16. April 2025
Es kann ja nur eine Devise geben: Enttäuschung schnell abhaken – und weiter. Schachspieler können nicht lange in der Vergangenheit leben. „Es geht weiter. Jana und ich freuen uns jetzt auf das grenke-Open“, sagte WGM Josefine Heinemann, direkt nach der Einzel-Europameisterschaft. Gemeinsam mit WGM Jana Schneider und anderen deutschen Nationalspielern und Nationalspielerinnen (siehe Liste unten) spielt sie ab dem morgigen Gründonnerstag (bis Ostermontag) bei einem Event der besonderen Art. Im Grunde ist bis auf wenige Ausnahmen wie GM Elisabeth Pähtz, die erst Interesse bekundete, dann aber dem Veranstalter mitteilte, sie benötige eine Pause, das Who ist Who des deutschen Spitzenschachs am Start. Mit über 3000 Anmeldungen vermeldet das grenke-Schachfestival in Karlsruhe eine neue Rekordteilnehmerzahl. Was auch daran liegen dürfte: Parallel finden gleich zwei attraktive Turniere statt: das grenke Open und ein neues grenke Freestyle-Chess-Open. In jedem Format gibt es jeweils drei Leistungsklassen. Und erstmals können Breitensportler im Freestyle A-Open auf Top-Stars wie GM Magnus Carlsen treffen. Amateure und Profis unter einem Dach, an denselben Brettern. „Es ist sogar sehr wahrscheinlich“, sagt GM Sebastian Siebrecht, offizieller Titel Chief Chess-Officer Freestyle-Chess, im Gespräch mit dem DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit, „dass Magnus am Anfang auf Spieler trifft, die um die 2200 Elo haben.“
Das Ziel, laut Siebrecht: „Wir wollen uns für alle öffnen. Die offene Tür für Spieler aller Spielstärken war ja schon immer das Prinzip von grenke – wir leben es im Freestyle mit.“ Pause. „Und das Schöne war, dass Magnus sofort gesagt hat: Das kann richtig Spaß machen. Ich musste null Überzeugungsarbeit bei ihm leisten, als ich das Format vorgeschlagen habe.“ Im Grunde hatten er und der Veranstalter auch kaum eine andere Wahl: grenke wollte wieder Carlsen haben, Carlsen selbst spielt aktuell kein traditionelles Schach mehr – und da Karlsruhe kein Grand-Slam-Standort im Freestyle ist, blieb im Grunde nur dieses Modell. „Für uns ein Top-Produkt“, sagte Siebrecht, „mal sehen, wie es dann letztlich angenommen wird.“
Unter den angemeldeten Teilnehmern im A-Open sind neben der norwegischen Nummer eins der Welt auch noch GM Fabiano Caruana (Nummer drei der Welt), GM Arjun Erigaisi (Nummer vier), GM Vincent Keymer (Deutschlands Nummer eins) und GM Hans Niemann, der Sieger des Grenke Open 2024 – wenn er denn diesmal kommt. Zuletzt sagte er für das Grand-Slam-Turnier in Paris unter nebulösen Umständen ab. Im Pariser Finale besiegte Carlsen jetzt den US-Amerikaner GM Hikaru Nakamura. Keymer erreichte Rang vier. Er unterlag um Platz drei gegen den US-Amerikaner Caruana. Es waren jedoch extrem enge Partien.
Alle Partien der drei Freestyle-Chess-Opens fließen in die neue Wertung für die Freestyle-Weltrangliste. Carlsen hat da die Gesamtführung bei der Grand-Slam-Tour (40 Punkte) inne - vor Keymer (37 Punkte) und Caruana (33). Siebrecht: „Vincent ist in diesem Format aktuell sehr stark unterwegs, vielleicht stärker als alle anderen.“ Er habe längst verinnerlicht, „worauf es ankommt“. Keymer formuliert es gegenüber dem DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit so: "Die Freestyle-Turniere sind mir aus mehreren Gründen sehr wichtig. Zunächst führen sie zu einer öffentlichen Aufmerksamkeit für Schach, die andere Turniere – vielleicht ausgenommen die Weltmeisterschaftskämpfe – nicht erreichen können. Das geht meiner Meinung nach genau in die richtige Richtung: Schach muss noch populärer werden. Die hohen Preisgelder sind zuerst einmal eine schöne Bestätigung dafür, dass die sportliche Tätigkeit als Schachspieler eine hohe Wertschätzung erfährt."
Für die Freestyle-Veranstalter um Jan Henric Buettner ist der Stopp in Karlsruhe eine Art Experiment. Überhaupt wird noch sehr viel ausprobiert. So gab Buettner gibt bekannt, dass der nächste Halt nicht in New York sein werde, sondern im Juli Las Vegas. Das Turnier wird von acht auf fünf Tage verkürzt, um die Fernsehpräsenz zu erhöhen. Die 90+30 Spiele werden auf 45+10 reduziert, sodass zwei Spiele an einem Tag stattfinden können. „Wir werden das Format dynamisch halten, immer wieder verbessern und bekannter machen, auch in Deutschland“, hatte Buettner dem DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit gesagt. Dazu gehört auch der Test mit dem Breitensport-Mix in Karlsruhe.
„Das gibt es doch in dieser Form kaum noch“, so Siebrecht: „Amateure und Superstars in einem Turniersaal.“ Dass natürlich auch das Preisgeld im Freestyle ein großer Anreiz ist – keine Frage. Wobei, allen Amateuren sei „bestimmt klar, dass sie an den großen Topf nicht rankommen werden“, so Siebrecht mit einem Lächeln. Zum Vergleich: Im klassischen Grenke Open gibt es zwar mit insgesamt 70.000 Euro auch viel zu gewinnen – aber halt weniger als im neuen Freestyle-Wettbewerbe. Da beträgt der Preisfonds insgesamt 225.000 Euro. 60.000 Euro erhält allein der Sieger, der Zweite immerhin noch 40.000 Euro und 30.000 Euro der Dritte. Kein Wunder, dass die besten deutschen Spieler ihr Glück in diesem Wettbewerb versuchen wollen.
Wenn man so will, könnte man sagen. Da sind jede Menge Werbungskosten drin. „Wenn es gut läuft“, hofft Siebrecht auf den weiteren Siegeszug von Freestyle, „wird es weitere Turniere in diesem Format geben. Einige Turniere, die aktuell in traditioneller Form existieren, haben bereits ihr Interesse bekundet.“
In jedem Fall wartet auf die Spieler, Spielerinnen und Fans im Kongresszentrum Karlsruhe vom 17. bis 21. April ein Mammut-Turnier – das größte seiner Art weltweit. Turnierdirektor Sven Noppes nennt die Teilnehmerzahl „überwältigend. Karlsruhe wird für fünf Tage zum Nabel der Schachwelt. Jeder, der Schach liebt, sollte es erleben". Veranstalter: Schachzentrum Baden-Baden e.V., in Zusammenarbeit mit Freestyle Chess Operations GmbH. (mw)
Die DSB-Spieler und -Spielerinnen auf einen Blick (mit ihren Startlistenplätzen), in beiden Turnieren:
Männer:
Frauen:
Weitere Informationen: www. grenkechessopen.de
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36372