11. April 2025
Eine große Schach-Expertise, gepaart mit sehr viel Humor - das ist sein Markenzeichen. IM Levy Rozman ist der Gründer und Moderator des GothamChess-Kanals, benannt nach seiner Heimatstadt New York. Millionen Schachspielerinnen und -spieler folgen ihm im Internet, wo er beinahe täglich Videos hochlädt. Und jetzt besucht er sie auch – ganz persönlich, live. Rozman ist auf großer Europatour. Er war schon in Hamburg, auch Brüssel, London, Wien, und Warschau stehen auf dem Plan. „Deutsche Fans treffe ich am liebsten persönlich“, betonte er, als er sich den Fragen von Matthias Wolf vom DSB-Team Öffentlichkeitsarbeit stellte. Und in der Tat: Am 15. Mai kommt er nach Berlin, in die Urania, am 16. Mai ist er in München im Werk7-Theater. An beiden Orten wird es auch zum Aufeinandertreffen mit dem traditionellen Schach kommen, in dem auch Rozman seine Wurzeln hat. Der größte Schach-Content-Creator der Welt wird in München die DSB-Nationalspieler GM Frederik Svane und GM Rasmus Svane treffen, in Berlin GM Judit Polgar. An seiner Seite: IM Gergios Souleidis, The Big Greek. Auch einen Abstecher von GothamChess zur Deutschen Meisterschaft in München (14. bis 24. Mai) wird es geben. Dazu mehr im zweiten Teil unseres Interviews am Montag. Dann gibt es auch die Chance, Tickets für die GothamChess-Tour 2025 zu gewinnen.
Levy, wie bist Du zum Streamen gekommen? Es gibt die Legende, Dir war als Schachlehrer einfach zu langweilig…
Für mich war es ein schrittweiser Prozess. Ich habe Schach zwischen 2010 und 2020 für Menschen verschiedener Altersgruppen und Spielstärken gelehrt. 2018 habe ich mit dem Livestreaming auf Twitch begonnen, hauptsächlich aus Spaß. Ein Bier, klassische Rockmusik und ein paar Blitzspiele - bis spät in die Nacht. Als 2020 die Welt stillstand, habe ich gemerkt, dass ich meine Erfahrungen nutzen kann, um vom Unterricht in Klassenzimmern in die ganze Welt zu gehen - online.
Über sechs Millionen Follower – was bedeutet es Dir, der größte Schach-Influencer der Welt zu sein? Und was ist das gleichzeitig für eine Verantwortung?
Ich finde es ein ganz besonderes Gefühl. Es ist toll, dass Schach so vielen Menschen weltweit so wichtig ist, der Sport ihnen regelrecht nahesteht. Vor allem aber teile ich meine Leidenschaft für Schach vor der Kamera - und viele Menschen scheinen sich dafür zu interessieren.
Du hast mit einer Handvoll Abonnenten angefangen. Bist Du der lebende Beweis dafür, dass man mit Schach reich werden kann – wenn man eine Idee hat?
Ich sehe meine Verantwortung darin, Schach für neue Spieler so einfach, verständlich und unterhaltsam wie möglich zu zeigen. Auch wenn ich über Kontroversen oder Dramen im Schachsport berichte, versuche ich stets, neutral und sachlich zu bleiben.
Und was das Geld angeht…
… würde ich nicht behaupten, ich sei ein Beweis für irgendetwas. Ob Schach, Sport, Musik oder Sonstiges - man kann nicht von der erfolgreichsten Person ausgehen und dann versuchen, ihre Reichweite zu erreichen. Ich habe extrem hart gearbeitet um meinen Kanal und Chessly, meine Bildungswebsite, aufzubauen - und ich hatte auch ziemlich viel Glück. So etwas passiert halt.
Wirst Du in den USA auf der Straße erkannt?
Ja, das werde ich! Ich habe viele Geschichten von diesen Treffen. Vielleicht erzähle ich sie auf der Bühne. Deutsche Fans treffe ich übrigens am liebsten persönlich (lacht)
Als Schachlehrer bietest Du ja auch Kurse im traditionellen Schach an – wie schwierig ist der Spagat zu Schach im Internet, wo viele Kritiker es nicht gerne sehen, dass der Sport in Häppchen serviert wird?
Das ist eine ziemliche Herausforderung – sowohl bei der Erstellung von Videos und Videotiteln oder Vorschaubildern, als auch bei meinen Kursen und meinem Buch. Schach hatte jedoch viele, viele Jahre lang große Mühe, überhaupt ein Publikum zu gewinnen. Daher würde ich sagen, dass der Schachsport bereits für eine Revolution war.
Dazu zählen viele auch den Freestyle Grand Slam. Wie siehst Du diese Turnierserie? Und wie beurteilst Du den Konflikt zwischen der FIDE und Jan Henric Buettner? Warum tun sich die Hüter des klassischen Schachs so schwer mit Freestyle?
Ich kann auf diese drei Fragen eine Antwort geben. Das Drama zwischen FIDE und Freestyle interessiert mich nicht wirklich. Ich wünschte, beide hätten ihren Konflikt anders gehandhabt. Aber ich würde mir auch wünschen, dass die FIDE vieles anders macht – für den Schachsport. Abgesehen davon: Mir gefällt sehr viel von dem, was Freestyle für das Schach tut.
Zum Beispiel?
YouTubern Zugang zu den Spielern zu ermöglichen, fantastische Inhalte zu erstellen, aufregende Outfits und ein tolles Studio-Setting zu bieten und vieles mehr. Die Fans lieben das wirklich. Aber Freestyle im klassischen Format ist sehr schwer einem Massenpublikum und neuen Fans näherzubringen. Und ohne neue Fans, neue Konsumenten, neues Interesse an der Tour wird die 20-Millionen-Dollar-Investition wahrscheinlich kaum Erfolg haben. Beim ersten Zug des Finales in Weissenhaus dachte Vincent Keymer 20 Minuten lang nach! Wie erklärt man das als Kommentator einem neuen Fan? Ich fand es herausfordernd. Aber ich bleibe optimistisch. Sie haben ein gutes Team und viele kluge Leute und Investoren.
Viele fragen sich derzeit: Ist Freestyle das neue Schach? Hikara Nakamura kann sich gut vorstellen, nur noch Freestyle zu spielen. Magnus Carlsen mag die langen Partien auch nicht mehr…ist das (Du bist ja auch ein Fan von Magnus) zu bedauern? Oder schlicht der Lauf der Zeit?
Die Spieler werden dorthin gehen, wo sich Ihnen Chancen bieten. Beispielsweise verspricht dieses Jahr der Esports-World-Cup 1,5 Millionen Dollar Preisgeld für Schachspieler – und das nur im 10+0-Format, nicht im Freestyle. Der Freestyle-Ansatz in Marketing und Content dürfte aber die Zukunft von Schachveranstaltungen sein. Dennoch glaube ich: Die meisten Spieler wollen immer noch Titel gewinnen: Weltmeister, Weltranglistenerster, Schnellschach- oder Blitzweltmeister. Wir werden sehen, ob sich das irgendwann ändert.
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 36366