Der große Artur Jussupow wird 65: „Wenn Du nach einer Partie nicht völlig fertig bist, hast Du nicht genug gemacht.“

13. Februar 2025

Ein Herz für Talente: Artur Jussupow

Den Vorteil seiner neuen Alterskategorie im Schach kann er schon in wenigen Tagen genießen. Dann startet GM Artur Majakowitsch Jussupow, der heute 65 Jahre alt wird, bei der Senioren-Mannschafts-WM in Prag für das Team "Lasker Schachstiftung GK" erstmals in der Kategorie Ü65. Sehr zur Freude seines Teamkapitäns Dr. Gerhard Köhler. Er bringt das Wesen von Artur Jussupow so auf den Punkt: „Er ist ein fantastischer Schachspieler, ein super sympathischer Mensch. Eine Freude, ihn dabei zu haben.“ Doch vor dem nächsten sportlichen Highlight im Leben des Schach-Tausendsassas Jussupow steht das Feiern, das Zurückblicken – und Gratulieren.

Lauterbach. "Ein starker Großmeister und ein augesprochen freundlicher Mensch"

Herzlichen Glückwunsch vom Deutschen Schachbund! Stellvertretend für den DSB sagt seine Präsidentin Ingrid Lauterbach: „Seit Artur in Deutschland ist, ist er eine feste Größe im deutschen Schach. Nicht wegzudenken als Spieler, er ist immer noch ein sehr starker Großmeister - aber auch als Trainer.“ Dazu sei er auch „ein ausgesprochen freundlicher Mensch, den ich sehr gerne mag“.

Schach, bis es weh tut: Mit starken Rückenschmerzen der Kopf der Silbermannschaft

Solche Einschätzungen hört das DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit oft, wenn es um Jussupow geht. Mit Blick auf seine extrem erfolgreichen Vita haben wir mal bei jenen nachgefragt, die 2000 bei der Schacholympiade in Istanbul den größten Teamerfolg der jüngeren Geschichte für den DSB errangen – die Silbermedaille (knapp hinter Russland) mit einem Team, das Jussupow anführte und für das er 8,5 Punkte aus 12 Partien holte. Keine einzige Niederlage für Jussupow – und das an Brett eins. Dahinter weitere Könner wie GM Dr. Robert Hübner (6,5 Punkte), GM Rustem Dautov (8,5), GM Klaus Bischoff (4,5), GM Christopher Lutz (5,5) und GM Thomas Luther (4,5). „Artur am Spitzenbrett war der Ruhepol der Mannschaft, sein Ergebnis war maßgeblich für viele Erfolge“, sagt Christopher Lutz, „insbesondere für die Silber-Medaille bei der Olympiade in Istanbul.

Diese Olympiade nennt auch Jussupow „einen tollen Erfolg, der vor allem der guten Atmosphäre zu verdanken war, die Bundestrainer Uwe Bönsch damals geschaffen hatte“. Es war ein Turnier, das laut Klaus Bischoff gut gezeigt hat, welch Teamplayer und Kämpfer Jussupow ist. „Geplagt von schweren Rückenschmerzen schleppte er sich mit unserer Hilfe immer wieder in den Spielsaal. Er hat sich hingesetzt und ist erst wieder aufgestanden, wenn die Partie zu Ende war“, so Bischoff. Schach, bis es weh tut. „Bis ich Artur kennengelernt habe, wusste ich gar nicht, dass es solche Spieler gibt: Die eine Partie nonstop berechnen und arbeiten. Zu mir hat er mal gesagt: Wenn Du nach einer Partie nicht völlig fertig bist, hast Du es nicht genug gemacht.“ Jussupow sei nach seinen Duellen oft sehr erschöpft gewesen und müde ins Bett gefallen, während andere noch zum Abendessen gingen.

Christopher Lutz kann das nur bestätigen: „Ich erinnere mich noch gut, als Artur nach Deutschland kam. Seinen Namen kannte ich schon von den Ergebnislisten vieler Top-Turnieren aus aller Welt in den 80er Jahren. Beginnend mit dem Turnier in Hamburg 1991, das er überlegen gewann, wurde Artur auch in Deutschland präsent. Gerade in unseren ersten gemeinsamen Partien in den 90er Jahren musste ich oft Arturs überlegenes Verständnis anerkennen. Erst später gelang es mir, die Ergebnisse etwas ausgeglichener zu gestalten.“ Er habe sehr schöne Erinnerungen an gemeinsame Trainingssitzungen, Turniere – und an den Menschen Jussupow. „Ich schätze seine ruhige, zurückhaltende Art, die auch mit einem feinen Humor gespickt ist. Seine Persönlichkeit als Spieler, Trainer und Mensch ist eine echte Bereicherung für das deutsche Schach.

Schacholympiade 2000: Artur Jussupow besiegt Rafael Waganjan

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Zwischen Attentat und Schachschule: Aus dem deutschen Schach ist er nicht wegzudenken

Herausragend ist auch sein Wissen, das er bis heute in seiner Schachschule an Talente weitergibt – gemeinsam mit seiner Frau WFM Nadja Jussupow, mit der er auch nach Deutschland übersiedelte - nachdem er im Mai 1990 bei einem Raubüberfall in Moskau lebensgefährlich verletzt wurde. Bis heute weiß er nicht, was der Grund für dieses Attentat in Moskau war: „Eines Morgens, kurz nach meiner Rückkehr vom Turnier in München, klingelte es an meiner Tür. Ich machte einen der größten Fehler meines Lebens: Ich öffnete. Kaum war die Tür offen, wurde ich von einem Schuss in den Bauch getroffen. Ich hatte Glück im Unglück, denn der Schuss hatte alle wichtigen Organe verfehlt.“ Ihm war klar: Er musste weg aus Russland, um sich und seine Familie zu schützen: Nadja war schwanger und in Deutschland hatte er viele Schach-Freunde. 1996 erhielt er die deutsche Staatsbürgerschaft, bereits 1991 wurde seine Tochter Ekaterina und 1993 sein Sohn Alexander geboren.

Jussupow gelang eine steile Karriere, in deren Verlauf seine beste Elo-Zahl (aktuell 2559) im Jahr 1995 bei 2680 lag. Damals lag er auf Platz elf der Weltrangliste. Allerdings war er 1986 und 1987 sogar bereits Dritter der Weltrangliste: „Ich hatte viele andere überholt und das für mich maximal Erreichbare geschafft. Denn ehrlich gesagt, waren Kasparov und Karpow in einer anderen Sphäre unterwegs.“ Obwohl er heute zugibt, damals nicht der Fleißigste gewesen zu sein, ging es im Grunde immer nur nach oben. Er nahm mehrmals an Qualifikationskämpfen für die WM teil – und erreichte dabei dreimal das Halbfinale, wo er 1986 an GM Andrei Sokolov, 1989 an GM Anatoli Karpow und 1992 an GM Jan Timman scheiterte.

Mit der sowjetischen Nationalmannschaft nahm er zwischen 1982 und 1990 an fünf Olympiaden teil – es folgten fünf weitere Teilnahmen für das DSB-Team zwischen 1994 und 2006. Die Mannschafts-WM gewann er 1985 mit der Sowjetunion, außerdem den Team-EM-Titel 1980 und 1983. Mit der deutschen Mannschaft erreichte er bei der Mannschaftseuropameisterschaft 1997 den fünften und bei der Mannschafts-EM 1999 den dritten Platz.

Er spielt in der Bundesliga für die SG Solingen und – an der Seite von Klaus Bischoff – auch lange Jahre für Bayern München. Zudem bei Vereinen in Österreich, Frankreich, Niederlande und der Schweiz. 2005 wurde er in Basel Europameister im Schnellschach und gewann in Altenkirchen die Deutsche Einzelmeisterschaft.

Bis heute arbeitet er, der im Alter von sechs Jahren die Schachregeln von seinem Vater erlernte, sehr erfolgreich als Trainer, Kommentator und Buchautor. Zahlreiche Talente hat er gefördert, darunter auch GM Vincent Keymer und GM Elisabeth Pähtz. Für seine Nachwuchsarbeit wurde er (gemeinsam mit Gattin Nadja) auch 2020 als Trainer des Jahres vom DSB ausgezeichnet. Er hat einmal erklärt, woran er große Talente erkennen könne: „an leuchtenden Augen beim Schach“, sagte er. Wenn Artur Jussupow am Brett sitzt, leuchten seine Augen immer noch. (mw)

// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36294

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