„Grandiose Leistung!“ Wenn die Bundesministerin Lisa Paus der Weltmeisterin Brigitte Burchardt gratuliert – dann löst das bei ihr gemischte Gefühle aus

10. Dezember 2024

Seniorenweltmeisterin Brigitte Burchardt und Ministerin Lisa Paus

„Herzlichen Glückwunsch für diese grandiose Leistung!“ Die neue Senioren-Weltmeisterin WGM Brigitte Burchardt hat ein Sonderlob aus berufenem Munde erhalten – und darauf kritisch reagiert. Der Glückwunsch kommt jedenfalls direkt aus dem Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – von Ministerin Lisa Paus, via Social Media. Dabei nimmt Lisa Paus auch Bezug auf ein Interview, dass Brigitte Burchardt dieser Tage dem Tagesspiegel gegeben hat. Da stellt sie mit Blick darauf, dass sie schon häufig Männer besiegt hat (im Schach ein fast alltäglicher Vorgang), fest: „Warum sollten Mädchen schlechter sein als Jungs?“ Antwort Paus: „Wie recht Sie damit haben.“ Brigitte Burchardt fand das, nun ja: nicht so richtig dolle.

Vorneweg: Der Glückwunsch von der Regierungsbank ist aus Sicht des Deutschen Schachbundes noch einmal eine bemerkenswerte Würdigung einer erfolgreichen DSB-Sportlerin. Eine schöne Geste. Burchardt selbst hat die warmen Worte mit anderer Gefühlsregung zur Kenntnis genommen. „Naja“, sagt sie, „auf mich hat das jetzt nicht so große freudige Wirkung. Ich habe eher gemischte Gefühle.“ Brigitte Burchardt hat geärgert, dass Lisa Paus aus dem Tagesspiegel-Interview einen Aspekt herausgegriffen hat – so, wie es natürlich bei Social Media häufig passiert. Es ging um den Kampf Mann gegen Frau im Schach, die alte und doch ewig junge Diskussion. „Das ist immer auch meine Motivation geblieben“, hatte Brigitte Burchardt dem Tagesspiegel gesagt, „warum sollten Mädchen schlechter sein als Jungs? Ich habe im Laufe der Jahre gegen sehr viele Männer gewonnen.“ Dazu Brigitte Burchardt: „Dass Lisa Paus das aus dem Zusammenhang rausgerissen hat, fand ich nicht gut.“ So sei der falsche Eindruck entstanden, dass ihr dieser Aspekt des Männer-Besiegens besonders wichtig sei – das sei aber nicht so. Vielmehr geht sie im Interview sehr ins Detail, formuliert auf interessante, differenzierte Weise. „Vielleicht spielen Frauen strategischer, haben manchmal ein besseres Gefühl für eine bessere Stellung der Figuren. Aber wie in vielen anderen Bereichen haben wir es schwer, in die Phalanx der Männer einzubrechen – das ist wie im Berufsleben. (…) Inzwischen gibt es viele gute Frauen im Schach, aber noch nicht in der absoluten Weltspitze. Aber das kommt auch noch.“

In jedem Fall war der November für Brigitte Burchardt der Krönungsmonat schlechthin. Anfang November wurde sie Europameisterin in Italien, Ende des Monats Weltmeisterin in Portugal. Dazwischen lag, wie sie im Interview im neuen DSB-Newsletter verrät, eine Erkältung. „Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Es gibt nichts Höheres als diesen Titel für ich“, so die 70-Jährige, die für Rotation Pankow spielt und in Falkensee-Finkenkrug wohnt. Im DSB-Newsletter, der im Laufe des heutigen Tages an die 6400 Abonnenten verschickt wird, äußern sich Brigitte Burchardt und GM Rainer Knaak noch einmal ausführlich zur ihren Titelgewinnen. Beide haben sich, aufgrund ihrer langjährigen Schachfreundschaft, füreinander gefreut. Man habe so viel gemeinsam erlebt, es gäbe so viele Parallelen im Leben (beide waren zum Beispiel 1978 DDR-Meister) – „das verbindet“, so Brigitte Burchardt heute noch einmal: „Wir beide haben deshalb doppelte Freude empfunden.“ (mw)

Brigitte Burchardt (Mitte) bei der Siegerehrung
worldsenior.fpx.pt
Brigitte Burchardt (Mitte) bei der Siegerehrung in Portugal (links die Zweitplatzierte Nona Gaprindashvili und rechts die Drittplatzierte Tatyana Bogumil)

// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36238

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