viel Tatendrang.
Carlos, Du hast eigentlich als Vizepräsident Sport kandidiert, wurdest knapp nicht gewählt – und hast Deinen Hut dann bei der Besetzung des Referentenpostens in den Ring geworfen. Was war Dein Beweggrund?
In den Tagen vor dem DSB-Kongress und währenddessen habe ich mir viel Gedanken über das ungenutzte Potential beim DSB gemacht. Generell bin ich daher nach Paderborn gefahren mit dem Ziel etwas zu ändern und voran zu bringen. Darüber hinaus war ich in Baden bereits drei Jahre lang Leistungssportreferent, ich bin A-Trainer und bin häufig als Trainer bei der Deutschen Jugend-Einzelmeisterschaft. Der Leistungssport liegt mir daher schon am Herzen. Gerald Hertneck ist - zumindest für mich - sehr unerwartet nicht mehr angetreten. Und der Leistungssportreferentenposten schien, auch ohne viel Bedenkzeit, gut zu mir zu passen und ich habe mich spontan zur Wahl gestellt.
Darf man daraus schließen, dass es Dir nicht ums Amt, sondern um die Sache geht? Einfach was zu bewegen für den deutschen Schachsport?
Ja, definitiv. Ich möchte auf alle Fälle zu positiven Veränderungen beitragen.
Du hattest mittlerweile Dein erstes tiefergehendes Gespräch mit DSB-Sportdirektor Kevin Högy – wie war es?
Kevin hat mir einen schönen Überblick gegeben, wofür der DSB im Leistungssportbereich Geld investiert. Darüber hinaus haben wir über die ersten aktuellen Themen gesprochen, die gerade angegangen werden. Das Gespräch war sehr gut und ich fühle mich abgeholt.
Gab es einen Austausch mit Deinem Vorgänger Gerald Hertneck, der das Amt vier Jahre sehr geprägt hat? Wie groß sind seine Fußstapfen?
Leider hatten wir bisher nur einen kurzen Austausch. Das lag auch daran, dass ich wegen der DJEM in den letzten Wochen nicht so viel Zeit hatte. Ich habe allerdings bereits alte Dokumente gelesen und verschaffe mir nach und nach einen Überblick. Grundsätzlich: Ich mache mir wenig Gedanken darüber, wie mein Vorgänger es im Detail gemacht hat. Ich schaue, dass ich es gut mache und meine Talente einbringe. Ansonsten höre ich gerne zu und lerne von den Erfahrungen der anderen. Egal, ob das nun mein Vorgänger Gerald, die Trainer, der Sportdirektor, das Präsidium, die Kaderspieler und -spielerinnen sind, oder gerne auch andere aus der großen weiten Welt des Schachsports.
In welchen Bereichen wirst Du Dich einbringen? Was liegt Dir speziell am Herzen?
Das erste Projekt, das ich unterstütze, ist das Revival der Lichess-Mannschaft des DSB. Die Mannschaft hatte sich um Liga 10 eingependelt. Unser Online-Schach Referent Jannik Liebelt hat die Mannschaft seit der Übernahme seines Amtes die Mannschaft jede Woche eine Liga höher geführt und mittlerweile sind wir bereits in Liga 3. Das Ziel ist nach wie vor in die erste Lichess-Liga aufzusteigen und diese zu gewinnen. Dazu werden wir die Unterstützung richtig guter Spieler, also auch unsere Kader-Spieler, benötigen. Zudem werden die Spiele bald gestreamt, um mehr Reichweite zu erhalten. Wir möchten die Lichess-Mannschaft und den zugehörigen Stream attraktiv und populär machen.
Klingt spannend. Und sonst?
Außerdem würde ich gerne unsere Trainer-Ausbildung überarbeiten. Das ist auch ein gemeinsames Projekt, in diesem Fall mindestens zusammen mit dem Ausbildungsreferenten und verschiedenen A-Trainern, die etwas voranbringen wollen. Das Tagesgeschäft des Leistungssportreferenten geht selbstverständlich weiter. Bald werde ich zum ersten Mal eine Sitzung der Kommission Leistungssport leiten. Dabei bin ich immer noch sehr am Daten und Meinungen sammeln - bevor ich größere konkrete Vorschläge machen werden. Der DSB macht bereits viel und vieles funktioniert sicherlich sehr gut. Daher möchte ich zunächst verstehen, wo im Leistungssport die Probleme und das ungenutzte Potential liegen.
Was muss im DSB-Ausbildungsbereich – in dem Du Dich ja sehr gut auskennst – besser werden?
Die Fortbildungsmaßnahmen sollten einen echten Mehrwert bieten, damit unsere Trainer und Trainerinnen gerne kommen und sich weiterbilden können. Häufig scheint es eher eine unangenehme Pflichtveranstaltung sein. Dazu würde ich auch die Trainer und Trainerinnen befragen, was sie sich wüschen.
Ich frage mal nach, weil ich weiß, dass Dir die Trainerausbildung in der jetzigen Form nicht gefällt. Willst Du da was ändern?
Wünsche aus dem A-Trainer-Kreis waren: Mehr über mentales Training, Ernährung und anderen neuen Input. Außerdem, nochmal: Es lohnt sich sicherlich, die A-Trainer nach ihren aktuellen Wünschen und Ideen zu fragen.
Du sagst, der Leistungssport habe sehr viel Potenzial – was aber muss passieren, damit dieses entfaltet wird?
Beim Grenke Chess Open hat sich gezeigt, dass auch in Deutschland viel Geld in Schach investiert wird. Außerdem haben wir eine große Online-Community und sehr viele Mitglieder. Die Spitzenspieler und Talente sind ebenfalls da. Ich denke, wir müssen das nur irgendwie zusammenbringen. Mit mehr Reichweite und Popularität lassen sich dann vermutlich mehr Sponsoren gewinnen.
Sind wir international wettbewerbsfähig?
Natürlich! Bei der vergangenen Europameisterschaft haben Matthias Blübaum und Frederik Svane die ersten beiden Plätze belegt. Vincent Keymer ist aktuell Nummer 22 in der Weltrangliste im klassischen Schach und die Nummer sechs der Welt im Freestyle-Chess.
Was muss trotzdem besser werden?
Ich würde nie „muss“ sagen. Allerdings sind wir im Jugendbereich und bei den Frauen in den letzten Jahren nicht so erfolgreich wie die oben genannten Top-Spieler. Es könnte jedoch ein Ansatz sein von den erfolgreichen Männern zu lernen - und die "Erfolgskonzepte" zu übertragen.
Viele Experten diskutieren gerade über eine angebliche Krise im Frauenschach, einen Begriff, den auch Hertneck geprägt hat – wie siehst Du die Situation?
Das sollte man sich erstmal genauer anschauen. Nur auf die Ergebnisse zu schauen, scheint mir nicht der richtige Ansatz zu sein. Es gibt auch große Unterschiede zwischen der Frauen- und Männernationalmannschaft. Die Männer sind alle Profis und haben als Bundestrainer Jan Gustafsson, der bereits für den besten Schachspieler unserer Zeit, Magnus Carlsen, gearbeitet hat. Die Frauen in der Nationalmannschaft leben teilweise nicht ausschließlich von Schach und der Posten des Frauenbundestrainers wird gerade neu besetzt.
Da fragen wir gleich nach: Wie ist der Stand bei der Frauen-Bundestrainersuche? Inwiefern bist Du da schon eingebunden?
Ich war nicht involviert. Es gibt wohl vielversprechenden Gespräche und schon bald eine Entscheidung.
Wie beurteilst Du den Leistungsstand unserer Kader?
Die Frauen haben ordentlich Potential und es wäre wünschenswert, wenn mehr Frauen in der Nationalmannschaft vom Schachspielen leben könnten - und sich voll auf Schach konzentrieren könnten. Die Männer sind teilweise definitiv Weltspitze. Eine breitere Spitze und mehr Erfolge wären sicherlich wünschenswert.
Die Team-EM in Georgien steht im Oktober an. Wirst Du vor Ort sein? Was erwartest Du?
Ich weiß nicht, ob ich vor Ort sein werde. Darüber habe ich noch mit niemandem im DSB gesprochen. Ich hoffe, dass wir unsere Topspieler und Topspielerinnen ans Brett bringen und gute Resultate erzielen.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36708