5. September 2017
Am 2. September startete mit der Eröffnungsveranstaltung in der georgischen Hauptstadt Tbilissi der FIDE-Weltcup 2017. 128 Spieler, die diverse Qualifikationen dafür erreichen mußten, kämpfen im K.o.-System um zwei begehrte Plätze für das Kandidatenturnier 2018. Im Kandidatenturnier wird der Herausforderer für Weltmeister Magnus Carlsen ermittelt. Der Norweger bräuchte nicht in Tbilissi spielen, ist aber trotzdem dabei. So bekam der Nigerianer Oluwafemi Balogun gleich zweimal die Chance gegen den besten Schachspieler unseres Planeten anzutreten. Von seiner 0:2-Niederlage wird er wahrscheinlich noch in -zig Jahren schwärmen.
Aus deutscher Sicht sehr erfreulich ist die Teilnahme von gleich vier Spielern, die sich über die letzten beiden Europameisterschaften qualifiziert hatten: Liviu Dieter Nisipeanu, Witali Kunin, Daniel Fridman und Matthias Blübaum. Der 20-jährige Lemgoer hat als Erster die nächste Runde erreicht. Bundestrainer Dorian Rogozenco mailte uns aus Georgien: "Matthias hat gegen Mareco (Argentinien, Elo 2649) in der zweiten Partie mit Weiß souverän gewonnen. Sein morgiger Gegner ist kein Geringerer als der Achtplatzierte der Weltrangliste, Wesley So!"
Von den anderen drei deutschen Spielern haben noch zwei heute die Chance in den Partien mit verkürzter Bedenkzeit in die nächste Runde einzuziehen. Nur für Witali Kunin ist bereits alles vorbei. Er hatte mit Le Quang Liem aber auch einen übermächtigen Gegner. Dorian Rogozenco: "Witalihatte gute Chancen gegen den klar favorisierten Le Quang Liem (Vietnam, Elo 2739). Nach einem Remis in der ersten Partie, hatte er gestern mit Schwarz eine sehr scharfe Variante gewählt. Sein Gegner reagierte zu kreativ, so dass Witali nach dem unnötigen Damenopfer seines Gegners sogar Vorteil erhielt. Leider war sein Wunsch der Stellungsvereinfachung falsch und obwohl das letztlich entstandene Endspiel Remis sein sollte, war es für Schwarz deutlich schwieriger zu spielen."
Dorian Rogozenco: "Daniel Fridman und Liviu Dieter Nisipeanu haben beide je zweimal remisiert: Daniel gegen Daniil Dubow (Russland, Elo 2666) und Dieter gegen Samuel Sevian (USA, Elo 2620), jedoch auf verschiedene Art und Weise. Daniel hatte seine beiden Partien sehr sicher angelegt und relativ schnell remisieren können. Bei Nisipeanu war es anders. In der ersten Partie hatte er mit Schwarz nichts anbrennen lassen und die Partie sicher und einfach remisieren können. In seiner zweiten Partie erreichte er nach der Eröffnung mit Weiß angenehmen Vorteil. Man könnte somit sagen, dass eigentlich alles für ihn „nach Plan“ verlief. Dann machte er jedoch in einer sehr konkreten und scharfen Stellung zwei unerwartete Fehler nacheinander (16.exf5 und 17.Se5), was die Stellungseinschätzung schlagartig änderte: Plötzlich stand Weiß nicht nur schlecht, sondern im höheren Sinne sogar auf Verlust. Der amerikanische Großmeister spielte lange Zeit sehr genau und hatte es geschafft entscheidenden Vorteil zu erringen. In verlorener Stellung kämpfte Nisipeanu wie ein Löwe und nach 69 Zügen gelang es im letztendlich doch noch die Partie ins Remis zu führen, da der Amerikaner, vermutlich am Ende mit seinen Nerven, weitere Gewinnversuche einstellte. Allerdings muss ich an dieser Stelle hinzufügen, dass es nicht so einfach war wie es aussah bzw. die Engine zeigte. In der Schlussstellung müsste Schwarz seinen Läufer abgeben, mit dem König auf die a-Linie fliehen und am Ende eine Stellung mit Turm gegen 3 Bauer spielen. Das alles auch noch mit beiden Damen auf dem Brett, mit „nacktem“ König und mit nur 30 Sekunden pro Zug. Vor 13 Jahren habe ich selbst eine ähnliche Stellung mit 3 Bauern für den Turm gegen GM Lanka gehabt und ich erinnere mich, dass obwohl die Stellung objektiv schlechter war, ich es war, der auf Gewinn spielte. Die Erklärung ist einfach: mit dem sicherem König ist es ist praktisch gesehen viel einfacher zu spielen. Ich denke, dass Sevian die richtige praktische Entscheidung getroffen hat und bereue es sogar, dass er nicht weiter „auf Gewinn“ spielte.
Drücken wir heute den deutschen Spielern die Daumen!"
Zwei Frauen sind in Tbilissi dabei. Die Europameisterin Nana Dsagnidse (Georgien) mußte gegen Anish Giri antreten und hielt sich mit ½:1½ wacker. Für den Polen Kacper Piorun, der bei den Schachfreunden Berlin in der Bundesliga spielt, notierten die Schiedsrichter gegen die Weltmeisterin Hou Yifan das gleiche Ergebnis. Diesmal allerdings mit der größeren Zahl auf Seite der Chinesin. Yifan bekommt es in Runde zwei mit Lewon Aronjan zu tun. Ein sicher sehr spannendes Duell, was die Kiebitze vor die Bildschirme locken wird.
Einen frühen Feierabend hatte der an 25 notierte Ukrainer Pawel Eljanow. Er unterlag dem in Russland geborenen Alex Lenderman (USA) glatt mit 0:2. Bisher die Sensation der ersten Runde.
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Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 22330