13. Januar 2012
Wie jetzt bekannt wurde, verstarb am 5. Januar 2012 im Alter von 81 Jahren der verdienstvolle (Jugend-)Schachfunktionär sowie ehemalige Oberligaspieler (MoGoNo bzw. Schachclub Leipzig-Gohlis) und Schachlehrer Paul Gaffron.
1930 in Günthersdorf bei Breslau geboren, wurde Paul Gaffron nach Kriegsende zum Wahl-Leipziger und lernte bei einem Krankenhausaufenthalt das Schachspiel kennen und bald auch lieben. 1955 wurde er Mitglied der Sektion Schach der BSG Motor Gohlis Nord (MoGoNo), deren Spiellokal, das Klubhaus „Heinrich Budde“ in Gohlis, bald eine Art Lebensmittelpunkt von Paul werden sollte. Auch sein Familienleben mit Ehefrau Ursula (geborene Fetzer und jahrelang ebenfalls aktive Spielerin) sowie den drei Töchtern Petra, Doris und Birgit (alle drei auf Landesebene sehr erfolgreiche Nachwuchsspielerinnen) fand wohl zum großen Teil in besagtem Klubhaus (nicht weit von der eigenen Wohnadresse) statt. Als zweites Standbein des Familienlebens entwickelte sich dann auch noch die Karl-Liebknecht-(Ober)-Schule in Leipzig-Gohlis, welche alle drei Töchter besuchten, und wo die Schulschach-Arbeitsgemeinschaft die zweite zentrale Wirkungsstätte von Paul Gaffron gewesen ist.
Die politische Wende von 1989/90 bedeutete auch einen Einschnitt ins Schachleben, denn einerseits musste das Klubhaus (nicht zuletzt wegen zu hoher Mieten) aufgegeben werden, andererseits mutierte die Sektion Schach von MoGoNo nun zum eigenständigen Einspartenverein „Schachclub Leipzig-Gohlis“ (SCLG) mit dem Sportforum als neuem Domizil und auch bald mit vorzeigbaren Erfolgen auf Bundesebene.
Paul Gaffron ist der Urheber eines inzwischen bundesweit anerkannten Trainingssystems mit sich im Schwierigkeitsgrad steigernden Tausenden von Taktikaufgaben (von Paul selbst übrigens lieber „Knobelaufgaben“ genannt), das als "Methode von Paul Gaffron" jedem Schachschüler und Nachwuchstrainer in Deutschland geläufig geworden ist. Worin diese Methode eigentlich besteht, ist an anderer Stelle erklärt.
Paul selbst hat seine Methode jahrzehntelang nicht nur propagiert, sondern als unermüdlicher Schulschach-Übungsleiter und als Vereinsnachwuchstrainer vor allem auch praktisch angewendet und dabei immer weiter perfektioniert. Auch alle zum DDR-Alltag gehörenden materiell-technischen Schwierigkeiten bei der Vervielfältigung handgestempelter zweifarbiger (rot und blau) Ormig-Originale und der anschließenden Herstellung in Folie eingeschweißter Arbeitsblätter hat er dabei als Industriebürokrat (in der Materialwirtschaft tätiger Maschinenbauingenieur) durch manche „Partisaneninitiative" meistern können.
Nach der Wende ergaben sich glücklicherweise ganz neue Möglichkeiten der Erstellung und vor allem der Verbreitung der Arbeitsblätter von Paul Gaffron, die nach und nach digitalisiert und durch ansehnliche Diagrammausdrucke ersetzt werden konnten, obwohl manch altes Arbeitsblatt im Verein noch weiterhin im Umlauf ist und vielleicht bald Museumswert bekommt. Die Fusion des Vereins 2011 mit Lok Mitte Leipzig zur „Schachgemeinschaft Leipzig e.V.“ (SGL) hat Paul Gaffron auch noch miterlebt, wobei der Verlust des Namensteils „Gohlis“ ihn mit etwas Wehmut erfüllte, obwohl er selbst seit mehr als zehn Jahren gar nicht mehr in Gohlis wohnte, sondern in Althen ansässig geworden war. Dies hat Paul jedoch nicht daran gehindert, praktisch bis zuletzt beim Dienstagstraining der Gohliser Schacheleven mehr oder minder regelmäßig noch im Sportforum dabei zu sein und Monat für Monat für die Zeitschrift JugendSchach die beliebten Serien „Taktik Matt in 1 Zug“ und Taktik Matt in 2 Zügen“ zu liefern.
Nahezu alle heute noch aktiven Leipziger Nachwuchstrainer und auch zahlreiche Leipziger Spitzenspieler sind bei Paul Gaffron buchstäblich in die Schule gegangen und werden sein schachliches Erbe und die persönliche Erinnerung an Paul Gaffron noch lange bewahren.
Burkhard Starke, Presswart SG Leipzig
Das System der Schachaufgaben von Paul Gaffron - Kurzbeschreibung
Schachfreund Paul Gaffron (*1930 †2012), die „gute Seele“ des „Schachclubs Leipzig Gohlis e.V.“ und übrigens jahrelang auch Mitglied des Lehrausschusses des Schachverbandes Sachsen, hat in seiner jahrzehntelangen Übungsleiterpraxis ein ausgeklügeltes System von Schachaufgaben mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad entwickelt und angewendet, das wie folgt funktioniert:
Man nehme eine mehrzügige Kombination, z.B. Matt (= M) oder Vorteilskombination (ursprünglich = K, neuerdings = V) in vier (oder sogar bis zu sechs!) Zügen, und zerlege diese, ausgehend vom Schlussdiagramm, in einen Einzüger, einen Zweizüger, einen Dreizüger und den betreffenden Vierzüger. Auf Bögen mit jeweils 6 verschiedenen Diagrammen werden dann immer Aufgaben ein und derselben Kategorie zusammengefasst, z.B. mit der Überschrift Vorteil in zwei Zügen. Solche, in Folie gegen Beschriften und Verschleiß geschützten Bögen, deren es einige tausend gibt, werden von den Kindern gewissermaßen „abgearbeitet“, sei es zu Beginn einer Trainingsstunde (als Aufwärmübung), sei es als freiwillige Hausaufgabe.
Die Auswertung ist denkbar einfach, wenn auch aufwendig, sobald sehr viele fleißige kleine Löser am Werke sind. Auf Einzüger gibt es 1 Punkt, also 6 Punkte für einen komplett richtig gelösten Bogen, für Zweizüger jeweils 2 Punkte (12 auf den Bogen) usw. Unter den Kindern einer Schulschach-AG (= Arbeitsgemeinschaft) wird ein Wettbewerb jeweils über ein Halbjahr durchgeführt, dessen Sieger am Ende einen Preis (das kann sogar eine Schachuhr sein!) erhält. Gleichzeitig wird in jeder Schulschach-AG ein Turnier ausgetragen und ebenfalls halbjährlich ausgewertet. Erwartungsgemäß zeigt sich hier, dass die erfolgreichsten Knobler auch in den Turnieren vordere Plätze belegen.
Das System erlaubt einerseits „leichte Erfolge“ für die Kinder durch die von ihnen selbst getroffene Wahl leichter Aufgaben, andererseits aber auch eine gut dosierbare Steigerung des Schwierigkeitsgrades bei entsprechender Neigung und Leistungsbereitschaft der Kinder. Wer den ganzen Aufgaben-Pool schrittweise und ohne Stufen auszulassen absolviert und dabei auch noch ein gutes Gedächtnis hat, der kann dann sogar leicht einen Sechszüger lösen, weil er die diesem vorangegangenen Fünf-, Vier-, Drei-, Zwei- und Einzüger aus genau derselben Kombination schon schrittweise in den vergangenen Jahren kennen gelernt und gelöst hat.
Für Anfänger, die natürlich mit Einzügern beginnen, ist das System auch deshalb sehr gut geeignet, weil sie so die ganze Vielfalt möglicher Mattbilder und anderer Elementarkombinationen in kurzer Zeit kennen lernen.
Dem Übungsleiter erlaubt das System die Früherkennung von Talenten, die mit schnellem und scharfem Blick mühelos ansteigende Schwierigkeiten bewältigen und gar nicht genug (Haus-)Aufgaben bekommen können.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 210