15. Dezember 2011
Am 4. Juni wurde auf dem 101. Bundeskongress des Deutschen Schachbundes in Bonn das DSB-Führungsgremium für die kommenden zwei Jahre gewählt. Nach genau 100 Tagen Amtszeit am 12. September haben wir auf diesem Weg begonnen, Ihnen die Chance zu geben, die neue Mannschaft - also das DSB-Präsidium und seine Referenten - in der Rubrik Vorgestellt persönlich kennen zu lernen. Wir haben dabei allen bewusst die gleichen sechs Fragen gestellt. Nach Niklas Rickmann, Vizepräsident Verbandsentwicklung, Sportdirektor Horst Metzing, Michael S. Langer, Vizepräsident Finanzen, Stellvertretender DSB-Präsident, Dr. Christian Warneke, 1. Vorsitzender der Deutschen Schachjugend, Joachim Gries, Vizepräsident Sport, Dan-Peter Poetke, Referent für Frauenschach, Helmut Escher, Referent für Seniorenschach, Klaus Deventer, Referent für Leistungssport, Ralph Alt, Bundesturnierdirektor, Walter Pungartnik, Referent für Breitenschach, Martin Keeve, Bundesrechtsberater folgt zum Abschluss dieser Serie DSB-Präsident Herbert Bastian.
Warum haben Sie auf dem DSB-Bundeskongress in Bonn für Ihr Amt kandidiert?
In meinen vieljährigen Tätigkeit für den DSB auf zahlreichen Gebieten - als Spieler wie als Funktionär - habe ich eigene Vorstellungen darüber entwickelt, wie wir Schachspieler miteinander umgehen sollten und wie die inhaltliche Arbeit im DSB aussehen müsste. Vieles, was die letzten Jahre lief, habe ich sehr kritisch gesehen, ohne etwas Entscheidendes ändern zu können. Insbesondere war ich nie mit dem Verhältnis der DSB-Funktionäre zu den Spitzenspielern zufrieden. Mir fehlten z.B. Zielvorgaben für die Arbeit der Vereine an der Basis. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der DSB sich selbst und seine Ziele in einem mit den Mitgliedsverbänden besprochenen Verbandsprogramm formulieren muss, damit überhaupt erst die Chance besteht, dass es zu einer gemeinsamen Bewegung auf gemeinsame Ziele hin kommt. Schon in meinem Landesverband habe ich die Erfahrung gemacht, dass man nur dann eine realistische Chance auf das Durchsetzen von Neuerungen hat, wenn man ganz an der Spitze steht. Nun bot sich die Chance, um das höchste Amt zu kandidieren. Diese einmalige Möglichkeit versuchte ich zu nutzen, was mit der Unterstützung zahlreicher, gleichgesinnter Freunde gelang.
An welchen Projekten möchten Sie in den kommenden zwei Jahren aktiv mitwirken?
Zunächst habe ich mich mit aller Kraft dafür eingesetzt, dass wir eine starke Nationalmannschaft aufgestellt haben, die bekanntlich mit dem überraschenden Titelgewinn auf der Europameisterschaft überzeugt hat. Dazu fanden im Vorfeld zahlreiche Gespräche statt, um Vertrauen zu bilden und Bewegung in die festgefahrenen Fronten zu bringen. Wobei man anerkennen muss, dass das alte Präsidium schon gute Vorarbeit geleistet hatte, nachdem es eine Zeitlang wie paralysiert wirkte. Leider sind diese Bemühungen unmittelbar nach der EM wieder zunichte gemacht worden, so dass wir erneut am Anfang stehen.
Das nächste Ziel ist deshalb, wieder aufeinander zuzugehen, um eine angemessene Vorbereitung auf die Schacholympiade im kommenden Jahr in Istanbul zu ermöglichen. Die vorhandenen Störungen können nach meiner Einschätzung beseitigt werden, wenn alle erkennen, dass wir ein gemeinsames, höheres Ziel haben.
Es hat sich herausgestellt, dass wir uns in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Marketing verbessern müssen. Es wird immer wieder eine Professionalisierung angemahnt.
Weitere Ziele werden dem Verbandsprogramm zu entnehmen sein, dessen erster Entwurf kürzlich vom neuen Vizepräsidenten für Verbandsentwicklung, Niklas Rickmann, erarbeitet und dem Hauptausschuss in Braunschweig vorgestellt wurde. Sobald das Programm schriftlich fixiert ist, machen wir uns an die Umsetzung. Mir ist klar, dass das alles nicht so glatt laufen wird wie ich es hier formuliere. Aber es gilt der berühmte Satz: „Der Weg ist das Ziel“! Wir machen uns auf dem Weg und hoffen, dass uns viele folgen werden und Bewegung in die Verbände und Vereine bringen.
Ein generelles Problem ist die schwindende Mitgliederzahl im Deutschen Schachbund. Was spricht Ihrer Meinung nach dafür, dass man Schach in einem Verein spielen sollte?
„Im Verein ist Sport am schönsten“, so lautete ein bekannter Werbespruch des Deutschen Sportbundes, und der gilt ganz besonders für Schach. Alles wahre Leben ist Begegnung, Begegnung unter Menschen. Mit einem Computer kann ich meine Freude über neue Entdeckungen oder eine schöne Kombination nicht teilen, meine Emotionen teile ich mit lebendigen Menschen.
Was die meisten Schachspieler noch lernen müssen ist, dass man auch als Schachverein soziale Projekte oder Events machen kann. Natürlich sind wir Sportler und streben nach Höchstleistung, aber diese eine Dimension reicht nicht mehr aus, den Wettbewerb mit anderen Sportarten (bei schwindender Geburtenrate) zu bestehen. Nur im Verein kann ich als Gruppe Projekte angehen. Erfolgreiche Teamarbeit schafft Lebensfreude, eine Lebensfreude, die ich zuhause in der Isolation nicht so bekommen kann.
Schach wird in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Wie kann Ihrer Meinung nach dieser Zustand positiv verändert werden?
Nicht reden, sondern handeln! Wir lamentieren allgemein viel zu viel darüber, wie wenig wir wahrgenommen werden. Das kann ich nur bedingt nachvollziehen. Dort wo sich was tut, wird auch berichtet, wenn man die Presse richtig informiert. Zumindest regional gilt das. Wenn wir in die großen Medien kommen wollen, müssen wir an der Spitze erfolgreicher spielen. Das ist aber für unsere Vereine gar nicht so entscheidend. In meinem Wohnort steht jede Woche etwas über den Schachverein im „Gemeindeblättchen“, das bringt dem Verein mehr als die Berichte in den überregionalen Tageszeitungen.
Problematischer ist die geringe Medienresonanz bei der Sponsorengewinnung. Sponsoren wollen Erfolge sehen, mit hinteren Plätzen kann man nicht werben. Deshalb führt meiner Meinung nach kein Weg daran vorbei, dass der Deutsche Schachbund international wieder nach vorne strebt, so wie es seine große Tradition auch verlangt.
Was halten Sie für die bemerkenswerteste Entwicklung im modernen Schach?
Die Einbeziehung der Schachprogramme in das Training und in die Partievorbereitung. Das muss man im gleichen Atemzug mit dem Siegeszug des Internets erwähnen. Neuerungen wandern in Sekundenschnelle um die Welt, es wird international online zusammengearbeitet. Leider üben diese beiden Faktoren - Computer und Internet - einen enormen Evolutionsdruck auf unsere Vereine aus, auf den sie überwiegend noch keine überzeugende Antwort gefunden haben.
Und wie würden Sie für Schach werben?
Mit dem indischen Sprichwort: „Schach ist wie ein See, in dem eine Mücke baden und ein Elefant ertrinken kann“. Auf der Handlungsebene gibt es keine bessere Werbung für Schach, als dem Lernenden mit angemessenen Lerneinheiten Erfolgserlebnisse zu verschaffen. Schach wirbt mit seiner Logik und Schönheit für sich selber, wenn es gut verständlich rübergebracht wird.
Herbert Bastian (Jahrgang 1952) ist in Emmersweiler (Saarland) als ältestes von sechs Kindern geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur leistete er seinen Wehrdienst ab und absolvierte als Soldat auf Zeit eine Offiziersausbildung bei den Fallschirmjägern. Danach studierte er an der Universität des Saarlandes Physik und Mathematik auf Lehramt. Es schloss sich eine Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Experimentalphysik (Nichtlineare Optik) an. 1990 wechselte der Vater von fünf Söhnen in den Schuldienst und arbeitet seit 1992 an einer Gesamtschule..
2005 verlieh die FIDE Bastian den Titel eines Internationalen Meisters im Schach. Aktuell spielt er für die Schachvereinigung Saarbrücken 1970 in der 2. Bundesliga Süd. Seit 1992 ist Herbert Bastian Präsident des Saarländischen Schachverbandes und seit 4. Juni 2011 Präsident des Deutschen Schachbundes.
P.S.: Sollten Sie im Übrigen Fragen an Herbert Bastian haben, so schicken Sie diese bitte per E-Mail an praesident@schachbund.de oder an presse@schachbund.de.
Eine vertrauensvolle Kommunikation spiegelt nicht zuletzt stets eine gute Öffentlichkeitsarbeit wieder. Und dieses sinnvolle Ziel können und wollen wir gemeinsam erreichen!
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 171