29. November 2011
Garri Kasparow hat viele Projekte: Er engagiert er sich für demokratischere Verhältnisse in Russland, hält Vorträge, spielt gelegentlich Schaukämpfe und Simultanvorstellungen, hat gerade ein Buch über Innovation verfasst (das im Frühjahr auf Englisch erscheint) und coacht den amerikanischen Weltklassespieler Hikaru Nakamura. Sein wichtigstes Anliegen lautet aber derzeit, Schach in die Schulen zu bringen, wie Kasparow bei einem Gespräch mit Vertretern der Deutschen Schachjugend, der Deutschen Schulschachstiftung und des Deutschen und Österreichischen Schachbundes in München überzeugend darlegte.
Nachdem der von ihm unterstützte Anatoli Karpow die FIDE-Präsidentschaftswahl 2010 verloren hatte, stellte sich Kasparow vor einem Jahr die Frage, ob er sich im Schach überhaupt noch engagieren sollte. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Dasha kam er auf Schulschach. Neben der Einsicht, dass sich die FIDE auf diesem Gebiet schwer tat, gab es ein familiäres Motiv: Ihre gemeinsame Tochter ist jetzt fünf und sollte das Spiel lernen.
Es gab bereits eine Basis mit der Kasparov Chess Foundation, einer 2002 in den USA gegründeten Firma, deren Materialien für den Schachunterricht schon an etwa 3500 Schulen Verbreitung gefunden haben und in der sich Dasha Kasparowa nun verstärkt engagiert. Außerdem war ein Geldgeber an der Hand, um mit dem Thema in Europa Fuß zu fassen: Jan Callewaert. Der belgische Industrielle sponsert die im Juni ins Leben gerufene Kasparov Chess Foundation, die ab Dezember in Brüssel ein Büro unterhält.
Ihr strategisch wichtigstes Ziel ist, die Mehrheit der EU-Parlamentarier für Schach in den Schulen zu gewinnen. Ihre Kernbotschaft lautet, dass Schach sich als pädagogisch vielfältig einsetzbares Werkzeug eignet und gerade Kinder im Grundschulalter in verschiedenen Dimensionen profitieren.
In den letzten Wochen traf Kasparow Bildungspolitiker in Großbritannien, Frankreich, Brasilien, Südafrika, Georgien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Lateinamerika und Afrika sind weitere Ableger in Vorbereitung. Die Stiftung soll bald global agieren. Sie will gedrucktes und digitales Lehrmaterial in mehreren Sprachen zur Verfügung stellen, aber auch Lehrer und Lehrerinnen unterstützen, die bereits etabliertes Material nutzen.
Für jede wichtige Sprache soll eine Plattform für Unterrichtsmaterial und die Unterstützung der Schachlehrenden geschaffen werden.
In diesem Zusammenhang zeigten sich die Kasparows sehr interessiert am
Methodenkoffer der Deutschen Schachjugend und ließen sich die
einzelnen Methoden erläutern.
Zentral sei der Austausch von Informationen und Erfahrungen, betont Kasparow, der nach eigener Aussage keine persönlichen finanziellen Interessen verfolgt. Zu seinem Bedauern gibt es in keinem Land, in dem er bisher war, repräsentative Zahlen über die bisherige Verbreitung von Schach an Schulen. Auch daran will seine Stiftung etwas ändern.
Kasparow über sein Schulschach-Engagement in der FAZ
Kasparov Chess Foundation Europe www.kcfe.eu
Stefan Löffler
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 147