6. April 2018
Der Monatswechsel März/April 2018 wird Elisabeth Pähtz noch lange im Gedächtnis bleiben. In der georgischen Hauptstadt Tbilissi, im Herzen der Schachweltmeisterinnenschmiede, gelangen ihr mit Silber im Blitzschach und Gold im Schnellschach bei den Europameisterschaften der Frauen zwei herausragende Erfolge ihrer einzigartigen Karriere. Der Deutsche Schachbund sprach mit Elisabeth über die Grundlagen dieses Erfolgs, ihre kommenden Pläne und wie sich der Schachsport noch besser in den großen Medien präsentieren kann.
Elisabeth, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Schnellschach-Europameisterschaft und der Silbermedaille im Blitzen. Welchen Stellenwert hat dieser Titel für Dich?
Die Goldmedaille im Rapid ist bislang mein erster Titel im Erwachsenenbereich. Deshalb ist der Stellenwert für mich persönlich besonders hoch. Die Silbermedaille war ein netter Zusatz, der mir zeigt, dass ich vielleicht doch nicht ganz so schlecht blitze, wie ich es in den letzten Jahren von mir immer gedacht habe.
Bereits Ende 2017 konntest du bei den Weltmeisterschaften im Schnellschach die Bronzemedaille gewinnen. Warum liegt Dir das Spiel mit verkürzter Bedenkzeit so gut? Trainierst Du das gezielt?
Auf die WM in Riad hatte ich mich 5 Tage mit meinen französischen Teamkollegen GM Gozzoli und GM Riff vorbereitet, jedoch mehr auf mentaler Ebene. Nach meinem katastrophalen Ergebnis bei den World Mind Games (dort wurde ich in fast allen Schnellschach- und Blitzdisziplinen Letzte) fehlte mir jegliches Selbstvertrauen.
Für die EM in Tiflis gab es keine spezielle Vorbereitung. Ich war eine Woche bei unserem Bundestrainer Dorian Rogozenco und beschäftigte mich dort jedoch fast ausschließlich mit dem Eintippen der zweiten Auflage des Buchs von GM Sedlak zum London-System. Anmerken muss ich an dieser Stelle, dass mir das London-System einen fast nahezu perfekten Score in Tiflis einbrachte. Bis auf ein Remis konnte ich alle meine Partien mit diesem System gewinnen.
In den letzten Jahren hast du Dich regelmäßig bei den Europameisterschaften für die Weltmeisterschaft qualifiziert. In der Nationalmannschaft punktest du konstant gut am Spitzenbrett. Dazu kommen nun die jüngsten Erfolge. Teilst Du den Eindruck, dass Du Dein Spiel auf hohem Niveau weiter stabilisieren konntest und was sind die Gründe?
Mein Vater [GM Thomas Pähtz, d. Red.] hatte mit Anfang 30 seine beste schachliche Zeit und wurde mit 33 Großmeister. Da man mir nachsagt, dass ich ein bisschen wie er bin :), dürfte es bei mir nicht viel anders laufen. Vielleicht bin ich in letzter Zeit auch mental stabiler geworden. M. E. ist es nicht das schachliche Können, welches mich von den Top Ten der Frauenweltrangliste trennt, sondern eher mein labiles Nervenkostüm.
In wenigen Tagen beginnen die Europameisterschaften in der Slowakei. Was für Ziele hast Du Dir gesetzt?
Bereits für Tiflis hatte ich mir keinerlei Ziele gesetzt und für die Slowakei werde ich dies ebenfalls nicht tun.
Es war ein erfolgreiches Wochenende für das deutsche Schach. Du selbst bist auch direkt nach dem Turnier noch zu Besuch in Karlsruhe gewesen und hast den Turniersieg von Vincent im größten deutschen Turnier erlebt. Was müsste aus Deiner Sicht geschehen, damit Schach in Deutschland über dieses Wochenende hinaus im Gespräch bleibt?
Ich glaube, dass wir im Verband einige Defizite im Bereich Marketing haben. Der Verband müsste die schachsportlichen Erfolge seiner Spieler und Spielerinnen besser in die allgemeinen Medien transportieren. Nur so kann auf den Schachsport aufmerksam gemacht werden. Wir befinden uns im Lasker-Jahr, waren Austragungsort des Kandidatenturniers, haben mit Vincent Keymer ein Vorzeigemodell der Extraklasse (er ist der erste 13-Jährige, der je eine Turnierperformance von knapp 2800 gegen starke Gegnerschaft erzielte) und haben mit der Endrunde der Männerbundesliga wieder einmal viele prominente Schachpersönlichkeiten vor Ort. Das alles muss nicht nur in Schachkreisen sondern auch in die Öffentlichkeit getragen werden, egal wie!
Vielen Dank für das Interview, Elisabeth!
Ein Video-Interview in englischer Sprache führte der Veranstalter bei ihrem Aufenthalt beim GRENKE Chess Open & Classic in Karlsruhe:
Videos von den europäischen Blitz- und Schnellschachmeisterschaften der Frauen gibt es natürlich auch:
Frank Hoppe
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 23069