12. März 2018
Was machen Superstars der Musikszene, wenn sie sich der Generation der Best Ager nähern? Die Rolling Stones haben darauf eine trotzige Antwort gegeben: Sie rocken einfach immer weiter ... wahrscheinlich bis sie von der Bühne getragen werden.
Die Kollegen aus der Hip-Hop-Fraktion sind bisher zu jung gewesen, um sich einer derart existenziellen Frage stellen zu müssen. Aber einige nähern sich nun auch einem kritischen Alter - wie Smudo, der mit seiner Formation "Die Fantastischen Vier" deutschen Rap überhaupt erst charttauglich gemacht hat (im Gefolge des Megahits "Die da?!" 1992) ... und der dieser Tage, nämlich am 6. März 2018, seinen 50. Geburtstag gefeiert hat.
Aber besagtes Datum ist - nach der unschlagbaren Vorlage, die von den rüstigen Rolling Stones Mick Jagger, Keith Richards & Co. gegeben wird - für Smudo und seine Kollegen auch kein Grund mehr, womöglich kürzer zu treten. Die vier Godfathers der German Old School touren dieser Tage durch die Republik - und werden zum Beispiel am 18. Mai 2018 vor Bad Segebergs Kalkberg beweisen, dass den Fanta 4 ganz bestimmt keine Verkalkung droht.
Zumal insbesondere Smudo permanentes Gehirnjogging betreibt: Der gebürtige Offenbacher, bürgerlicher Name: Michael Bernd Schmidt, ist bekennender Schachfan.
Und der Rapper hat besagte Leidenschaft öffentlich gemacht in einem Interview, das er dem Verfasser dieser Zeilen (sprich: dem Journalisten René Gralla) vor knapp anderthalb Jahrzehnten für die Berliner Tageszeitung "neues deutschland" gab. Am sonnigen Nachmittag des 27. Mai 2004, es war der letzte Donnerstag im viel besungenen Wonnemonat, trafen sich Smudo und der Autor in der Hamburger Bar Gloria, unweit des angesagten Schanzenviertels in der Hansestadt, die Smudo zu seiner Wahlheimat gemacht hat.
Smudo brachte sein eigenes Set mit, und während sich alsbald ein spannendes Gespräch entwickelte über Popularmusik und Brettsport ("Blitzschach" sei "wie schneller schmutziger Sex", so die unschlagbar prägnante Definition, die Smudo dabei raushaute), trugen der Rapper und der Schreiber ein freundschaftliches Partiechen aus.
Entsprechend crazy wogte das Geschehen hin und her. Erst wagte Smudo ein spekulatives Opfer von zwei Figuren gegen Turm und Bauer (7.Lxf7+ ... pp.), dann - wohl um sich unbewusst zu revanchieren - wurde der Autor leicht größenwahnsinnig und ließ sich von Smudo eigentlich entscheidendes Material abknöpfen (16. ... Le6?? mit der Folge 17.Dxb7 Tf8 18.Dxc6 ...). Immerhin erspähte der insofern abgestrafte Schwarze am Ende doch noch die Chance für einen kleinen Schwindel, nach einem Pseudoangriff, der eigentlich bloß ein Bluff war (23. ... Tf6 und 24. ... Tg6 pp.) ... und ein nettes Läuferopfer (27. ... Lxg2!) erzwang auf den letzten Drücker das Remis durch ewiges Schach (28.Txg2 De1+ [und hypothetisch 29.Kh2 Dh4+ pp.] pp.).
Nachfolgend die Notation der denkwürdigen Begegnung.
Im Grunde war die salomonische Punkteteilung jedoch das ideale Ergebnis. Smudo, der zuvor bereits im Internet unter dem Kampfnamen "Lesmoureal" Blitzpartien gezockt hatte, fühlte sich in der Folge erst recht motiviert zu weiteren Schachabenteuern. So dass er - nach Vermittlung durch den Hamburger Matchpartner René Gralla, wie an dieser Stelle in aller Unbescheidenheit angemerkt werden soll - ein knappes Jahr später in Leipzig wohlgemut ein High End-Duell durchzog: Vor einem Konzert der Fanta 4 in der Arena Leipzig forderte Smudo am 15. April 2005 mit Tina Mietzner eine der attraktivsten Schachsportlerinnen der Nation heraus.
Die hinreißende Chemnitzerin (die heute Tina Duppel heißt) gab in einer 15-Minuten-Schnellpartie dem Hip-Hop-Edelamateur großzügig einen Springer vor.
Und das durfte sich die Chess Queen auch erlauben, gegen eine Internationale Meisterin der Damen war Smudo chancenlos.
HANDICAP!!
>> Weiß spielt ohne Springer b1 <<
Aber das focht den Meister der krassen Reime natürlich überhaupt nicht an. Von Stund an gab er Vollgas, reihte sich in eine Simultan-Challenge gegen Alexej Schirow im Oktober 2005 in Hamburg ein und besiegte die Sängerin Vaile 2007 - erneut in der Elbmetropole - während eines Showcase-Events, zu dem auch Wladimir Kramnik eingeflogen war. Mit dem vorläufigen ersten Höhepunkt von Smudos Zweitkarriere: Smudo wurde einer der Botschafter der Schacholympiade 2008 in Dresden.
Zwischendurch brillierte der Hip-Hop-Rennen auch in anderen Sportarten, fuhr Rennen und saß am Steuerknüppel flotter Flieger - aber dem Spiel der Spiele ist er trotzdem treu geblieben, machte erst 2017 Werbung für das Weltrekord-Turnier "Rechtes gegen linkes Alsterufer", zusammen mit Hamburgs Erstem Bürgermeister (und zukünftigem Vizekanzler) Olaf Scholz.
50 years ... and still going strong! Denn die Nation braucht diesen Smudo auch weiterhin: am Mikrofon - und beim Game of Games.
René Gralla
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 22992