29. November 2014
Ebenso wie der erste Advent steht auch die neunte Runde der Deutschen Meisterschaften vor der Tür, und fast ist er vorbei, der große Wettbewerb um den höchsten Schachtitel des Landes.
Viele Tage schon hatte GM Daniel Fridman an den Spitzenbrettern - oder an seinem Spitzenbrett - gespielt, und nur für kurze Zeit, eine Runde lang, war es Dennis Wagner gelungen, mit dem für Mülheim an der Ruhr spielenden Schachprofi gleichzuziehen.
Dann aber erhöhte Fridman die Schlagzahl, und während sein junger Verfolger im Spiel mit Igor Khenkin und Hagen Poetsch zwei Unentschieden einfuhr, holte Fridman zwei Siege - diese beiden vollen Punkte gegen Vitaly Kunin und heute in einer ausdauernden Belagerungspartie gegen Tobias Jugelt machen nun einen deutlichen Unterschied.
Ein Punkt Vorsprung, das ist doch schon einmal etwas nach acht Partien. Damit ist das Titelrennen entschieden, denn in der Feinwertung kann niemand mehr am Nationalspieler vorbeiziehen. Tatsächlich zählt der ELO-Schnitt der Gegner als erstes Kriterium, und auch hier liegt Fridman um wenige Punkte vor Wagner und hat dazu im letzten Spiel der Meisterschaft noch den höher gewerteten Opponenten.
Diese Wertung kann sich also morgen nicht mehr ändern, und so ist der Ausgang dieser Meisterschaften gewiss.
Nun soll man ja nie zu früh gratulieren, und das aus gutem Grunde - aber in diesem Fall können wir sicher sein, dass ihm der verdiente Titel nicht mehr zu nehmen ist. Glückwünschen und Musik darum für Daniel Fridman, den neuen Deutschen Meister!
Die Paarungen an den vorderen Brettern lauten in der Schlussrunde wie folgt:
René Stern (5,5) - Daniel Fridman (7!)
Dennis Wagner (6!) - Felix Graf (5,5)
Vitaly Kunin (5,5) - Hagen Poetsch (5,5)
Matthias Blübaum (5,5) - Igor Khenkin (5,5)
Auch wenn der Titel schon vergeben ist, bleibt der Wettlauf um die zweiten und dritten Plätze spannend und völlig offen.
Groß-, Klein-, Salon- und Landesmeisterremisen sind derweil auch in dieser letzten Runde nicht zu erwarten. Wie Chessbase ermittelte, rangiert die Quote an Unentschieden hier in Verden bei gut 20% der Partien.
Für das Turnier gilt ja eine stramme Remisbeschränkung, so dass vor dem 40.Zug grundsätzlich keine Punkteteilungen vereinbart werden dürfen. Auch gut, für die Zuschauer gibt es dann mehr zu gucken, und die Spieler können gerade heute auch durch eine letzte lange Partie die Zeit bis zur Siegerehrung um 19 Uhr noch etwas überbrücken. Und dann, vielleicht, macht ja doch noch mal jemand Remis, irgendwo.
Einen besonderen Erfolg schon vor dem Ende des Turniers kann der junge Dmitrij Kollars vom SK Delmenhorst feiern.
15 Jahre alt und amtierender Deutscher U16-Vizemeister, hat er sich nach einem verdienten Remis gegen René Stern in der Auftaktrunde und einem dramatischen Angriffssieg gegen IM Martin Breutigam heute nun ein weiteres beeindruckendes Resultat erarbeitet - ein Remis der Stärke mit Schwarz gegen Igor Khenkin!
Es ist noch nicht ganz offiziell bestätigt, aber diese Ballung an starken Ergebnissen brachte Dmitrij vermutlich seine erste IM-Norm ein. The Force Awakens - herzlichen Glückwunsch dazu an dieser Stelle!
Da die Meisterschaft am Abend mit einem feierlichen Bankett und der Siegerehrung abgerundet wird, hat der erfahrene Turnierleiter Ralph Alt den Rundenbeginn schon von langer Hand auf 11 Uhr festgelegt. Die Lerchen und Frühaufsteher unter den Teilnehmern werden in dieser letzten Partie also gute Chancen haben, den Eulen und Nachtschwärmern im Feld Paroli zu bieten, die bislang immer den Vormittag nutzen konnten, um irgendwie versuchsweise in den Tag hineinzufinden.
Das wird morgen nicht mehr gehen, und so bietet diese neunte Runde eine Art Geste des guten Willens denjenigen Spielern gegenüber, die unter der Nachtschicht am vergangenen Sonntag zu leiden hatten - der Auftakt der Partien musste damals um vier Stunden nach hinten verlegt werden aufgrund einer mit dem Hotel nicht abgesprochenden Musik-Veranstaltung.
Das war nicht ganz einfach für Morgenmenschen, denn guter Sport bis weit nach Mitternacht ist ja nicht für jeden etwas. Morgen also ist es umgekehrt - sobald die Sonne aufgegangen ist, werden sich die Spieler wieder zum Schachbrett bewegen - im Frühtau zum Brette wir zieh´n. Vielleicht aber sollten die Kaffeevorräte in der Hotelküche vorher noch deutlich aufgestockt werden.
Um elf Uhr also geht es los - das große Finale in Verden!
Olaf Steffens
Olaf Steffens ist FIDE-Meister, wohnt in Bremen und spielt dort für den SV Werder II in der Oberliga Nord-West. Obwohl das Schachspiel eigentlich viel zu schwierig für ihn ist, versucht er es immer wieder und schreibt darüber zusammen mit anderen auf www.schach-welt.de.
Während der Deutschen Einzel-Meisterschaft 2014 schreibt er für den Deutschen Schachbund.
// Archiv: Nachrichten Olaf Steffens // ID 19190
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