28. Oktober 2024
Out of Rosenheim. Am Ende lief die Zeit davon. Und so manches wichtige Thema konnte nur noch angerissen werden – und wurde folglich vertagt bei der Herbst-Sitzung des Hauptausschusses. In einer Art Umlaufverfahren sollen sich bis zum 15. Dezember die Landesverbände dazu äußern. Das DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit hat die wichtigsten Inhalte der Diskussionen zusammengefasst – und wir wollen auch der Basis die Chance geben, Ihre Meinung zu äußern. Dazu starten wir drei Umfragen. Den Wortlaut der Anträge zu den Themen (zu denen Ihr bis Mitte Dezember Eure Meinung kundtun könnt), findet Ihr im Rahmen der Tagesordnung des Hauptausschusses noch einmal im Detail.
…forcieren die Landesverbände aus Berlin und Württemberg. „Das Umfeld, wie wir es uns geschaffen haben, ist problematisch für den Großteil der Bevölkerung“, legte Carsten Karthaus vom Schachverband Württemberg den Finger in die Wunde: „Und deshalb sind wir nicht attraktiv für Frauen.“ Dass in seinem Landesverband zuletzt der Frauenanteil von sechs auf neun Prozent gestiegen ist – nicht genug, wie er findet. Und mit dieser Zahl ist er auch nicht alleine, sondern er beschreibt den Ist-Zustand bundesweit: Unter den 97.407 Mitgliedern des DSB sind nur 9.615 Frauen. Nicht einmal zehn Prozent.
„Wir können nicht weitermachen wie bisher“, sagte Karthaus, und erntete viel zustimmendes Nicken: „Wir müssen uns ernsthaft mit dem Thema beschäftigen und mutige Entscheidungen treffen.“ Eine davon sei die gleichberechtigte Teilnahme von Männern und Frauen in den Organen und Gremien des DSB. Dazu entspann sich eine kontroverse Diskussion. Auch Christian Kuhn, DSB-Referent Onlineschach, befand, es gäbe Gründe, „warum in manchen Landesverbänden so wenig Frauen sind“. Man müsse „grundsätzlich Strukturen ändern“.
Im Grunde waren sich alle einig: Mehr Frauen wären gut - aber muss es eine Quotenregelung geben? Ingo Thorn als Vertreter des Bayerischen Schachbundes war nicht alleine mit seienn Bedenken: „Bei mir gilt Qualifikation vor Proporz. Ich lasse mir als Landesverband nicht vorschreiben, wie ich meine Delegierten auswähle.“ Das aber ist für Paul Meyer-Dunker vom Berliner Schachverband „eine Crux. Alle sind dafür, dass wir was tun – aber wenn es um konkrete Vorschläge geht, sagen viele: Nein, wir machen keine Quote“. Meyer-Dunker weiter, mit Blick in den Saal (wo nur fünf Frauen saßen): „Schaut Euch um, wir müssen uns nicht in die Tasche lügen. Eine Runde mit lauter älteren Herren bildet nicht die Gesellschaft ab“. Er fand „die Diskussion scheinheilig, weil die Runde nicht bereit ist, was zu ändern.“ Wie konstruktiv und fair diese Diskussion dennoch geführt wurde, lässt sich jedoch daran ablesen, dass der Berliner und der Bayerische Vertreter direkt nebeneinandersaßen – und jeder weiß, wie gut sich die beiden verstehen....
Aber in der Kürze der Zeit war dieses komplexe Thema natürlich nicht zu klären – Fortsetzung folgt im schriftlichen Verfahren. Die Basis für ein fruchtbares Ergebnis scheint jedenfalls auch deshalb vorhanden, weil sich alle einig waren, dass die Förderung von Frauenschach im Rahmen der Verbandsentwicklung ein „strategisch wichtiges Thema“ (Karthaus) sei. Gut möglich, dass hierzu auch als nächster Schritt ein Workshop entsteht. Erste Interessenten schlossen sich in Rosenheim kurz.
Sollte es beim DSB und seinen Landesverbänden eine Ämter-Quotenregelung für Frauen geben?
…wurde sehr ausführlich besprochen. 2027 wird der Deutsche Schachbund 150 Jahre alt. Ehrenpräsident Herbert Bastian hat für die geplanten Feierlichkeiten die Federführung übernommen – und stellte seine Ideen vor. „Es ist höchste Zeit, mit den Planungen zu beginnen“, sagte Bastian, der seine Ausführungen unter das Motto „Tradition mit Zukunft“ gestellt hatte. Er wolle die Brücke schlagen von der Historie hin zur vorbildlichen Jugendarbeit des DSB und seiner Landesverbände. Doch auch hier geht es noch um grundsätzliche Fragen: Dass gefeiert werden soll – so ergab es die Abstimmung in Rosenheim – wollen 96 Prozent der Verantwortlichen. Aber: Soll es einen großen Festakt geben? Soll es ein Buch geben?
Paul Meyer-Dunker sagte, es müsse im Jubiläumsjahr gelingen, „raus aus der Nische“ zu kommen: „Wir müssen Geschichten erzählen, wie: Ein Drittel aller Mitgliederinnen und Mitglieder sind junge Menschen, Schach kann sehr sozial sein. Wir müssen rausgehen und uns präsentieren, um einen Imagewandel herbei zu führen.“ Ein Buch oder ein Festakt könnten dabei nicht im Mittelpunkt stehen. Tatsächlich aber ergab die Abstimmung über ein Meinungsbild: 90 Prozent der Delegierten wünschen sich ein Buch, gerne auch zusätzlich als E-Book. Das DSB-Präsidium soll nun die Finanzierung prüfen. Alle waren sich einig, dass die Vorbereitungen nun forciert werden müssten, gegebenenfalls auch in Form einer Arbeitsgruppe. Auch die Landesverbände sind hier als Ideenschmiede gefordert.
150 Jahre DSB. Was wünscht Ihr Euch zum Jubiläum?
Hier trug der Vizepräsident für Verbandsentwicklung Guido Springer die wichtigsten Punkte vor, die seine Kommission ausgearbeitet hat. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe wurden mehrheitlich als gute Diskussionsgrundlage beurteilt – aber es fehlte in Rosenheim die Zeit, um bei wichtigen Punkten wie dem Turnus für den Bundeskongress (jährlich oder alle zwei Jahre?) oder einer Erhöhung der Amtszeit (zwei oder vier Jahre?) in die Tiefe zu gehen. Auch hierzu erbittet der DSB ein Meinungsbild aus den Ländern bis Mitte Dezember – um mit Blick auf den Bundeskongress am 31. Mai in Paderborn die nächsten Schritte einleiten zu können.
…wurde nur noch ganz kurz angerissen. Vorgestellte hatte es auch der Vertreter des Württembergischen Verbandes, Carsten Karthaus: „Gute Nachwuchsarbeit muss belohnt werden“, sagte er. Und drückte damit gleichzeitig aus, was nicht passieren darf: Dass Talenteschmieden nur ausgenutzt werden. „Manche Vereine schnappen den anderen kostenlos die besten Spieler weg, Vereine mit sehr guter Jugendarbeit verschwinden im Nirwana.“ Was also in anderen Sportarten längst gang und gäbe ist, und wegen häufiger Streitigkeiten zum Beispiel im Fußball längst vom DFB mit festen Entschädigungssummen (angelehnt an die Ligazugehörigkeit des aufnehmenden Vereins und an die Dauer der Ausbildung des Talents durch den abgebenden Club) geregelt ist, soll auch im Schach gelten: Wer ein Talent holt, soll dafür den Ausbildungsverein entschädigen müssen. Karthaus betonte die Auswirkungen der bisherigen Nicht-Regulierung: So mancher Trainer hörte auch frustriert auf, weil die Früchte seiner Arbeit andere ernten würden. Fortsetzung folgt. (mw)
Sollte es eine Regelung zur Ausbildungsentschädigung im deutschen Schach geben?
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36169