23. September 2024
Am Ende der Generalversammlung der FIDE war Ingrid Lauterbach, die Präsidentin des Deutschen Schachbundes, zufrieden. Die Rückkehr von Russland und Belarus mit Fahne und Hymne an die internationalen Schachbretter wurde verhindert. Ein Kraftakt.
„Aber einer, der sich gelohnt hat“, sagte Lauterbach vor ihrer Abreise aus Budapest am Montag. Einhelliger Tenor in der Schachwelt: Die DSB-Präsidentin habe einen großen Erfolg auf sportpolitischer Ebene errungen. Schließlich war es der Deutsche Schachbund, der in der Russland-Frage als erster Verband klar Stellung bezogen – und in der Folge Allianzen geschmiedet hatte. Letztlich hatte auch Lauterbachs Einschalten des Dachverbandes ARISF (Association of IOC Recognised International Sports Federations) und eine damit verbundene Positionierung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) den Druck auf den russischen FIDE-Präsidenten Arkady Dvorkovich vergrößert.
Die Vernunft habe bei den Delegierten gesiegt in der Frage, ob ein Antrag der kirgisischen Schachunion (KCU), mit Unterstützung der Schachföderation Russlands (CFR), durchgeht: Die Rückkehr russischer und belarussischer Spielerinnen und Spieler an internationale Bretter ohne Einschränkungen zu ermöglichen. Der Deutsche Schachbund versuchte dies seit Bekanntwerden des Antrags am 23. August zu verhindern. Auch mit Verweis auf die IOC-Regeln, die derzeit auch im Schach angewandt werden: Russische und belarussische Sportler dürfen nur als neutrale Athleten antreten – ohne Flagge und Hymne.
Die Delegierten in Budapest hatten drei Optionen:
66 Delegierte stimmten für die erste Option, 41 für die zweite und 21 für die dritte. Es gab elf Enthaltungen und 60 Abwesende. Zu den Ablehnenden gehörten nahezu alle europäischen Verbände, aber auch Nationen wie die USA, Kanada und Südkorea. Der FIDE-Rat wird nun mit dem IOC und dem IPC) über die mögliche Teilnahme von Schachspielern aus Russland und Belarus sprechen, in den Kategorien Kinder unter zwölf Jahren und Athleten mit Behinderungen.
Nimmt man die Haltung des IOC, dürfte es sich hier um einen Pro-Forma-Akt handeln – allenfalls dürften nach dem Vorbild der Paralympics in Frankreich mehr behinderte russische und belarussische Athleten als bisher zugelassen werden. Als neutrale Athleten, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Alles andere, so Lauterbach, „wäre ein Einfallstor, das geschlossen bleiben muss“.
„Es war anstrengend, aber der Einsatz hat sich gelohnt“, so Ingrid Lauterbach. Sie hatte rund um die FIDE-Generalversammlung viele Gespräche und Interviews zu dem Thema geführt. Unter anderem hatte sie Samstagabend im Deutschlandfunk die Wichtigkeit der Entscheidung betont. Diese beinhalte eine moralische Seite mit uneingeschränkter Solidarität zu der von Russland angegriffenen Ukraine – und ein Verteidigen der Olympischen Werte und Regeln. „Es geht darum, dass der Weltverband nicht international isoliert wird“, so Lauterbach, „eine andere Entscheidung hätte uns Schachspieler in der Sportwelt ins Abseits manövriert.“
"Nach sorgfältiger Abwägung ist die Mehrheit der Mitglieder des FIDE-Rates zu dem Schluss gekommen, dass die gegenwärtigen Umstände keine ausreichenden Gründe bieten, um die Anträge der kirgisischen Schachunion zu unterstützen", hieß es in einem FIDE-Statement zum Russland-Thema.
Zufrieden war Ingrid Lauterbach auch, weil eine andere Entscheidung im Sinne der europäischen Verbände ausfiel: die Wahl des Vorsitzes zur FIDE-Ethik- und Disziplinarkommission. Im zweiten Wahlgang wurde Yolander Persaud aus Guyana mit 86 zu 75 Stimmen vor dem pro-russischen Rumänen Daniel Florea gewählt. Kurz und knapp: der Vorsitz der Ethikkommission bleibt nun unabhängig. „Auch das ist eine sehr gute Nachricht für den internationalen Schachsport“, so Lauterbach. (mw)
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 11515