28. September 2012
Am vergangenen Wochenende erlebten zahlreiche Kiebitze und Fans Schachsport auf höchster Ebene. Den Verantwortlichen der Schachabteilung des TV war es gelungen die Deutschen Schnellschachmeisterschaften nach Geiselhöring zu bringen. Erstmalig konnten die Meisterschaften der Frauen und Männer gleichzeitig stattfinden. Möglich machte dies der geräumige Spielsaal im Pfarrheim St. Peter.
Das Turnier war voller Überraschungen. Dramatik pur spielte sich am Ende sowohl bei den Frauen wie auch bei den Männern ab: Die Entscheidung musste zwischen den beiden Führenden in einem Blitzentscheid ausgetragen werden. Sieger bei den Herren und Deutscher Schnellschachmeister wurde der FIDE-Meister Torsten Lang vom SK Landau in der Pfalz vor dem Internationalen Meister Jens Kotainy von den Sportfreunden Katernberg. Siegerin bei den Damen wurde die FIDE-Meisterin Stefanie Schulz vom SK König Tegel Berlin vor Polina Zilberman von Makkabi Heidelberg.
Sicher hat Schach nicht so sehr den Zulauf oder ein großes Publikum wie andere Sportarten; doch auch hier gibt es Wettkämpfe und Meisterschaften, geht so manches Turnier an die körperliche wie mentale Substanz der Schachspieler. Dies konnte man am Samstag und Sonntag im Pfarrsaal St. Peter in Geiselhöring bei den Deutschen Schnellschachmeisterschaften der Frauen und Männer gut beobachten.
Zum wiederholten Mal fanden die Meisterschaften der Frauen und Männer gleichzeitig statt. Bereits am Samstag, vereinzelt sogar schon am Freitag, waren die Spieler und Spielerinnen der deutschen Schachelite aus ganz Deutschland angereist, um sich noch einige Sehenswürdigkeiten anzusehen. Geiselhöring, die „lebendige Stadt mitten im Grünen“, ist bekannt durch das Freilichtspiel "Eva Plennningerin", das die rauen Verhältnisse im 30-jährigen Krieg thematisiert, den Wallfahrtsort Haindling ganz in der Nähe, seine Schäffler und zahlreiche Sport-, Kultur- und Freizeitmöglichkeiten.
Ein gemeinsames Abendessen am Samstag diente dem gegenseitigen Kennenlernen. So mancher konnte da Interessantes von den entlegensten Orten Deutschlands erfahren. In ihren Landesverbänden hatten sich die Spieler und Spielerinnen über die Schach-Bezirksverbande erst für die „Deutsche“ zu qualifizieren. Dem Abteilungsleiter der Schachabteilung des TV Werner Schubert, der auch noch voll im Einsatz als Spielleiter des Schach-Bezirksverbands Niederbayern ist, ist es zu verdanken, dass die Stadt Geiselhöring zwei Tage lang eine echte „Deutsche“ Schachmeisterschaft miterleben konnte. Viele Zuschauer und Schachenthusiasten machten sich nach Geiselhöring auf und verfolgten das Geschehen an den Brettern live.
Zahlreiche organisatorische Aufgaben waren im Vorfeld zu bewältigen und auch die Abwicklung der Meisterschaft selbst am Samstag und Sonntag erforderte so manches Geschick; doch Schubert und seine zahlenmäßig eher kleine Schachabteilung des TV meisterten diese Aufgaben mit Bravour.
Dies brachte bei der Siegerehrung am Sonntag auch der Internationale Schiedsrichter und Bundesturnierdirektor Ralph Alt zum Ausdruck, als er der Schachabteilung des TV eine hervorragende Organisation und eine optimale Verpflegung mit Kaffee, Kuchen, Torten, kühlen Getränken oder belegten Brötchen und Canapés bescheinigte. Auch Streitfälle hatte er als Gesamtturnierleiter kaum zu lösen, lediglich eine Regelvorschrift wurde nachgefragt. Der Abteilungsleiter der Schachabteilung des TV Werner Schubert bedankte sich bei den Spielern und Spielerinnen für ihren fairen Sportsgeist und hoffte, dass der Aufenthalt in Geiselhöring bei ihnen stets gute Erinnerungen wecke. Vor allem dankte er seinem Organisationsteam, dass alles im Vorfeld und dann während der Meisterschaften so reibungslos und unproblematisch über die Bühne gehen konnte.
Schirmherr Bürgermeister Bernhard Krempl verwies auf inzwischen stolze 88 Jahre der Schachabteilung. „Es gibt nur wenige Schachabteilungen, die auf ein derartiges Alter zurückblicken können, Gründungsjahr war 1924, aber durch stete Verjüngung und vor allem eine hervorragende Jugendarbeit ist die Schachabteilung immer jung geblieben.“ Der Schirmherr dankte allen Verantwortlichen der Schachabteilung für die Durchführung der Meisterschaften und überreichte Turnierleiter Alt ein Erinnerungsgeschenk. Eine Deutsche Meisterschaft zu veranstalten und zu finanzieren sei nicht alltäglich und erfordere Mut, so Krempl. Die Stadt Geiselhöring könne stolz auf ihre Schachabteilung sein. Eine kleine Spende hatte der Schirmherr daher für den Veranstalter dabei, die er stellvertretend dem Abteilungsleiter überreichte.
Gespielt wurden 11 Runden im Schweizer System mit einer Bedenkzeit von 25 Minuten und zusätzlich fünf Sekunden pro Zug nach der Bronstein-Zeitregelung für jeden Spieler und jede Spielerin. Die Zuschauer konnten so schnell erkennen, wer gerade das Turnier anführte. Am Samstag wurden sechs und am Sonntag noch die restlichen fünf Runden gespielt.
Gesamtturnierleiter und Turnierleiter bei den Männern war der Internationale Schiedsrichter Ralph Alt; Walter Kiendl vom TV unterstütze Alt als Co-Turnierleiter bei den Frauen. Das Turnier bei den Herren wies eine Spielstärke von durchschnittlich 2236 Elo-Punkten auf, wobei ein Spieler keine internationale Elozahl hatte, was etwa der internationalen Kategorie eins entspricht und hatte national die ansehnliche Spielstärke von durchschnittlich 2275 DWZ-Punkten.
Das Turnier bot einige Überraschungen. So konnten sich bei den Herren die sechs Internationalen Meister nicht so durchsetzen, die 12 nationalen FIDE-Meister und auch die Spieler ohne Titel boten ihnen teilweise erheblichen Widerstand. Trotzdem konnte sich in dem Feld der 26 Spieler mit Hannes Knuth von den SF Schwerin erst an Platz 11 der erste Nicht-Titelträger platzieren. Auch der letztjährige Sieger der Deutschen Schnellschachmeisterschaft der Männer in Forchheim und Internationale Meister Hagen Poetsch vom Wiesbadener SV, der im Vorjahr in einem Blitz-Entscheid den punktgleichen Internationalen Meister René Stern vom SK König Tegel Berlin besiegte, konnte sich nicht wie gewohnt behaupten. Einige Unentschieden und dann eine Niederlage gegen den Zweitplatzierten und Internationalen Meister Jens Kotainy warfen ihn etwas zurück, ehe er dann doch noch den vierten Platz erreichte. Der Internationale Meister René Stern, mit der besten internationalen Elo-Zahl von 2517 und besten nationalen DWZ-Wertung 2486, der nationalen Rangliste im Schach, angereist, hingegen landete nach vermeidbaren Niederlagen etwas abgeschlagen auf den zehnten Platz.
Ein großartiges Turnier spielte der bayerische Vertreter und Internationale Meister Thomas Reich vom FC Bayern München. Lange hielt er sich in der Spitzengruppe, ehe ihn eine Niederlage zurückwarf. Am Ende wurde er Fünfter, womit er noch einen der begehrten Geldpreise erhielt. Einen Blitzstart par excellence erwischte der FIDE-Meister Christoph Pfrommer von den Karlsruher SF 1853. Am Ende wurde er aber noch abgefangen und landete schließlich auf dem dritten Platz. Der FIDE-Meister Torsten Lang vom SK Landau in der Pfalz startete zwar etwas verhalten, steigerte sich aber von Spiel zu Spiel und beendete das Turnier am Ende ohne Niederlage.
Die Überraschung des gesamten Turniers war aber der erst 18-jährige Internationale Meister Jens Kotainy (Elo 2413, DWZ 2405) vom Bundesligisten Spfrd. Katernberg 1913. Erst in diesem Jahr konnte er die letzte Norm als Internationaler Meister erfüllen. Mit einer unvergleichlichen Angriffsstärke und seiner jugendlichen Unbeschwertheit stürmte er geradezu durch das Turnier und konnte am Ende genauso viel Punkte wie der Erstplatzierte aufweisen. Nach dem Reglement bedeutete dies einen Blitzentscheid, d.h. es mussten Fünf-Minuten-Blitzpartien „best of three“ gespielt werden. Die Dramatik erreichte dabei seinen Höhepunkt, als Lang zum 1:1 ausgleichen konnte und die dritte entscheidende Blitzpartie unentschieden endete. In der vierten verließen dann den noch jungen Kotainy die Nerven und er verlor unglücklich. An sich hätte das Turnier zwei erste Sieger bei den Männern verdient gehabt. So aber wurde Lang Erster und Kotainy Zweiter.
Werner Schubert und Michael Popp vom TV Geiselhöring hatten einen Freiplatz als Veranstalter erhalten. Schubert (DWZ 1956) erreichte den hervorragenden 23. Platz, Popp nur den undankbaren 26. Platz.
Erstmals fanden gleichzeitig dazu die Schnellschachmeisterschaften der Frauen statt. Der DWZ-Durchschnitt lag bei 1868 DWZ-Punkten, ein für ein Damenturnier starker Wert. Sandra Ulms von der Schachgemeinschaft Leipzig mit der stärksten internationalen Elozahl von 2139 und der besten DWZ von 2171 konnte im Vorjahr in Echzell erneut ihren Deutschen Meistertitel im Schnellschach verteidigen und strebte nun in Geiselhöring ihren vierten Erfolg in Folge an. Aber sie musste nach einem guten Start drei unerwartete Niederlagen einstecken, die sie weit im Feld der 22 Spielerinnen zurückwarfen. Sie konnte sich zwar am Schluss noch fangen und der bis dahin souverän agierenden Führenden Stefanie Schulz (Foto rechts) die einzige Niederlage zufügen; am Ende blieb für die Titelverteidigerin aber nur der etwas enttäuschende achte Platz.
Die Internationale Meisterin Martina Beltz (Elo 2097, DWZ 1948) von der SG Leipzig und die sechs FIDE-Meisterinnen Bergit Brendel vom SC Frankfurt-West, Stefanie Schulz vom SK König Tegel Berlin 1949, Katrin Dämering vom SC Leipzig-Lindenau, Dr. Anita Stangl vom FC Bayern München, Martina Skogvall vom SF Berlin 1903 und Heike Germann vom SV Marzahna 57 machten sich große Hoffnungen auf den Titel. Schwer enttäuschten dabei Martina Skogvall (10. Platz), Martina Beltz (13. Platz) und Heike Germann, die am Ende gar nur auf dem 17. Platz landete. Überraschen konnte aber die erst 15-jährige Alina Zahn vom SV Empor Erfurt, die in einem dramatischen Finish der Titelverteidigerin Sandra Ulms eine Niederlage beibringen konnte und am Ende in dem spielstarken Feld den hervorragenden sechsten Platz erreichte.
Die letztjährige Zweite Polina Zilberman muss wohl mit dem Manko der „ewigen Zweiten“ leben. Nach einem hervorragenden Turnier erreichte sie ebenso viele Punkte, wie die bis dahin führende FIDE-Meisterin Stefanie Schulz vom SK König Tegel Berlin 1949. Ein Blitzentscheid wie bei den Männern musste für die Entscheidung sorgen; am Ende konnte sich Schulz mit zwei Gewinnpartien im Blitzen klar durchsetzen. Dritte wurde ebenfalls mit großem Abstand die FIDE-Meisterin Bergit Brendel vom SC Frankfurt-West.
Die Vertreterin Niederbayerns, Regina Heyne, die für den FC Bayern München startete, konnte in der letzten Runde noch der drittplatzierten Brendel einen halben Punkt abringen und wurde hervorragende Zwölfte. Die ersten Drei bei den Frauen und die ersten Fünf bei den Männern erhielten Geldpreise aus dem Preisfonds, der auch von einigen Sponsoren zur Verfügung gestellt werden konnte.
Die Sieger bei den Frauen und Männern. Von links: Schirmherr Bürgermeister Bernhard Krempl, FM Torsten Lang (1.), Turnierleiter und Internationaler Schiedsrichter Ralph Alt, IM Jens Kotainy (2.), FM Christoph Pfrommer (3.), WFM Stefanie Schulz (1.), IM Hagen Poetsch (4.), WFM Bergit Brendel (3.), IM Thomas Reich (5.), Polina Zilberman (2.), Organisator und Abteilungsleiter des TV Geiselhöring Werner Schubert, Co-Turnierleiter Walter Kiendl.
Erich Kreilinger
(Redaktionell bearbeitet)
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 545