23. Juni 2015
Den Spruch „Licht und Schatten“ wurde im Zusammenhang mit dem Mitropa-Cup schon an der einen oder anderen Stelle benutzt. Für die letzte Runde trifft dieses Bild ebenfalls zu. Natürlich war es nicht nur eine besondere Runde, weil es die letzte Runde war, sondern weil diese um 9 Uhr startete. Da sind die Frühaufsteher, die unter Schachspielern bekanntermaßen nicht sonderlich häufig gesehen sind, natürlich im Vorteil. Das alles wird dadurch verschärft, dass die Runden zuvor ganze 6 Stunden später anfingen.
Heute wartete auf die deutsche Mannschaft im offenen Turnier Frankreich, während es die Damen mit der zweiten Mannschaft der Österreicherinnen zu tun hatten. Beide deutsche Mannschaften wollten auf's Podest und hatten mit Platz 3 eine ordentliche Ausgangslage.
Sarah spielte eine Spanische Partie, in der sie mit 9. Sbd2 einen Seitenpfad dieser Eröffnung betrat. Die Gegnerin Elisabeth Hapala antwortete mit einem ebenfalls relativ frühen Lg4. Damit waren wohl beide Spielerinnen aus der Vorbereitung. Im 17. Zug hatte Sarah dann die Qual der Wahl zwischen dem c4-Bauer und dem c6-Bauer. Leider entschied sie sich mit dem c4-Bauern für den falschen, denn so konnte die Gegnerin die Stellung so öffnen, dass die Schwäche des weißen König's zum Tragen kam. Doch Sarah schaffte es die Stellung kompliziert zu halten und so wogte die Bewertung teilweise hin und her. Sarah opferte die Dame, bekam dafür aber eine ganze Menge Spiel, am Ende fand sie sich dann jedoch in einem verlorenen Endspiel wieder, in dem die Österreicherin nichts mehr anbrennen ließ.
Judith wählte gestern mit dem Aufbau der modernen Verteidigung wieder etwas, das zumindest mich überraschte. Allerdings bewies zumindest die Eröffnungsphase, dass es wieder die richtige Wahl war. Denn schnell erreicht Judith Ausgleich gegen Denise Trippold, die zunächst kein Konzept gegen Judiths Aufbau fand. Im Nachhinein könnte man den 19. Zug als vorentscheidende Situation der Partie betrachten. Laut Engine hätte Judith mit dem riskanten Dh4 den Königsangriff starten sollen. Den logischen und prophylaktischen Zug a6, konterte Trippold stark mit g4. Von da an war Weiß am Drücker und ließ in einer sehr stark geführten Partie nicht mehr nach.
0:2, eine ärgerliche Niederlage. In den letzten Jahren habe ich Judith und Sarah bei einigen Turnier erlebt, zwei Wettkämpferinnen aus dem Bilderbuch, die immer alles geben. Diesmal hat es leider nicht zu Edelmetall gereicht, aber sie haben großartig gekämpft.
9 | Deutschland | Elo | 0:2 | Österreich II | Elo |
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1 | WGM Sarah Hoolt | 2283 | 0:1 | WFM Elisabeth Hapala | 2090 |
2 | WIM Judith Fuchs | 2286 | 0:1 | Denise Trippold | 1966 |
Pl. | Mannschaft | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | MP | BP |
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1. | Ungarn | * | 1 | 1½ | 1 | 2 | 2 | 2 | 1½ | 2 | 2 | 16 | 15,0 | |
2. | Italien | 1 | * | 1 | 1½ | 1 | 1½ | 1½ | 1 | 1½ | 2 | 14 | 12,0 | |
3. | Slowakei | ½ | 1 | * | ½ | 1 | 2 | 1 | 1½ | 2 | 2 | 11 | 11,5 | |
4. | Deutschland | 1 | ½ | 1½ | * | 1 | 1 | 2 | 2 | 0 | 1½ | 11 | 10,5 | |
5. | Österreich I | 0 | 1 | 1 | 1 | * | ½ | ½ | 1½ | 1½ | 2 | 9 | 9,0 | |
6. | Tschechien | 0 | ½ | 0 | 1 | 1½ | * | 1 | 1 | 1 | 2 | 8 | 8,0 | |
7. | Schweiz | 0 | ½ | 1 | 0 | 1½ | 1 | * | 1 | 2 | ½ | 7 | 7,5 | |
8. | Slowenien | ½ | 1 | ½ | 0 | ½ | 1 | 1 | * | 1½ | 1 | 6 | 7,0 | |
9. | Österreich II | 0 | ½ | 0 | 2 | ½ | 1 | 0 | ½ | * | 2 | 5 | 6,5 | |
10. | Kroatien | 0 | 0 | 0 | ½ | 0 | 0 | 1½ | 1 | 0 | * | 3 | 3,0 |
Im offenen Turnier war Silber ebenfalls noch drin. Das nehme ich aber mal vorweg. Die Schweiz verlor 1,5:2,5 gegen die Slowakei, damit war nur noch der dritte Platz zu erreichen.
Wie bereits erwähnt, in der finalen Runde ging es gegen die Franzosen.
Matthias hatte es an Brett 1 gegen die Königsindische Verteidigung von IM Pierre Bailet zu tun. In einer bekannten Variante, die auf jedem Niveau bereits getestet wurde, wich Bailet vom Hauptpfad ab, folgte aber einer Partie von Robin van Kampen, der als großer Experte in dieser Variante gilt. Nachdem Matthias einen Bauer gewinnen konnte und zunächst völlig auf Gewinn stand, kam auf einmal folgende Stellung aufs Brett:
Hier zeigt der Computer Matt in 5 für Bailet an! Doch Matthias' Gegner verpasste das gewinnbringende 31. ... Kh7 und wenige Züge später stand die Punkteteilung. Matthias wird mir sicherlich nicht böse sein, wenn ich diesen halben Punkt als leicht glücklich bezeichne.
Dennis Wagner wählte gegen das schottische Vierspringerspiel die Lc5-Variante. Sein Gegner IM Jonathan Dourerassou gab relativ früh einen Bauer, ohne dafür nennenswert Gegenspiel zu erhalten. Dennis schaffte es schnell ins Endspiel zu gehen. Um dann das Endspiel mit starker Technik zu gewinnen, entkorkte er im richtigen Moment ein fantastisches Bauernopfer. Nachdem er dieses Opfer kombiniert mit den richtigen Ideen gesehen hatte, spielte sich die Partie, so hatte es den Anschein, eigentlich von alleine.
Die Kurzpartie des Tages lieferte Andreas Heimann gegen den klassischen Sizilianer von Perrie Barbot. Bis zum 10. Zug folgten beide einer der Hauptvarianten bis Andreas mit 11. h4 den Pfad der Theorie quasi verließ (bei nur noch 35 Vorgängerpartien) und zum direkten Angriff ansetzte.
Mit 13. ... Ld7 brachte sich Barbot dann endgültig in Nachteil und hätte, nachdem Andreas eine Figur opferte, nur noch mit einem genialen Rückopfer 21. ... Txd3 im Spiel bleiben können. Als er diese Chance verpasste, brauchte Andreas nur noch fünf weitere Züge zum Sieg.
Elisabeth Pähtz hatte es am 4. Brett mit Lucas di Nicolantonio zu tun. Elisabeth spielte ihre geliebte Französische Verteidigung und nach 3. Sc3 mit 3. ... Lb4 die Winawer-Variante. Sie erhielt eine leicht gedrückte Stellung, nachdem aber ihr Gegner mit Lf6 einen starken Konter zuließ, war es nur noch Elisabeth die auf Vorteil spielen konnte. Die Stellung zeigte dann jedoch zunehmend Anzeichen von Verschachtelung und als keine der beiden Seiten mehr Fortschritte machen konnte, war das Remis nicht mehr fern.
Durch diesen soliden 3:1-Sieg behauptete die deutsche Mannschaft den dritten Platz. Die Bronzemedaille, nicht das Ergebnis, dass sich die Deutschen als Ziel gesetzt haben. Nach der Niederlage gegen Österreich hatte es die Mannschaft schwer, wieder ins Turnier zu finden. Trotzdem ist der dritte Platz am Ende ein Erfolg, denn er wurde sich gegen viele andere starke Mannschaften hart erkämpft. Nach dem guten Start hatten alle auf mehr gehofft, doch auch unser Vierer, wie die Frauenmannschaft, hat bis zu letzten Runde ihr Bestes versucht, das Turnier zu einem Erfolg zu machen.
Das wird nicht die letzte Ausgabe des Mitropa-Cups gewesen sein. Nächstes Jahr wird also wieder angegriffen!
9 | Deutschland | Elo | 3:1 | Frankreich | Elo |
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1 | GM Matthias Blübaum | 2600 | ½:½ | IM Pierre Bailet | 2518 |
2 | GM Dennis Wagner | 2569 | 1:0 | IM Jonathan Dourerassou | 2415 |
3 | IM Andreas Heimann | 2551 | 1:0 | FM Pierre Barbot | 2463 |
4 | IM Elisabeth Pähtz | 2458 | ½:½ | FM Lucas di Nicolantonio | 2417 |
Pl. | Mannschaft | Land | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | MP | BP |
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1. | Österreich | * | 3 | 3 | 2½ | ½ | 2 | 2½ | 2½ | 2½ | 3 | 15 | 21,5 | |
2. | Slowakei | 1 | * | 2 | 2½ | 1½ | 2½ | 3½ | 2½ | 4 | 3 | 13 | 21,5 | |
3. | Deutschland | 1 | 2 | * | 3½ | 2½ | 1½ | 2 | 2½ | 3 | 3 | 12 | 21,0 | |
4. | Italien | 1½ | 1½ | ½ | * | 2 | 3½ | 1½ | 4 | 2½ | 2½ | 9 | 19,5 | |
5. | Kroatien | 3½ | 2½ | 1½ | 2 | * | 2 | 2 | 2 | 1½ | 2 | 9 | 19,0 | |
6. | Slowenien | 2 | 1½ | 2½ | ½ | 2 | * | 3 | 1 | 2 | 2 | 8 | 16,5 | |
7. | Tschechien | 1½ | ½ | 2 | 2½ | 2 | 1 | * | 1 | 3 | 2½ | 8 | 16,0 | |
8. | Schweiz | 1½ | 1½ | 1½ | 0 | 2 | 3 | 3 | * | 2 | 1½ | 6 | 16,0 | |
9. | Frankreich | 1½ | 0 | 1 | 1½ | 2½ | 2 | 1 | 2 | * | 2½ | 6 | 14,0 | |
10. | Ungarn | 1 | 1 | 1 | 1½ | 2 | 2 | 1½ | 2½ | 1½ | * | 4 | 14,0 |
Jonathan Carlstedt
// Archiv: DSB-Nachrichten - DSB // ID 19904